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Als am 15. Oktober 1872 vom „Königlich Preußischen Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten“ die „Allgemeinen Bestimmungen betreffend das Volksschul-, Präparanden- und Seminarwesen“86 herausgegeben wurden, war dies der Beginn der staatlich institutionalisierten Mittelschule. Kultusminister war zu dieser Zeit Adalbert Falk87 (1827-1900), dem auch das Verdienst zukam, die ‚Stiehlschen Regulative’ aufgehoben zu haben.
Mit diesen „Allgemeinen Bestimmungen von 1872“88 des für das Schulwesen zuständigen Ministeriums in Preußen wurden alle die Schulen zu „Mittelschulen“ zusammengefasst, die bisher ihre Stellung zwischen den Elementarschulen und den Gymnasien hatten:
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„Unter dem Namen von Bürger-, Mittel-, Rector-, höheren Knaben- oder Stadt-Schulen sind bereits gegenwärtig eine beträchtliche Anzahl von Unterrichtsanstalten vorhanden, welche einerseits ihren Schülern eine höhere Bildung zu geben versuchen, als dies in der mehrklassigen Volksschule geschieht, andererseits aber auch die Bedürfnisse des gewerblichen Lebens und des s.g. Mittelstandes in größerem Umfang berücksichtigen, als dies in höheren Lehranstalten regelmäßig der Fall sein kann.
Es entspricht den Anforderungen der Gegenwart nicht nur, die bestehenden Anstalten dieser Art weiter zu entwickeln, sondern auch die Neuerrichtung derselben seitens der Gemeinden thunlichst zu fördern.
Wenn solche Schulen den nachfolgenden Anforderungen entsprechen, so sind dieselben als Mittelschulen anzusehen und zu bezeichnen. Die Schulen sollen neben den Volksschulen des Ortes bestehen und mindestens fünf aufsteigende Klassen mit einer Maximalzahl von je 50 Schülern haben.“89
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Eine Reihe von Forderungen an die neue Mittelschule machten ihre herausgehobene Stellung gegenüber der Volksschule deutlich: Dazu gehörte das Zugeständnis, den Lehrplan den „localen Verhältnissen“ anpassen zu können, so dass der Ackerbau, das Fabrikwesen, der Bergbau, der Handel oder die Schifffahrt eine besondere Berücksichtigung den lokalen Gegebenheiten entsprechende Bedeutung in den Lehrplänen erfahren konnte. Auch hatte die Mittelschule einen Spielraum bei der Entscheidung für eine Fremdsprache. Über die Ausstattung der Mittelschulen hieß es, dass die Inventarien den „höheren Lehrzwecken derselben entsprechen“ müssen, hier wurde gefordert, dass für den Unterricht in „Geographie und Naturkunde die erforderlichen Lehrmittel zu beschaffen sind“, und es war für eine „Bibliothek Sorge zu tragen, welche die größeren wissenschaftlichen Werke enthält, deren Benutzung für die Lehrer nothwendig ist.“90 Damit wurden der Mittelschule breite Differenzierungsmöglichkeiten zugewiesen, die später – bereits ab 1910 – in unterschiedlichen Plänen festgeschrieben wurde.
Bezüglich der Lehrer heißt es, dass der Unterricht nur von Lehrern erteilt werden sollte, die die Befähigung für den Unterricht in dieser Schulform besaßen.91
Der Hinweis auf die geforderten fünf aufsteigenden Klassen wirkt zunächst befremdend, aber die Mittelschule begann, ebenso wie die Schulen der anderen Schulformen, in der Regel nicht mit dem ersten Schuljahr. Vielmehr hatten die Gymnasien und auch die mittleren Schulen sogenannte „Vorschulen“, in denen für eine unterschiedliche Zahl von Schuljahren – in der Regel 2 bis 4 – auf die angeschlossene Schule vorbereitet wurde. So bedeuteten fünf aufsteigende Klassen etwa eine Gesamtschulzeit von sieben bis neun Jahren.
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An zwei Beispielen soll die unterschiedliche Strukturierung der Schularten, die bis zu diesem Zeitpunkt das mittlere Schulwesen darstellten, verdeutlicht werden:
Der erste Ansatz zur Normierung des mittleren Bildungswesens im Jahre 1872 hatte zwei entscheidende Nachteile:
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Als ein gravierender Nachteil für die weitere Entwicklung der Mittelschule musste zweifellos auch gesehen werden, dass es keine reichsgesetzliche Gesamtkonzeption für diese Schulform gab, sondern nur einzelstaatliche Regelungen. Die „Allgemeinen Bestimmungen“ waren letztlich eine nur auf Preußen bezogene Grundlage für das mittlere Schulwesen. Die übrigen deutschen Länder konnten unabhängig darüber entscheiden, ob sie dem Vorbild Preußens folgen wollten. Vor allem die süddeutschen Länder zogen Sonderregelungen für die Entwicklung ihres Schulwesens vor oder verzichteten auf jede Ausformung eines mittleren Schulwesens.
Eine deutliche Trennung der Mittelschulen von den Volksschulen wurde durch das „Pensionsgesetz der Lehrer und Lehrerinnen an öffentlichen Volksschulen“ von 188594vollzogen. In den Ausführungsbestimmungen zu diesem Gesetz wurde zunächst die Volksschule definiert: „Öffentliche Volksschulen im Sinne des Gesetzes vom 6. Juni 1885 sind diejenigen Schulen, zu deren Benutzung einerseits für Eltern oder deren Vertreter, die nicht anderweitig dafür gesorgt haben, daß die Kinder den für öffentliche Volksschulen vorgeschriebenen Unterricht erhalten, ein gesetzlicher Zwang besteht, und zu deren Errichtung und Unterhaltung andererseits für Schulgemeinden eine allgemeine gesetzliche Verpflichtung besteht.“95 Für die Mittelschule wurde definiert: „Dagegen sind diejenigen neben den wirklichen Volksschulen eines Ortes bestehenden öffentlichen Schulen, welche, obwohl nicht zu den eigentlichen höheren oder Gelehrtenschulen gehörend, doch ihrer gesamten Organisation oder ihrem ganzen Endzwecke nach ihren Zöglingen eine über die Aufgabe und das Ziel der obligatorischen Volksschule hinausgehende höhere Bildung zu geben erstreben, als öffentliche Volksschule nicht anzusehen.“96 Damit kann das Gesetz aus dem Jahre 1885 als der Ursprung des offiziell festgeschriebenen dreigliedrigen Schulsystems angesehen werden, denn eindeutig wurde hier unterschieden zwischen den Volksschulen und den öffentlichen mittleren Schulen, die über den Volksschulunterricht hinausführten, aber keine höheren Schulen waren und den eigentlichen höheren Schulen.
