Donde no estén ustedes

Daniela Kozian

 

 

0. Einleitung

1. Primera Parte

2. Segunda Parte

3. Epilog

4. Fazit

Quellen

 

 

0. Einleitung

Der Roman Donde no estén ustedes, 2003 in Mexiko und Spanien vom Tusquets Verlag veröffentlicht, ist der sechste des in Honduras geborenen Autors Horacio Castellanos Moya.

Der 270 Seiten lange Roman ist in zwei Teile mit den Titeln El hundimiento (Der Untergang) und La pesquisa (Die Ermittlung) geteilt. Diese bestehen aus 22 bzw. 12 Kapiteln, auf die zum Schluss ein Epilog folgt. Im ersten Teil wird die Ankunft des ehemaligen Botschafters Alberto Aragón in Mexiko Stadt, seine Erlebnisse nach der Rückkehr aus dem Exil und der Versuch eines Neuanfangs beschrieben. Im zweiten Teil, geschrieben aus der Sicht des Privatdetektivs Pepe Pindonga, widmet sich dieser der Aufklärung des plötzlichen Todes Aragóns.

In den Charakteren der beiden Protagonisten, obwohl sie unterschiedlichen Generationen angehören (Aragón 65 Jahre, Pepe 40 Jahre), lassen sich einige Parallelen erkennen, so zum Beispiel in ihrer Alkoholsucht: "...él nunca ha escuchado a nadie que le haga la mínima insinuación en el sentido de que se abstenga de beber licor, eso es algo que lo irrita, sobre todo cuando se trata de mujeres, de sus mujeres,..." (Castellanos Moya 2003: 28) und ihrem Konsum von Frauen, die hauptsächlich von Pepe auf sehr sexistische Weise beschrieben und als Gebrauchsgegenstand wahrgenommen werden:

...una mocosita de catorce años que decía tener dieciocho, tal como había sido instruida como precaución ante las autoridades, y cuyo coño ya exhalaba sospechosos olores gracias a su precoz y seguramente involuntaria práctica del oficio, una moscosita de piel blanca y formas redondeadas a quien sólo pude penetrar en mi borrachera después de ponerme dos condones y apagar la luz...(194).


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1. Primera Parte

Erschöpft nach seiner Rückkehr aus San Salvador nach Mexiko Stadt am 3. Juni 1994 und zudem noch völlig mittellos, will Alberto Aragón versuchen, wieder zu seinem gewohnten (gehobenen) Lebensstil zurückzufinden. Er wird dort in einer kleinen heruntergekommenen Dachkammer von seiner Geliebten, der 40 Jahre jüngeren Infanta, mit der er die letzten drei Jahre verbrachte, empfangen und versorgt.

Er ist in das mexikanische Exil zurückgekehrt, da er seine Aufgabe als Berater eines mexikanischen Politikers verlor und kein Geld mehr von seinen Unterstützern bekam, das ihm zuvor seinen gehobenen Lebensstil erlaubte. Seine politischen Kontakte wurden nicht mehr gebraucht und so genannte Freunde zogen sich von ihm zurück. In Mexiko Stadt erhofft er sich nun einen Neubeginn. Völlig naiv in seiner Vorstellung und dem Alkohol ergeben, begreift er nicht, dass er von der Gesellschaft ausgestoßen ist, da sie ihn nicht mehr braucht und ihm somit auch jede Unterstützung verwehrt.

Nach dem Verlust seiner materiellen Güter und eines heftigen Streits mit der Infanta, die ihn allein zurücklässt, macht sich Aragón am nächsten Tag auf, um Kontakt zu seinen alten Freunden aufzunehmen und sie um Hilfe zu bitten, was jedoch erfolglos bleibt. Er bekommt nach und nach zu spüren, dass sein bisheriger Lebenswandel nur durch die Duldung und Förderung anderer möglich war. Nach diesem Fehlschlag begibt er sich auf die Suche nach einem Spirituosengeschäft, um seinen täglichen Bedarf an Alkohol zu decken, auch wenn dafür sein restliches Geld herhalten muss. Nun muss er sich etwas Neues für seine Situation überlegen.

