La diáspora

Sophie Richter

 

 

1. Autor und Werk

2. Geschichtlicher Hintergrund

3. Handlung

Quellen

 

1. Autor und Werk

Horacio Castellanos Moya gilt als Pionier einer neuen Art des Erzählens in El Salvador. Sein erster Roman La diáspora, der 1988 von UCA Editores veröffentlicht wurde, bahnte einer neuen Thematik den Weg: Es geht um die Verkommenheit der Linken, die in der Revolution El Salvadors mitwirkten. Gleichzeitig entdeckte der gebürtige Honduraner mit diesem Buch bereits seinen Hang zur Provokation, der in seinem Mitte der neunziger Jahre veröffentlichten Buch El asco seine größte Ausprägung fand. Castellanos Moya legt hier, ganz im Sinne des Österreichers Thomas Bernhardt, auf den er sich auch im Untertitel explizit beruft, den Finger in sämtliche Wunden der salvadorianischen Gesellschaft. Von den verdreckten Stränden über die unsagbaren Skulpturen der Unabhängigkeitshelden bis zu den „Pupusas“, dem Durchfall fördernden Nationalgericht El Salvadors („…una pupusa verdadera, esa tortilla rellena de queso y chicharrón, le vuelven las ganas de vomitar.”, S.161ff). Nichts lässt Castellanos Moya aus bei seinem bilderstürmerischen Rundumschlag. Castellanos Moyas tritt dem Glauben an die Menschheit mit Zynismus gegenüber.

La diáspora wendet sich gegen die menschliche Grausamkeit derer, die für die salvadorianische Revolution kämpften, als die Kommandantin der FPL „Ana María“ ermordet wurde und kurz darauf auch der Kommandant Cayetano Carpio seinem Leben ein Ende setzte. Dieser Mord und der darauf folgende Selbstmord erschütterten die militärischen Rebellen in ihren Strukturen zutiefst und führten in den meisten Fällen zur Auswanderung.

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2. Geschichtlicher Hintergrund

Am 6. April 1983 wurde Mélida Anaya Montes, alias „Ana María”, in Nicaragua ermordet. Sie war Kommandantin der FPL (Fuerzas Populares de Liberación). Sechs Tage später nahm sich Salvador Cayetano Carpio (Marcial) in Managua das Leben. Er war erster Kommandant der FPL und Gründer der FMLN. Am 20. März wurde bekannt, dass es sich bei dem Mörder von Montes um Rogelio Bazzaglia (ebenfalls ein Mitglied der Kommandantur der FPL) handelte. Am 11. Dezember gab es dann einen inoffiziellen Bericht, der bestätigte, dass Carpio den Mord an Montes geplant habe, weil sie sich auf Geschäfte mit der salvadorianischen Regierung einlassen wollte, mit denen Carpio nicht einverstanden war.

Diese innerparteilichen Konflikte säten Misstrauen und Verrat in den eigen Reihen, was zu Flucht und Vertreibung führte, da große Uneinigkeiten herrschten und viele Guerilla-Kämpfer unzufrieden waren, wie mit den internen Konflikten umgegangen wurde. Der Verrat und das gegenseitige Misstrauen zogen sich wie ein roter Faden durch die Rebellen-Miliz, was zu Auswanderungen von Nicaragua nach Mexiko führte, wo die Betroffenen als Flüchtlinge aufgenommen wurden [Historischer Hintergrund].

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3. Handlung

La diáspora hat insgesamt vier Teile. Dabei sind der erste und dritte Teil in acht Kapitel unterteilt, der zweite in sieben und der letzte in zwei Kapitel.

Erster Teil

Am ersten Samstag im Januar 1984 kommt Juan Carlos (Mario Antonio Ortiz) aus Nicaragua in Mexiko an, wo er von Carmen und Antonio empfangen wird. Zuvor war er Mitglied beim „Comité de Solidarias“, mit denen er sich aber im Zuge der Ausschreitungen im April 1983 verworfen hatte. Er versucht nun, in Mexiko über seine alten Freunde aus der Partei ein Stipendium/Unterstützung von ACNUR (Alto Comisionando de las Naciones Unidas para Refugiados / UN- Hochkommissariat für Flüchtlinge) zu erhalten, um später nach Kanada oder Australien weiter zu reisen. Jedoch wird Juan Carlos entführt, was ihn selbst sehr verwundert, da ihm so etwas zu seinen politisch aktiven Zeiten erspart blieb. Inzwischen hatte er sich in Sicherheit gewogen und nicht mehr mit einem Übergriff dieser Art gerechnet. Die Entführer fragen ihn über die Situation in der Partei aus und drohen, ihn schon noch zum „Singen“ zu bewegen. „Te voy a hacer cantar, muñeco“ (S. 56). [Gewalt] Sie wissen jedoch nicht, dass „Juan Carlos“ sein Partei-Pseudonym ist und sein Geburtsname Mario Antonio Ortiz lautet, was er mit seinem Ausweis auch bestätigen kann. Er wird wieder freigelassen, da die Kidnapper annehmen es handele sich um eine Verwechslung. Er kommt mit dem Schrecken davon.