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Mit einem Gesetz vom 11. Juni 189497 wurde eine Regelung für das Ruhegehalt der Lehrer an mittleren Schulen getroffen. In diesem Gesetz wurden zwar die Missstände für den Bereich des Pensions- Versorgungswesens für die Hinterbliebenen der Lehrer an mittleren Schulen dadurch behoben, dass eine Angleichung der mittleren Schulen an das Staatsbeamtenrecht erfolgte, allerdings mussten die hierfür erforderlichen Mittel von den Kommunen aufgebracht werden. In den Ausführungsbestimmungen zu diesem Gesetz fand sich eine weitere Bestätigung für das inzwischen dreigliederige Schulsystem: „Mittlere Schulen sind diejenigen Unterrichtsanstalten, welche allgemeinen Bildungszwecken dienen, und welche weder zu den höheren Schulen noch zu den öffentlichen Volksschulen, noch zu den Fach- und Fortbildungsschulen gehören.“98 Hier lag auch eine weitere Gelenkstelle für die Beurteilung der Mittelschule durch die Regierung. Es wurde bestätigt, dass der Status der Mittelschule über dem der Volksschule lag, es wurde aber wiederum nachdrücklich ihre Nichtzugehörigkeit zum höheren Schulwesen betont.
Wie sich noch genauer zeigen wird, bedeutete vor allem die Verweigerung der Berechtigung für die Mittelschule in den folgenden Jahren eine rigide Beschränkung in ihren Entfaltungsmöglichkeiten, vor allem da die Bedeutung der Berechtigung für den zivilen Bereich ständig zunahm. Diese Entscheidung drückt eine Beschränkung der Umsetzungsmöglichkeiten der an der Mittelschule erworbenen Bildung aus. Dies bedeutete eine erhebliche Abwertung des an der Mittelschule erworbenen Abschlusses und bestätigt die Theorie von der Mittelschule als einer bildungsbeschränkenden Institution zwischen unterem und gehobenerem Mittelstand. Dass diese Auffassung durchaus auch von den Lehrern an Mittelschulen geteilt wurde, ergibt sich aus einer „Petition“99 dieser Lehrerschaft an die Staatsregierung aus dem Jahre 1896. Dort hieß es, „daß die Bildungsbedürfnisse des niederen Teiles des Mittelstandes durch gut organisierte, 6- bis 8-stufige Volksschulen vollständig befriedigt würden, während der gehobene Teil des Mittelstandes hinlänglich Gelegenheit fände, seine weiteren Bedürfnisse in Realschulen und Realgymnasien zu befriedigen.“100 Es wurde also hier unterschieden zwischen dem niederen und dem gehobenen Teil des Mittelstandes, denen auch jeweils entsprechende Schulformen zugeordnet werden sollten. Bestätigend hieß es noch einmal, dass auch das Hineindrängen des niederen Mittelstandes in die Realschulen wegen der dort geforderten zweiten Fremdsprache nicht unbedenklich sei, da diese Anforderungen über die Möglichkeiten des „Kerns des Mittelstandes“101 hinausgehen; vor allem seien auch die „pekuniären Ansprüche an Schulgeld, Bücherkosten etc. für die Mehrheit des mittleren Bürgerstandes“102 zu hoch.
Die Kommunen, die sich aus finanziellen Gründen zwischen Errichtung bzw. Erhaltung von Mittelschule oder Realschule entscheiden mussten, verzichteten auf Druck der Eltern in der Regel auf die Mittelschule. Diese wurde dann in eine Volksschule zurückgestuft. Bezogen auf das Anspruchsniveau und die Schuldauer reduzierte sich diese Entscheidung lediglich auf die Frage, ob eine Schulform mit Lateinunterricht im Angebot oder eine solche ohne dieses Angebot bevorzugt wurde. Wegen der Erteilung einer Berechtigung, sicherlich aber auch aus Prestigegründen, musste die Entscheidung häufiger gegen die Mittelschule fallen. War bisher in der Gemeinde eine gut ausgestattete Mittelschulen bereits vorhanden, konnte diese in eine Realschule, das heißt eine höhere Schule umgewandelt werden, die dann das Privileg für die Erteilung der Einjährigenberechtigung erlangte.
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Ein eindrucksvolles Beispiel, das diesen Sachverhalt deutlich macht, lässt sich für die Mittelschule in Königsberg aufzeigen. Bereits 1871 hatte diese Schule vergeblich die Genehmigung zur Erteilung der Berechtigung beantragt. Nach einem weiteren Antrag aus dem Jahre 1878 forderte die Schule, Kommissionsprüfungen abhalten zu dürfen, „in der die von der Schule vorgeschlagenen Schüler nachweisen sollten, daß sie die zur Berechtigung für den einjährig-freiwilligen Militärdienst geforderten Kenntnisse erworben haben.“103 Nach längeren Verhandlungen „mußte die Schule noch vier Literaten einstellen, und die Schule mit Zeichensaal und mehr Lehrmitteln ausstatten und schon 1880 fand die erste Abgangsprüfung statt.“104 Entscheidend für das Schicksal dieser Mittelschule aber war der Satz: „Die Schule schied aus der Reihe der Mittelschulen aus und wurde als Realschule dem Provinzial-Schulkollegium unterstellt.“105 Allerdings kann eine derartige Entwicklung nicht als die Regel bezeichnet werden. Vor allem dann, wenn dem Schulträger die finanziellen Mittel für einen geforderten Ausbau der Mittelschule fehlten, erfolgte häufig die Ablehnung der Umwandlung in eine höhere Schule seitens der Unterrichtsverwaltung.
Ein ganz wesentliches Kriterium, das die Auseinandersetzung zwischen Volks- und Mittelschule prägte, war die Erteilung von fremdsprachlichem Unterricht: In den Protokollen106 aus den Vorbesprechungen vor der Herausgabe der „Allgemeinen Bestimmungen“ wurden hierzu unterschiedliche Auffassungen deutlich: „Nach der einen Auffassung soll in der Mittelschule überhaupt kein Unterricht in einer fremden lebenden Sprache ertheilt werden, da stattdessen eine Vertiefung in den übrigen Unterrichtsgegenständen vorzuziehen sei. Die Kenntniß der französischen oder englischen Sprache sei nur in einigen Gegenden von Nutzen, in den westlichen Theilen Westphalens, in Hannover und Ostpreußen bestände eher ein Bedürfnis Holländisch, Polnisch oder Russisch zu erlernen. [...] Nach einer dritten Ansicht endlich ist es nothwendig, den Unterricht in einer fremden lebenden Sprache obligatorisch vorzuschreiben. Sonst sei kein Unterschied zwischen einer guten Volksschule und einer Mittelschule vorhanden.“107 Bei diesen Auseinandersetzungen wird deutlich, wie wenig es dem Gesetzgeber hier bereits möglich war, der Mittelschule ein einheitliches, für alle Mittelschulen verbindliches Profil für den fremdsprachlichen Unterricht zu geben. Es wird aber auch deutlich, wie vordergründig die Entscheidungen für die Einführung einer bestimmten Fremdsprache letztlich blieben.