Hier beschreibt Castellanos Moya die Orientierungslosigkeit, in der sich Aragón, in einer durch Armut gekennzeichneten, lauten, schnelllebigen Stadt, befindet. Er, der es niemals nötig hatte, auch nur einen Schritt selbst zu tun, der immer Hilfe von außen bekam, muss nun selbst zusehen, wie er sich zurechtfindet und verzweifelt schier an dieser Aufgabe. Allein ist er nicht überlebensfähig, er hat Angst, fühlt sich bedrängt und beobachtet. Seine Wahrnehmung der Realität wechselt sich immer wieder mit Erinnerungssequenzen ab, die bei ihm einen Verfolgungswahn auslösen.

Die Situation scheint zu eskalieren, als er in einer Bar darauf wartet, dass der Spirituosenladen öffnet, und er zwei Männer bemerkt, die er glaubt schon früher gesehen zu haben. Aufgrund der stärker werdenden Paranoia, ausgelöst durch Alkoholentzug, flüchtet er aus der Bar, hinein in die Menschenmassen. Nach kurzer Zeit bemerkt er, dass er tatsächlich verfolgt wird. Dann bricht er erschöpft zusammen. An einem ihm unbekannten Ort, der sich als die Wohnung der beiden Männer und einer Frau herausstellt, kommt er wieder zu sich. Nun klärt sich das Missverständnis auf: die beiden hatten Aragón nur verfolgt, weil dieser in der Bar sein Adressbuch vergessen hatte.

Nachdem sich herausstellt, das die drei Landsleute von ihm sind, die sich mit dem Handel von Drogen über Wasser halten (was er aber nicht weiß, sondern nur vermutet), fällt er wieder in einen Zustand der Erschöpfung und wird in einem Traum erneut mit seiner Vergangenheit konfrontiert. In diesem versucht er sich und seine Lebensentscheidungen zu rechtfertigen. Unter anderem kommt seine Exfrau Estela vor, die ihm Vorwürfe macht, dass er das Amt des Botschafters von Nicaragua annahm, obwohl er sich damit gegen die Prinzipien seines Sohnes Albertico stellte, der zusammen mit seiner Frau auf grausame Art und Weise getötet worden war, weil er sich einer kommunistischen Partei in El Salvador angeschlossen hatte:

Estela lo interrumpe, con desprecio: palabras, meras palabras para esconder su oportunismo, siempre jugó a quedar bien con los dos bandas, buscando prebendas hasta el último momento, oportunismo puro, de rata que salta del barco en el momento en que éste se hunde, por eso nadie le cree nada. (94)

Nach seinem Erwachen begeben sich die vier in eine Bar und treffen dort auf Ramiro Aguirre, einen ehemaligen Kriegsreporter, der auch bei der Zeitung El Independiente arbeitete.

In diesem Gespräch erfährt man mehr über die politische Vergangenheit Aragóns, der als Kontaktmann zwischen den politischen Gruppierungen agierte und sich so seinen Unterhalt sicherte. An diesem Punkt, an dem er von fremder Seite und völlig unerwartet Unterstützung bekommt, schöpft Aragón zum ersten Mal wieder etwas Hoffnung und fühlt sich nicht mehr völlig abhängig von der Infanta. Ihr will er beweisen, dass er noch kein Greis ist und sein Leben neu aufbauen kann. Jedoch bleibt er weiterhin abhängig von seinem Umfeld. Nur mit Hilfe der neuen Bekannten gelingt es ihm, den Weg zurück zu seiner Unterkunft und dem Spirituosenladen zu finden, wobei er in der Metro von der Menschenmasse um ihn herum aufrecht gehalten wird.

Hier gelingt es Castellanos Moya eine Atmosphäre zu kreieren, die gekennzeichnet ist von Unsicherheit und Angstgefühlen. Dies gelingt durch die Beschreibung der Massen, der Bewegung überall um ihn herum und einem damit verbundenen Schwindelgefühl, das den Leser fast wie den Protagonisten selbst einnimmt. Die kurz aufkeimende Hoffnung Aragóns findet darin keinen Platz.