In diesem ersten Teil werden auch schon Personen eingeführt, die in den nächsten Teilen noch einen größeren Handlungsraum einnehmen. So trifft sich Juan Carlos zum Beispiel mit Gabriel, denn über ihn wird der Kontakt zu Rita (S. 41) hergestellt, die ihm die Unterstützung von ACNUR organisiert. Die beiden kennen sich aus der Zeit vor der Revolution, als Gabriel Literaturprofessor war und Juan Carlos Philosophie an derselben Universität studierte. Gabriel widmete seine gesamte Zeit der Revolution und gab seine Stelle als Dozent auf. Juan Carlos war einer der wenigen, der ihn verstand (S. 17).

Außerdem trifft sich Juan Carlos mit El Turco (dem „Türken“), welcher noch Mitglied in der Partei ist. Er wird als ein unnachgiebiger und nachtragender Typ beschrieben, der sich gern dem Alkohol hingibt und sich meist in zwielichtigen Kreisen bewegt (S. 149). Juan Carlos begegnet auch el Negro, Sohn eines einflussreichen mexikanischen Unternehmers. Auch er war sieben Jahre lang mit der Revolution in El Salvador verbunden. Er erzählt, dass er gerade in den Vereinigten Staaten war, auf der Suche nach Hilfsfonds für die Presseagentur der Partei. Juan Carlos begleitet ihn, während er seine Einkäufe erledigt. Sie unterhalten sich über die aktuelle Situation in der Partei und die alten Parteifreunde (S. 47).

Zweiter Teil

Quique López war Guerilla-Kämpfer in El Salvador. 1981 floh er bis nach Mexiko. Dort angekommen, wird er sofort wieder verschleppt. Er kehrt aber später erneut nach Mexiko zurück. Dort trifft er seinen früheren Mitkämpfer Lito und dessen jüngeren Bruder Emilio. Lito hilft ihm dabei Arbeit zu finden. Er wohnt und arbeitet als Schreibkraft in der Presseagentur der Partei. Trotzdem hegt er weiterhin den Wunsch zurückzukehren und wieder als Guerillero in die Schlacht zu ziehen.

Dritter Teil

In diesem Teil wird der Mord an Mélida Anaya Montes und der darauf folgende Selbstmord von Salvador Cayetano Carpio beschrieben, sowie die Festnahme von Rogelio Bazzaglia, der für den Mord an Montes angeklagt wird. Dadurch löst sich letztendlich der innerparteiliche Zusammenhalt auf (S. 105-132). Außerdem wird in diesem Teil der Mord an dem Schriftsteller Roque Dalton geschildert, der für die Mehrheit der Parteimitglieder keine Bedeutung hatte - mit Ausnahme von Gabriel, der ein Professor des Schriftstellers war (S. 133-137).

Vierter Teil

El Turco kommt aus El Salvador und lebt aber seit drei Jahren in Mexiko. Er ist zu einer Party von el Negro eingeladen, wo er auf alle Mitarbeiter der Presseagentur, sowie auf Juan Carlos und Carmen trifft. Die Stimmung ist ausgelassen und die Männer buhlen um einen Tanz mit Carmen. Es wird viel getrunken. Nachdem sich fast alle Gäste bereits verabschiedet hatten, bleibt el Turco allein auf der Toilette zurück, da er sich übergeben muss. Dort fängt er an sich an seine Zeit bei „Pupusa“, seiner ehemaligen Band, zu erinnern. Er denkt zurück an die vielen gemeinsamen Reisen durch Europa und Lateinamerika (S. 166), bevor sie sich 1981 aufgrund bandinterner Probleme auflösen mussten (S. 167). Während er diesem Gedanken nachhängt, versucht er sich wieder frisch zu machen, um das Bad verlassen zu können, was ihm dann auch nach mehreren Stunden gelingt.

Der Roman weist eine harte, ausdrucksstarke Sprache [Oralität] mit polemischen Zügen auf, die vor allem durch die Haltung des Autors zu den Dingen definiert werden. Deutlich und mit gnadenloser Genauigkeit denunziert und entmythisiert Castellanos Moya die politische Linke in El Salvador. So scheint der Zerfall der eigenen Reihen sämtliche Unmenschlichkeiten zu provozieren und sie in den einzelnen Mitstreitern der Rebellen-Miliz zu vereinen.
Der ständige Perspektivwechsel in La diáspora verstärkt den Eindruck beim Leser, dass, egal wo er seinen Blick hinwirft, er auf Verzweiflung, Enttäuschung und Misstrauen stößt, was sich jedoch unterschiedlich äußert. Auch wird dadurch die zerrüttete Situation innerhalb der Partei sehr gut verdeutlicht.

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Quellen

 

Primärliteratur:

Castellanos Moya, Horacio (1997): El asco. Thomas Bernhard en San Salvador. San Salvador.

Castellanos Moya, Horacio (2002): La diáspora. El Salvador: 2ª Ed. Dirección de Publicaciones e Impresos.

 

Sekundärliteratur:

Albani, Dino. El Salvador: Negociaciones sin revolución. Juni 1999 (externer link www.45-rpm.net/palante /marcial.htm).

Alvarenga, Luis. “Flaschenpost auf der Suche nach Lesern“. Januar 2002 (externer link www.ci-romero.de).

Universidad de El Salvador. UES-Facultad Multidisciplinaria de Occidente. “La Diáspora” (Horacio Castellanos Moya). 15.05.2005 (externer link www.uesocc.edu.sv).

Bücher

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Horacio Castellanos Moya, fotografiert von Moramay Herrera Kuri (Mexiko)