Eine weitere Aussage macht nachdrücklich die Schwierigkeiten der Mittelschule deutlich, sich neben der Volksschule und dem Gymnasium zu behaupten: „In Laienkreisen, also in dem eigentlich interessierten Publikum der Mittelstädte, verhinderte man auf Einfluß und Betrieb derjenigen Bürger, die ihre Kinder später auf eine höhere Schule geschickt haben würden, das Aufkommen von Mittelschulen, indem man unter Anspannung aller finanziellen Kräfte statt Mittelschulen gleich höhere Bürgerschulen gründete, aus denen sich hinterher lebensunfähige und darum kränkelnde Realprogymnasien oder ähnliche Institutionen bildeten.“108 Die Aussage macht deutlich, welche Vorbehalte – geprägt durch Eigeninteressen – das Verhältnis der drei Schulformen zueinander belasteten: Umhöfer schrieb treffend: „In Lehrerkreisen fand die Mittelschule beinahe gar keinen Anklang, bei den Lehrern höherer Schulen deshalb nicht, weil man mit Recht fürchtete, sie könnte den oft wenig lebensfähigen höheren Schulen durch Entziehung von Schülermaterial die Lebensader ganz unterbinden, bei den Lehrern der Volksschulen nicht, weil man hier besorgte, das bessere Schülermaterial loszuwerden.“109 Auf einer solchen Basis konnte sich kein gedeihliches Nebeneinander der drei Schulformen entwickeln. Die Formulierung, dass die Mittelschule als Schulform ihren Platz „zwischen“ Volksschule und Gymnasium suchen und behaupten musste, findet hier ihre Erklärung. Eine an einer gemeinsamen Aufgabe orientierte Arbeit zwischen den drei Schulformen ist auch in der Folgezeit nicht entstanden.
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Eine erste direkte Forderung nach einer Schulform, die in ihrer Entwicklung zu der durch die im Jahre 1872 institutionalisierten Mittelschule führte, lässt sich durch die Schrift „Der Mittelstand und die Mittelschule“ von Friedrich Wilhelm Dörpfeld (1824-1893) aus dem Jahre 1853 nachweisen.110
Dörpfeld ging bei seinen Forderungen von der Voraussetzung aus, dass sich die Bürger einer Stadt drei Ständen zuordnen ließen: den ersten Stand bildeten danach die Fabrikanten, Kaufleute und höheren Beamten, den zweiten Stand die kleinen Fabrikanten, die Krämer und Handwerker und zum dritten Stand zählte Dörpfeld die „unselbständigen Leute“, arme Handwerker, Fabrikarbeiter und Gesellen in Lohndiensten. Da diese drei Stände hinsichtlich der Bildung und Erziehung unterschiedliche Bedürfnisse hatten, müssten nach Dörpfeld für diese Stände entsprechende öffentliche Schulen bereitgestellt werden. Hier nun sah Dörpfeld das Defizit: die künftigen Juristen, Theologen, Ärzte usw. besuchten das Gymnasium, „die Kaufleute, Fabrikanten, Baumeister und verschiedene Beamte halten sich zur Realschule. Wohin wenden sich nun die übrigen: der kleine Geschäftsmann, der Handwerker – und endlich der Fabrikarbeiter, der Tagelöhner?“111 Die Kinder dieser Gruppen blieben in der Elementarschule und bildeten dort die obere Klasse. Diese Schule war nach Dörpfeld gleichzeitig die Unterrichtsanstalt für zwei Stände. Damit wurde aber von Dörpfeld eine deutliche Trennungslinie bei dem oben definierten Mittelstand und den ihnen zugeordneten Schulformen gezogen: Die Realschule war „für solche Knaben bestimmt, welche die Mittel und die Fähigkeiten haben, sich für den großen Handels- und Fabrikantenstand auszubilden.“112 Dörpfeld sagte aber auch, dass sie „wenig dienlich sein kann für den Handwerker und den größten Theil des übrigen Mittelstandes.“113 Dörpfeld forderte, dass die Schüler, die bisher gemeinsam die Oberklasse der Elementarschule gebildet hatten, vom 10. Lebensjahr an getrennt werden und “jeder Theil für sich eine besondere Schulklasse bilden. Die eine Oberklasse, die nur den gesetzlich nothwendigen Unterricht ertheilt und die Schüler von 10 - 13 Jahren hat, heiße Unterschule; die andere, welche die Kinder des Mittelstandes und zwar vom 10. bis 15. Lebensjahr enthält, heiße Mittelschule.“114Damit zweigte sich eine Mittelschule nach Dörpfeld als Schulform für den Mittelstand von der Elementarschule ab, sie sollte als Bestandteil des niederen Schulwesens neben der Realschule eingerichtet werden. Als Hauptaufgabe dieser Schule wurde die Stärkung des Mittelstandes, vor allem des Handwerks gesehen, „um dieses kostbare Glied der Bürgerschaft wieder zu kräftigen, zu beleben und zu Ehren zu bringen, müssen wir die Mittelschule in die erste Reihe stellen.“115 Eindeutig zielte Dörpfeld damit auf eine differenzierte Betrachtung des Mittelstandes ab, den bürgerlichen Mittelstand, dem er die Realschule als gemäße Schulform zuordnete, und den gewerblichen Mittelstand, für den die Mittelschule eingerichtet werden sollte.
Auch in der o.g. Denkschrift über die Einrichtung einer Mittelschule des Berliner Stadtschulrates Hofmann aus dem Jahre 1869116 war die Zuordnung der Mittelschule zu der Klientel vorgesehen, wie sie von Dörpfeld geplant war: Dies waren die Kinder des mittleren Bürgerstandes, aber mit der wesentlichen Einschränkung, dass dem „niederen Gewerbestand“117 eine entsprechende Bildung vermittelt wurde. In den Beratungen über die Institutionalisierung der Mittelschule im Juni 1872 – an denen auch Dörpfeld teilnahm118 – wurde erneut die Forderung erhoben, dass diese Schule die „Bildungsbedürfnisse des mittleren Bürgerstandes zu befriedigen hat“119. Es wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass „die Commission bei dem „mittleren Bürgerstand" namentlich an den Handwerkerstand gedacht hatte.“120
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Die „Bestimmungen von 1872“, mit denen die Mittelschule institutionalisiert wurde, bezogen sich wieder auf diese Klientel. Denn es wurde formuliert, dass die zu Mittelschulen zusammenzufassenden Schulen einerseits eine höhere Bildung vermitteln sollten als dies in der mehrklassigen Volksschule geschehen konnte, andererseits die Bedürfnisse des gewerblichen Lebens und des „sogenannten Mittelstandes“ berücksichtigen sollten. Diese Aussage muss so interpretiert werden, dass die Mittelschule dem „gewerbliche Mittelstand“ und weniger dem „bürgerliche Mittelstand“ zugeordnet wurde, so wie es Dörpfeld bereits gefordert hatte.