In der Dachkammer erwartet er seine schon besorgte Infanta anzutreffen, die sich Selbstvorwürfe macht, dass sie ihn allein gelassen hat. Doch „no está la Infanta, ni las cajas, ni sus maletas, ni la hielera; sólo la cama desnuda, el vaso de latón rojo y el candado desvencijado en el suelo.“(125)

So endet der erste Teil mit einem Gefühl der Einsamkeit.


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2. Segunda Parte

Im zweiten Teil wechselt die Erzählperspektive. Die LeserInnen verfolgen die Ermittlung jetzt aus der Ich-Perspektive José Pindongas (homodiegetischer Erzähler). Dieser, von seinen Freunden Pepe genannt, hält sich nach den Wirren des Krieges in San Salvador auf und versucht dort als Privatdetektiv Fuß zu fassen, was ihm nicht leicht fällt. Soeben wurde er von seiner Geliebten und Sekretärin Rita Mena verlassen, da diese in Madrid ihr Studium weiterführen möchte. Pepe, der mit dieser Abweisung durch eine Frau nicht zurechtkommt, macht ihr die schlimmsten Vorwürfe und nimmt anschließend so viele Drogen und Alkohol zu sich, dass er im Krankenhaus landet.

Kurz darauf bekommt er von einem der ältesten Freunde Aragóns, dem wohlhabenden Henry Highmont, den Auftrag, alles über dessen Tod in Mexiko Stadt herauszufinden. Dieser Auftrag bewahrt Pepe vor einem weiteren Absturz und lässt ihn einen Monat Alkoholabstinenz schwören, die ihm im weiteren Verlauf oftmals schwer zu schaffen macht. So wie Pindonga in diesem Moment des Romans, sind viele der von Castellanos Moya kreierten Charaktere in ihrem Verhalten schwach und von Erfahrungen (Krieg, Exil etc.), die sie nicht aufzuarbeiten schaffen, geprägt. Sie sind marginalisierte Persönlichkeiten, die keine Möglichkeit finden, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Oft führt dies zu Wahnsinn [vgl. Insensatez, La diabla en el espejo und Baile con Serpientes]. Pepe kann dem entgehen, indem er Informationen häufig nicht weitergibt und teilweise für sich selbst nutzt. So gelingt es ihm zwar in einer korrumpierten Gesellschaft zu überleben, jedoch ist ihm nicht erlaubt frei zu agieren.

Nachdem Pepe den Auftrag angenommen und noch in San Salvador mehr über den Tod des Exbotschafters in Erfahrung gebracht hat, beginnt er sich zu fragen, wieso er mit dieser Aufgabe betraut wurde. Ihm erscheint dessen Tod zwar plötzlich, jedoch kann er nichts verdächtiges entdecken, was eine nähere Untersuchung rechtfertigen würde. Daraufhin setzt er sich mit einem alten Freund, dem Unterkommissar Lito Handal [vgl. Baile con Serpientes, El arma en el hombre, La Diabla en el espejo] in Verbindung, um mehr über Henry Highmont zu erfahren. Die für ihn interessantesten Informationen bekommt er allerdings von seinem Freund, dem Chino. Der erzählt ihm von Highmonts Tochter Margot und beschreibt diese dabei als derart attraktive Person, dass Pepe sich sogleich zum Ziel setzt, sie zu treffen und zu verführen, um sich so von seinem Liebeskummer zu lösen.

Vorbereitend auf seine Reise nach Mexiko Stadt trifft er sich mit der verwitweten Schwägerin Aragóns, Doña Esther Mira, und danach mit Doña Regina Rengifo, die ihm ihre Sichtweise über die verschwenderische Lebensweise Alberto Aragóns, seinen überhöhten Alkoholkonsum, seine vielen Frauen und Affären, seine politischen Handlungen und seine Verwahrlosung berichten. Zusätzlich erhält er einige Adressen von Personen, die mit Aragón in Kontakt standen.