Die Schrift „Drei Schulkategorien“ von L. Schwensfeier aus dem Jahre 1892121 bezog sich noch einmal auf die Konferenz zur Vorbereitung der Regelung des preußischen Mittelschulwesens. Sie machte Aussagen über die seinerzeit beabsichtigten Aufgaben der Mittelschule: sie soll „dazu dienen, den mittleren Bürgerstand, der im Schwinden ist, zu kräftigen und ihm die nöthige Bildung zu geben“122. In diesem Zusammenhang wurde von Schwensfeier der Mittelstand – ähnlich wie bei Dörpfeld – definiert: Den Mittelstand bilden die selbständigen Handwerker, die Künstler niederen Ranges, die Kaufleute mit der Einschränkung auf die Krämer, die Haus- und Landbesitzer und subalterne Beamte. Interessant war der Hinweis, dass die Vertreter des Mittelstandes in der Gemeinde und im Staate „nicht zu den Unmündigen gehören“, sondern alle Bürgerrechte ausüben durften, so dass sich von daher schon der Anspruch nach einer Bildung ableitete, die höher sein musste als sie die „bestorganisierte Volksschule“ gewähren konnte. Verbunden damit war die Forderung, dass jedem Stande die ihm angemessene Bildung gewährt werden musste. Es wurde ausdrücklich als ein politischer Fehler herausgestellt, wenn versucht würde, den Bildungsgrad eines Standes auf das Niveau des niederen Standes herabzudrücken oder auch „den Unterschied der Stände durch Überbildung des Einen verwischen zu wollen.“123
Eine ähnliche Auffassung wurde von Vogel in seiner „Mittelschul-Pädagogik“124 aus dem Jahre 1893 vertreten: die wesentliche Aufgabe der Schule war es, die „allgemeine ethische und intellektuelle Grundlage der Stände zu vermitteln, für die die Schüler ausgebildet werden sollen und dazu muß die Schule in ihrer Gliederung den verschiedenen Ständen entsprechen.“125 Daraus ergibt sich, dass die Mittelschule ihre Aufgabe nur dann erfüllen konnte, wenn sie in ihrer Zielsetzung den Bildungsbedürfnissen des Mittelstandes gerecht wurde. Umgekehrt kann daraus der Schluss gezogen werde, dass die Mittelschule als „eine eigenartige, nur für den Mittelstand geeignete Bildungsanstalt“126 gedacht war.
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Eine ungewöhnliche Bezeichnung des Begriffs „Mittelstand“ liegt aus dem Jahre 1890 von H. Umhöfer vor. Es handelt sich um die erste Veröffentlichung zu dieser Frage in der Verbandszeitschrift unter dem Titel: „Zur Mittelschulfrage“127: Das Bildungsziel der Mittelschule war demnach die zweckmäßige Schulbildung des „staatsbürgerlichen Mittelstandes.“128 Dies meinte aber ähnlich wie in den vorhergehenden Definitionen „den selbständig dastehenden Handwerker, den Ackerbürger, den kleingewerblichen Kaufmann, den zwischen Klein-Häusler und Großgrundbesitzer stehenden Landwirt und die in der Subalternkarriere stehenden Beamten.“129 Der Bezug auf diese Berufsgruppen und damit die Bestätigung der Funktion der Mittelschule als einer Standesschule ergab sich auch aus der Formulierung, dass die Kinder aus diesen Kreisen eine Bildung besitzen mussten, wie sie nur die Mittelschule gewähren konnte. Darüber hinaus wurde die an den Schulen des mittleren Schulwesens vermittelte Bildung für den „mittleren Bürgerstand“ als wesentlich nützlicher dargestellt als die Bildung, die „der bürgerliche Mittelstand“ in den unteren Klassen der höheren Schule erhielt. Die Frage muss offen bleiben, ob der Verfasser hier bewusst einen Unterschied zwischen den beiden so bezeichneten Ständen – dem mittleren Bürgerstand und dem bürgerlichen Mittelstand – sah. Eine bisher mehrfach nachzuweisende Tendenz der differenzierenden Betrachtung des Mittelstandes findet allerdings hier ihre Bestätigung.
Die Funktion der Mittelschule als Standesschule wurde in den Anfangsjahren der Mittelschule vor allem in der Verbandszeitschrift immer wieder deutlich herausgestellt: „Die Mittelschulen stehen zwischen den Volksschulen und den höheren Schulen, bilden das Mittelglied; es sind Anstalten für den Mittelstand.“130 Nachdrücklich bestätigt wurde diese Auffassung: „Die Mittelschule erstrebt, dem weitergehenden Bildungsbedürfnisse des Mittelstandes entsprechend, ein Maß der Bildung, welches nach Umfang und Tiefe nicht unbedeutend über die Ziele der Volksschule hinausreicht. Demnach wurde die Organisation der Mittelschule bestimmt durch das im bürgerlichen Mittelstande vorhandene Unterrichtsbedürfnis.“131 Als eine nicht unbedeutende Erweiterung der zum Mittelstand zu zählenden Berufsgruppen waren hier erstmalig die Subalternbeamten in den „größeren industriellen Unternehmungen“132 aufgeführt. Das mag seinen Grund darin haben, dass die Mittelschule diese zahlenmäßig nicht unerhebliche Berufsgruppe, zu der auch die Subalternbeamten in den Staats- und Kommunalverwaltungen gezählt wurden, veranlassen wollte, sie als „ihre Schule“ anzunehmen. Andererseits muss konzediert werden, dass für diese Gruppe die an der Mittelschule vermittelte Bildung – nicht zuletzt wegen der auf diese Gruppe ausgerichteten Unterrichtsinhalte – als durchaus angemessen anzusehen war.
Bei der in dieser Form vorgenommenen Analyse kann nicht geklärt werden, ob die angeführten Intentionen tatsächlich vom Mittelstand ausgingen, oder ob nicht vielmehr hier von den Vertretern der Mittelschule eine Klientel angesprochen wurde, die die Mittelschule als ihre Schülerschaft definieren wollte. So liegt die These nahe, die Mittelschule eher als die Schulform anzusehen, die sich um den Mittelstand bemühte, als dass der Mittelstand die Mittelschule als seine Schulform ansah.
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Den wirklichen Gegebenheiten eher entsprach daher die Aussage von Bunse, dass die Mittelschule den Kindern des mittleren Bürgerstandes eine den erhöhten Anforderungen des praktischen Lebens angemessene Bildung geben wollte und „diesen Stand dadurch bewahren will, seine Kinder über seine Verhältnisse hinaus zu erziehen.“133 Auch der an dieser Stelle erfolgte Hinweis darauf, dass es das Ziel der Mittelschule sei, die Kinder des Mittelstandes zu „bewahren vor einer Halbbildung, wie sie durch den Besuch nur der Unterklassen höherer Lehranstalten notwendigerweise entstehen muß,“134 war lediglich als eine Aufforderung an den Mittelstand zu verstehen, für die Ausbildung ihrer Kinder die Mittelschule zu bevorzugen und die Mittelschule als die Schule ihres Standes zu akzeptieren.
Die wirtschaftliche Situation stellte sich in diesen Jahren für den Mittelstand als besonders günstig dar. Der wirtschaftliche Aufschwung hatte bereits im Jahre 1871 eingesetzt, mitbedingt durch die im Rahmen der Reformgesetzgebung proklamierte Gewerbefreiheit. Dies brachte bereits eine starke Entwicklung des preußischen Gewerbewesens; die Gründung des Deutschen Reiches 1871 mit der gesetzlich festgelegten Freizügigkeit der Bürger und der Ausdehnung der Gewerbefreiheit auf alle deutschen Bundesstaaten verstärkte aber noch den wirtschaftlichen Aufschwung. Als ein weiterer positiver Faktor für diese Entwicklungen können die kolonialen Bestrebungen mit ihren internationalen Ausdehnungen gelten.
In dem Beitrag „Wie sind neunstufige Mittelschulen nach den Forderungen unserer Zeit einzurichten?“135 wurde von dem Verfasser Stephan, kritisiert, dass der Mittelstand sich nicht in angemessener Weise an diesen Entwicklungen beteiligt habe. Stephan führte dies darauf zurück, dass es dem Mittelstand an der notwendigen Allgemeinbildung fehle. „Das Großkapital und die Fabrikindustrie mit ihrer Massenproduktion drängten ihn in den Hintergrund und erniedrigten einen großen Teil ihrer Mitglieder zu Fabrikarbeitern.“136 Zwar habe der Staat versucht durch die Einrichtung von Mittelschulen zu helfen, aber die Hilfe kam nach Auffassung von Stephan zu spät. „Wenn hier nicht Wandel geschaffen wird, so werden die Reihen der Sozialdemokraten noch weitere Verstärkung erfahren.“137 Mit aller Deutlichkeit wurde hier der Anspruch der Mittelschule als Standesschule begründet, vor allem der Hinweis, dass der Übergang zu einer Beschäftigung in der Fabrik eine persönliche Erniedrigung darstellte. Die in der Mittelschule vermittelte Bildung sollte die Möglichkeit der Abkehr von diesen Schichten schaffen, die nach Auffassung von Stephan dann auch gleichzeitig eine Abkehr von der diese Schicht repräsentierenden politischen Partei, der Sozialdemokratie, notwendig machte. Damit wurde die Mittelschule als ein begrenzter Aufstiegskanal gesehen für jene, die sich durch die Fabrikarbeit bedroht sahen und dieser Entwicklung entgegenwirken wollten.
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Die „Preußische Statistik von 1906“ hat die ständische Zuordnung aufgegriffen und stellte im Zusammenhang mit dem mittleren Schulwesen fest: „Es zeigt sich deutlich das Bemühen, die den Unterrichtsbedürfnissen des mittleren Bürgerstandes unentbehrlichen Anstalten immer nutzbringender auszugestalten.“138
Der Darstellung des Berechtigungswesens wird im Folgenden ein besonderer Raum gewährt. Es kann deutlich gemacht werden, wie stark das Berechtigungswesen die Entwicklung der Mittelschule geprägt hat.
Die Entstehung des Berechtigungswesens muss in einem engen Zusammenhang mit der Entwicklung der militärischen Wehrpflicht gesehen werden. Als Beginn dieser Wehrpflicht kann in Preußen das Jahr 1814 gesehen werden, als das Gesetz „Über die Verpflichtung zum Kriegsdienst“139 Gültigkeit erhielt. Der 1. Paragraph lautet: „Jeder Eingeborene, sobald er das zwanzigste Lebensjahr vollendet hat, ist zur Verteidigung des Vaterlandes verpflichtet.“140 Entscheidend ist §7: „Junge Leute aus den gebildeten Ständen, die sich selbst kleiden und bewaffnen können, sollen die Erlaubnis bekommen, sich in die Jäger- und Schützenkorps aufnehmen zu lassen. Nach einer ein-jährigen Dienstzeit können sie zur Fortsetzung ihres Berufes auf ihr Verlangen beurlaubt werden.“141 Die Voraussetzung der eigenen Bekleidung und Bewaffnung – später auch der eigenen Versorgung und Unterbringung – war dauernder Bestandteil dieser Regelung. Die Einschränkung auf die Herkunft des Bewerbers aus den „gebildeten Ständen“ sind auch ein eindrucksvoller Beleg dafür, dass es sich um eine „ständische Regelung“ handelte, mit der von vornherein eine Abgrenzung gegen „nicht standesgemäße“ junge Menschen beabsichtigt war.
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In einer Instruktion aus dem Jahre 1816142 wurde die Begründung und das Maß der Bildung als Voraussetzung für den einjährigen Militärdienst festgelegt. Danach sollte mit der Verkürzung der Wehrpflicht erreicht werden, „jungen Leuten aus den gebildeten Ständen, die sich den Wissenschaften und einer höheren Ausbildung widmen, eine zweckmäßige Vereinigung ihres weiteren Studiums mit ihrer zu lösenden Verpflichtung zum aktiven Militärdienst möglich zu machen.“143 Als Grad der Bildung, die bei dem Bewerber vorauszusetzen war, wurde eine wissenschaftliche Vorbereitung verstanden, die ihn zum Eintritt in die höheren Klassen des Gymnasiums berechtigte. Es muss angenommen werden, dass mit den „höheren Klassen“ hier wahrscheinlich die drei letzten Schuljahre gemeint waren. Wahrscheinlich bedingt durch die Vorstellung, dass die jungen Leute aus den gebildeten Ständen keine andere Schule als das Gymnasium besuchten, wurde nur dieser Schulform die Vermittlung der für den verkürzten Militärdienst vorausgesetzten Bildung zugestanden; dadurch aber, dass der Unterricht in der lateinischen Sprache an diesen Schulen Pflichtbestandteil war, entstand die Verknüpfung von „Berechtigung“ und „Lateinkenntnissen“.