Genau einen Monat nach Aragóns Ableben in Mexiko angekommen, muss Pindonga feststellen, dass nichts auf einen unnatürlichen Tod hinweist und auch ansonsten nichts ungewöhnlich scheint. Die Beerdigung ist nach Aragóns Wünschen verlaufen und er hat nichts hinterlassen. So glaubt Pepe ziemlich schnell, am Ende seiner Ermittlung angelangt zu sein und widmet sich nun der Verführung Margots. Mit ein wenig Glück und Geschick tritt er mit der „Princesa“ Margot in Kontakt, was ihr Vater Henry Highmont vermeiden wollte. Während der Zeit, die sie miteinander im Bett verbringen, was ihn tatsächlich Rita Mena kurzzeitig vergessen lässt, findet er heraus, dass Highmont nicht immer gut über seinen angeblich besten Freund spricht. Es steht etwas zwischen den beiden, was nicht aufgedeckt werden soll und für Henry ist offenbar ungewiss, ob Aragón das Geheimnis mit ins Grab genommen hat.

Während Pepe, dessen Ehrgeiz nun geweckt ist, alle Kontakte aufsucht, die ihm genannt wurden, trifft er sich auch mit alten Bekannten, wie z.B. Negro Félix, der wie er damals beim El Independiente arbeitet. Über diesen erfährt er, dass sein Freund Ramiro Aguirre nach jahrelang überhöhtem Alkoholkonsum ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Im weiteren Verlauf des Romans stirbt dieser und durch die Totenwache, bei der auch die Landsleute auftauchen, die Aragón geholfen hatten, kommt Pepe mit ihnen in Kontakt. Von der Infanta hatte er von drei merkwürdigen Gestalten erfahren, die bei Aragóns Tod erschienen waren und die er auf Grund ihrer Beschreibung wiedererkennt. So vervollständigt sich langsam sein Bild, ohne aber eine Rechtfertigung für den Auftrag Highmonts zu liefern.

Erst zum Ende des Romans, nachdem die „Princesa Margot Pepe zurückgewiesen hat und ihre Affäre für beendet erklärte, gelangt er zur Auflösung des Rätsels. Auf seinem Rückweg wird ihm bewusst, dass sich schon die Mutter „la Reina“ Margot, damals verführen ließ, und zwar von Alberto Aragón. Sie wurde von ihm schwanger und brachte ein uneheliches Kind zur Welt. Um diese Entdeckung und damit einhergehende Schande zu verhindern, will Highmont sichergehen, dass Aragón nichts hinterlassen hat. Er möchte sich endlich von seinen Schuldgefühlen lösen, die er ihm gegenüber empfindet, da er vor Eifersucht nicht seinen Einfluss geltend gemacht hat, um die Ermordung des Sohnes Aragons, Albertico, zu verhindern.


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3. Epilog

Der Roman schließt mit dem Bild eines nachdenklichen Highmont ab, der versucht es sich mit dem Bericht Pepes, der kein Geheimnis aufdecken wird, gemütlich zu machen.

Y un rato más tarde Inés se acercará a decirle que pronto estará lista la cena, frugal como siempre.” (270)

Den LeserInnen wird von Castellanos Moya durch diese melancholische Atmosphäre die Hoffnungslosigkeit jener Zeiten vor Augen geführt. Innerlich zerrissen schaffen es die Protagonisten doch nicht zum Ziel zu gelangen und lassen sich von den Zwängen der Gesellschaft determinieren.


4. Fazit

Horacio Castellanos Moya erzählt in Donde no estén ustedes eine Geschichte von Eifersucht und Intrigen in den Wirren der Kriegs- und Nachkriegszeit, deren Hauptakteure in der neuen Gesellschaft in Randpositionen geraten und nicht mehr von Nutzen sind. Auch wenn sie versuchen eine Position zu finden, wird ihnen keine Unterstützung gewährt. So können sie sich nur ihrem Schicksal, dem Alkohol, Sex und Drogen hingeben und dabei an glorreichere Zeiten zurückdenken.


Quellen

Castellanos Moya, Horacio (2003): Donde no estén ustedes. Barcelona.

Übersetzung: Gerhold Stefanie (2005): Aragóns Abgang. Zürich.

 

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Bücher

Donde no estén Ustedes

 

Cover: Donde no estén Ustedes

Horacio Castellanos Moya, fotografiert von Moramay Herrera Kuri (Mexiko)