Alle immer wieder aufgerichteten Zugangsschranken konnten die Anziehungskraft der Berechtigung auf die jungen Menschen nicht verringern. Es war für den Bewerber mit einem hohen Sozialprestige verbunden, wenn er als „Einjährig-Freiwilliger“ gedient hatte. Auch im anschließenden Zivilleben hatte er Vorteile: Der Einjährig-Freiwillige wurde am Ende seiner Dienstzeit als Unteroffizier entlassen, errang aber in der Regel durch spätere regelmäßig zu absolvierende militärische Reserveübungen den Rang eines Reserveoffiziers. Dieser Status eines Reserveoffiziers war das eigentliche Ziel des Bewerbers um die Berechtigung des einjährig-freiwilligen Dienstes, denn dieser Titel verschaffte ihm erhebliche zusätzlich Berufs- und Sozialchancen: Mit dem „Einjährigen“ erhielt er vor allem auch die Berechtigung zum Eintritt in die mittlere Beamtenlaufbahn in den Verwaltungen sowie zum Besuch bestimmter Fachschulen, wie z.B. der höheren Maschinenbauschulen, von Kunsthochschulen oder landwirtschaftlicher Hochschulen.144
Seine politische Ausrichtung veränderte das Berechtigungswesen verstärkt in der Zeit, als die im Zusammenhang mit der Industrialisierung auftretende Arbeiterschaft zunehmend Ansprüche auf Zugang zu den durch Bildung geprägte Bereiche stellte. Nach der Übertragung des Berechtigungswesens auf den nichtmilitärischen Bereich galten die entsprechenden Maßnahmen als „Anforderungen an die Vorbildung“, die wie Berechtigungen gehandhabt wurden und zur Wahrung von Standesinteressen eingesetzt wurden.
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Da die Berechtigungen immer an entsprechende Abschlüsse der höheren allgemeinbildenden Schulen geknüpft waren, hatten berufliche Qualifikationen eine vergleichsweise geringere Bedeutung. Auch damit wurde der soziale Aufstieg aus der Arbeiterschaft verhindert, denn auch der Zugang zu den durch die industrielle Entwicklung entstehenden Aufstiegsmöglichkeiten war an Berechtigungen geknüpft, die zunächst im allgemeinbildenden Schulwesen erworben werden mussten und mit denen dann erst auf dem Weg über Fachschulen eine berufliche Höherqualifizierung möglich wurde.
Im Jahre 1890 fand in Berlin eine erste überregionale Versammlung der an Mittelschulen tätigen Lehrer statt. Auf dieser Versammlung wurden auch erstmalig Forderungen artikuliert, dass die Mittelschule das Recht zur Erteilung der „Berechtigung“ erhalten sollte. Es war viel Verbitterung spürbar wenn z.B. H. Umhöfer145sagte: „Und zu alledem trat noch die leidige Berechtigungserteilung hinzu, ohne welche die Mittelschule schon als totgeborenes Kind in die Welt gesetzt worden war. Wie viel Geld hätte erspart werden können, [...] wenn die hohen Taufzeugen der Falk’schen Mittelschule ihrem Schützling als Patengeschenk die Berechtigungserteilung zum einjährig-freiwilligen Militärdienst mit auf den Weg gegeben hätten, ja wie viele brauchbare Mitglieder wären dann dem staatsbürgerlichen Mittelstande erhalten geblieben.“146
Während der Vorberatungen im Jahre 1872 über die Institutionalisierung der Mittelschule hatte die vom preußischen Unterrichtsministerium eingesetzte Kommission unter Leitung von Kultusminister Falk auch über die Möglichkeit beraten, den Absolventen dieser Schule die „Berechtigung“ zu erteilen.147 Die hierüber vorliegenden Protokolle148 sind deshalb aufschlussreich, weil sie unbeabsichtigt weitsichtig alle später in diesem Zusammenhang auftretenden Probleme bereits ansprechen: „Deshalb wurde gesagt, dürfe das Ziel der Mittelschulen nicht so hoch gesteckt sein, daß etwa ihren Schülern die Berechtigung zum einjährigen Militärdienst gegeben werden solle.“149 Es wurde vor allem die Gefahr gesehen, dass die Militärverwaltung ihre Ansprüche an die Bewerber immer höher ansetzen müsse, da sonst die Regimenter mit Einjährig-Freiwilligen überfüllt seien. Das derzeitige Anspruchsniveau für den einjährig-freiwilligen Militärdienst, so wurde festgestellt, ginge nicht über die in der Mittelschule zu erwerbenden Kenntnisse hinaus, die Mittelschule erfüllt also die Voraussetzungen und die Schüler würden nicht vor dem Abschluss die Mittelschule verlassen, wenn die Aussicht gegeben wäre, mit diesem die ‚Berechtigung’ zu erlangen, und schließlich würden „die bedeutende Anzahl von Schülern, welche nur, um die Berechtigung zu erlangen, die unteren Classen der Gymnasien überfüllten, sich den Mittelschulen zuwenden.“150
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Da die Frage der Erteilung der Berechtigung für die künftige Entwicklung der Mittelschule von so grundsätzlicher Bedeutung war, sollen noch einige weitere Stellungnahmen von Teilnehmern151 an den die Institutionalisierung vorbereitenden Verhandlungen zu diesem Problemkreis vorgestellt werden. Diese erlauben dann, eine grundsätzliche Aussage über die zugedachte Bedeutung der Mittelschule zu machen: So wurde die Denkschrift Dr. Hofmanns inhaltlich in weiten Teilen für die Institutionalisierung der Mittelschule übernommen, eindeutig aber nicht seine Auffassung über die der Mittelschule zu erteilenden Berechtigungen. Dazu sagte Hofmann nämlich: „Die Berechtigung zum einjährigen Militärdienst, welche die meisten der bezeichneten jungen Leute den höheren Schulen zuführt, müsse von den Schülern der neuen Schule mit einem gleichen Aufwand von Zeit und Kraft erlangt werden können, wie in den höheren Lehranstalten; und mit dem Zeitpunkt, wo diese Berechtigung hier erlangt werden könne, müsse in den neuen Schulen der Unterrichtskursus schließen.“152 Als Bestätigung wurde von Konferenzteilnehmern geäußert, dass die abgeschlossene Bildung der höheren Bürgerschule an „Intensität“ die Bildung des gegenwärtig zum einjährigen Dienst berechtigten Sekundaners eines Gymnasiums oder einer Realschule 1. Ordnung überragen werde; und dass die Bildung eines nach einjährigem Besuche der Sekunda – mit der ‚Berechtigung’ – abgehenden Schülers sicher nicht höher zu schätzen sei, als die eines Absolventen der Mittelschule. Als Gegenargument wurde von den Vertretern der höheren Schulen unter anderem angeführt, dass viele Schüler, die einzig wegen der Erlangung der Berechtigung in das Gymnasium eingetreten waren, „allmählich Geschmack an der ihnen dort zu Theil werdenden Bildung bekämen“153 und den eingeschlagenen Weg weiter verfolgten. Diese Schüler würden der höheren Bildung nicht mehr zugeführt, wenn die Berechtigung an den Mittelschulabschluss geknüpft würde, und dies „sei ein Verlust für die Nation“154. Dem wurde entgegengehalten, dass der Verlust an der Bildung der Nation relativ klein sei im Vergleich zu den Nachteilen, „welchen die aus Sekunda nach erlangter Berechtigung abgehenden Schülermassen bis dahin ihren Mitschülern, die das Ziel der Schule anstrebten, zufügten.“155
Als Kompromiss wurde von den Konferenzteilnehmern die Formulierung gewählt: „Die Mittelschule verzichtet vorläufig auf Erlangung der den höheren Schule zuerkannten Berechtigungen.“156 Mit dieser Formulierung sollte die Mittelschule bei ihren Forderungen nach Berechtigungen in den folgenden Jahren immer wieder vertröstet werden, ohne dass die Zusage je eingehalten werden sollten. Damit hatten sich die Vertreter der höheren Schulen durchgesetzt, die verhindern wollten, dass die Schülerströme in Zukunft auf die Mittelschulen umgeleitet werden könnten. Erreicht wurde dies durch die Festlegung, dass der Mittelschule die Erteilung nur einer Fremdsprache gestattet werden sollte. Eine Ergänzung findet sich durch die Änderung in der deutschen Wehrordnung vom 28. September 1875157, in der auf Vorschlag der Reichs-Schulkommission festgelegt wurde, dass nur solche Lehranstalten, die in ihrem Lehrplan zwei Fremdsprachen ausweisen, mit der Berechtigung ausgestattet werden, ihre Absolventen zum einjährigen Militärdienst zu befähigen.
Eine der wesentlichen Konsequenzen der Verweigerung einer Berechtigung für die Mittelschule blieb in der Folgezeit die mangelnde Akzeptanz dieser Schulform in der Öffentlichkeit. Der alternativ gewählte Besuch der höheren Schule war für viele Schüler sicher nicht mit dem Ziel verbunden, dort das Abitur zu erwerben. Auch wenn bei ihnen mitunter die entsprechenden geistigen Voraussetzungen fehlten, entschieden sie sich für den zeitlich begrenzten Besuch des Gymnasiums, nur um dort die Berechtigung zu erlangen. In den Jahren 1882 bis 1887 werden aus den Gymnasien, Progymnasien, Realgymnasien und Realprogymnasien 65.000 Schüler entlassen, die das Abitur nicht erhielten, das sind 80% der insgesamt an diesen Schulen entlassenen Schüler. Von diesen erlangten, da sie die notwendige Klassenstufe erreicht hatten, etwa 30.000 Schüler die ‚Freiwilligenberechtigung’; aber 35.000 Schüler verließen die o.a. Schulen aus der Tertia oder Quarta, zum Teil sogar aus der Quinta.158 Hierbei handelte es sich vermutlich überwiegend um Schüler, für die die Mittelschule die geeignetere Schulform gewesen wäre. Als ein Grund für diese Entwicklung kann auch die Tatsache angesehen werden, dass der Minister Falk, dem die Mittelschule ihre Entstehung ganz wesentlich zu verdanken hatte, als Kultusminister im Jahre 1879 zurücktrat. Dazu hieß es: „Es läßt sich nicht leugnen, daß bis zum Ende der siebziger Jahre die Stimmung für die Mittelschule eine sehr günstige war. Die Entwicklung der Mittelschulen wäre eine viel andere und günstigere geworden, wenn Minister Falk noch länger im Amte blieb.“159
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1896 stellte Bunse in seinem Beitrag „Mittelschulfragen“160 bezüglich der ungeklärten und für die Mittelschule problematischen „Berechtigungsfrage“ fest: „Es ist eine unleugbare Tatsache, daß das Berechtigungswesen, insbesondere die Berechtigung zum einjährigen Militärdienst, die freie Entwicklung unseres Schulwesens gehemmt hat. So lange aber das Berechtigungswesen in dem jetzigen Umfang besteht, muß die Mittelschule immer wieder die Forderung erheben, daß sie in ihrer vollkommensten Form, in der neunklassigen Mittelschule, ebenfalls berechtigt ist, ihren Abiturienten durch eine Schlußprüfung den einjährigen Militärdienst zugänglich zu machen.“161 Bunse wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die sechsklassigen Landwirtschaftsschule, obwohl hier ebenfalls wie in der Mittelschule nur eine Fremdsprache gelehrt wurde und an der die Schüler ihre Ausbildung mit den gleichen Voraussetzungen begonnen hatten, den Absolventen die Berechtigung erteilen durfte.162 Es ist verständlich, dass solche Benachteiligungen von den Vertretern der Mittelschule mit Verbitterung zur Kenntnis genommen wurden.
In den Folgejahren entwickelte sich die Mittelschule nicht wie erhofft. Wie stark dafür die fehlenden Berechtigungen verantwortlich waren, zeigt eine Äußerung von Franke auf der Hauptversammlung des ‚Preußischen Vereins für Mittelschulen’ aus dem Jahre 1907: „Die Mittelschule hat sich nicht in der Weise entwickelt, wie man es bei ihrer Begründung erwartet hatte. Der Hauptgrund liegt in dem Mangel an Berechtigungen.“163 Welche Bedeutung diese Berechtigung hatten, wurde deutlich gemacht: „Diese Berechtigungen haben mehr einen ideellen als einen wirklichen Wert. Weil der Einjährigenschein als Ausweis ausreichender Bildung für bestimmte Berufsarten und Lebensstellungen von Behörden und Privatpersonen gefordert wird, so suchen die Eltern ihn für ihre Söhne unter allen Umständen zu erkämpfen und zu erringen.“164 Zwar wurde den Mittelschulabsolventen die Möglichkeit geboten, die Kommissionsprüfung abzulegen. Diese Prüfung wurde vor einer unabhängigen Kommission abgelegt, wobei von Vertretern der Mittelschule immer der Vorwurf erhoben wurde, dass in dieser Kommission kein Mittelschullehrer vertreten war. Erschwerend für die Bewerber kam hinzu, dass die Schüler die Mittelschule in der Regel mit 16 Jahren die Schule verließen, für die Prüfung aber ein Mindestalter von 17 Jahren vorgeschrieben war. So wurde die Möglichkeit der Kommissionsprüfung nicht häufig wahrgenommen, vor allem dann nicht, wenn – und das war die Regel – nach dem Abschluss der Mittelschule zunächst eine Ausbildung begonnen wurde. Eine weitere Erschwernis für Mittelschüler ergab sich aus dem Umstand, dass nur solche Mittelschulabsolventen zu der Kommissions-Prüfung zugelassen wurden, die eine Erklärung des Vaters über dessen Bereitschaft vorlegen konnten, den „Freiwilligen“ während einer einjährigen Dienstzeit zu bekleiden, auszurüsten und für seine Wohnung zu sorgen. Es ist verständlich, dass viele Eltern, auch wenn sie unbemittelt waren, ihre Söhne statt zur Mittelschule auf eine höhere Schule schickten, wo sie – unabhängig vom Alter – bei entsprechenden Leistungen den „Einjährigenschein“ erwerben konnten.
Von der Mittelschule wurden auch unbedeutend erscheinende Berechtigungen für ihre Schulform positiv aufgenommen. So heißt es im Jahre 1907 aus Wiesbaden: „Die Zulassung als Zivilanwärter im hiesigen städtischen Bureaudienst wird abhängig gemacht von dem Berechtigungsschein für den einjährig-freiwilligen Dienst. Nun hat der Magistrat unserer Stadt eine Neuregelung getroffen, indem auch den Knaben, welche die Klasse I der hiesigen Knabenmittelschule mit Erfolg besucht und im Rechnen und Deutschen die Note „gut“ erhalten haben, dieselbe Berechtigung gewährt wird, wie denen mit dem Berechtigungsschein für den einjährig-freiwilligen Dienst.“165 In dem gleichen Jahr wurde eine Mitteilung aus Halle/Saale veröffentlicht, dass bei der Anstellung für den städtischen „Bureaudienst“ Schüler der Klasse I den Schülern mit dem Zeugnis für den einjährigen Dienst gleichgestellt wurden, „wenn sie bei der Entlassung aus der genannten Klasse im Deutschen sowie in der Mathematik die Zensur ‘gut’ erhalten haben.“166 Eine solche Entwicklung konnte durchaus als Indiz dafür gewertet werden, dass der auf einer Mittelschule erworbene Abschluss schrittweise Anerkennung für weiterführende berufliche Laufbahnen erhielt.167 Deutlich wird in diesem Zusammenhang auch die praktizierte Übertragung der ‚militärischen Berechtigung’ auf den zivilen Bereich.
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Aus Kreisen der Mittelschulvertreter wurden große Erwartungen an die für das Jahr 1910 angekündigten „Bestimmungen“ geknüpft. Bezüglich der erwarteten „Berechtigungen“ für die Mittelschule war die Ministerialverfügung vom 3. Februar1910168 dann allerdings eine Enttäuschung, denn es hieß: „Über die Erwirkung von Berechtigungen für die vollausgestalteten Mittelschulen können zur Zeit Mitteilungen noch nicht gemacht werden.“169 Damit blieb die Mittelschule weiterhin ohne das ‚Vergaberecht für Berechtigungen’.
Von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung der Lehrerausbildung war die Veröffentlichung der „Stiehlschen Regulative“170im Jahre 1854. Diese sollten als Folge der Revolution von 1848 vor allem die Lehrerausbildung für den Elementarbereich stark beeinflussen, damit auch die Ausbildung der Mittelschullehrer.
Insgesamt wurden drei „Regulative“ vorgelegt, von denen das erste wegen seiner Bedeutung und den restriktiven Auswirkungen, vor allem für die Lehrerausbildung aber auch für die weitere Entwicklung des gesamten Schulwesens, umfassender angesprochen werden müssen. In diesem Regulativ wurde deutlich, in welch rigider Weise der Staat in die Ausbildung der angehenden Lehrer eingriff und wie er die von hier ausgehende Bildungsentfaltung einschneidend begrenzte.
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Die mit den Regulativen in ganz erheblichem Maße durchgeführte Bildungsbegrenzung für die angehenden Elementarlehrer wurde zunächst begründet mit „Schwankungen und Gefahren der Abirrung“172, die die Aufstellung von für alle Seminare verbindlichen Normen notwendig machten. Diese Normen fanden ihre Darstellung in den „Allgemeinen Bestimmungen“173 der Regulative sowie in den Hinweisen zu den einzelnen Unterrichtsfächern:
„Als erste und unter allen Umständen zu lösende Aufgabe des Seminar-Unterrichts ist anzusehen, daß durch Benutzung der mit den Seminarien verbundenen Uebungsschulen die angehenden Lehrer zum einfachen und fruchtbringenden Unterricht in der Religion, im Lesen und in der Muttersprache, im Schreiben, Rechnen, Singen, in der Vaterlands- und Naturkunde sämtliche Gegenstände in ihrer Beschränkung auf die Grenzen der Elementarschule theoretisch und praktisch befähigt werden.“174 Alle Versuche einer wissenschaftlichen Behandlung der Stoffgebiete wurden zwar als für allgemeine Bildungszwecke „wünschenswert und nützlich“ angesehen, für den Elementarlehrer aber als nicht unbedingt erforderlich bezeichnet. Der Umfang an Kenntnissen eines Lehrers an der Volksschule sollte nach Stiehl nicht über das hinausgehen, was er in seinem späteren Beruf den Schülern vermittelte.175
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Noch deutlicher wurden in den Regulativen die angestrebten Bildungsbeschränkungen für die Schüler im Lehrerseminar in den Aussagen für die einzelnen Unterrichtsfächer: „Was bisher noch unter den Rubriken Pädagogik, Methodik, Didaktik, Katechetik, Anthropologie und Psychologie usw. gelehrt sein sollte, ist von dem Lektionsplan zu entfernen“176, statt dessen sollte mit zwei Wochenstunden das Fach „Schulkunde“ erteilt werden. Und: „In dem Seminar ist kein System der Pädagogik zu lehren, auch nicht in populärer Form.“ Die in dem Fach Schulkunde zu vermittelnden Inhalte fanden ihre Zusammenfassung in der Aussage, dass „die Zöglinge mit ihren Pflichten als künftige Diener des Staates und der Kirche [...] bekannt zu machen“177 sind. Der Wegfall aller pädagogischer Inhalte in der Ausbildung der künftigen Lehrer fand seinen Ersatz in der Forderung: „Was die Erziehung im Allgemeinen betrifft, so wird für den künftigen Elementarlehrer eine Zusammenstellung und Erläuterung der in der heiligen Schrift enthaltenen, hierfür gehörigen Grundsätze ausreichen“178.
Die so vermittelte Bildung war die Grundlage und der Kenntnisstand auf denen, im Rahmen eines Selbststudiums, die künftigen Volksschullehrer ihre Ausbildung zum Mittelschullehrer betreiben mussten.
Zeitgleich mit den oben angesprochenen „Bestimmungen von 1872“ wurde am 15. Oktober 1872 auch die „Prüfungsordnung für Lehrer an Mittelschulen“179 erlassen. Eine auf die Mittelschullehrer bezogene Prüfung hatte es bis dahin nicht gegeben, da es aber in den „Bestimmungen von 1872“ zum Mittelschul-Lehrplan hieß: „Der Unterricht ist nur von solchen Lehrern zu ertheilen, welche hierzu nach Maßgabe der Prüfungsordnung als befähigt anerkannt sind“,180 hätten nun in weiteren Bestimmungen die Voraussetzungen für die Ausbildung dieser Lehrer ebenfalls festgelegt werden müssen. Diese 1872 dazu vorgelegte „Prüfungsordnung für Volksschullehrer, Lehrer an Mittelschulen und Rectoren“ gab aber für eine solche Ausbildung keinerlei Hinweise.
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Bereits in den früheren Schulen des mittleren Schulwesens war es zur Regel geworden, dass in den unteren Klassen Volksschullehrer, in den oberen Klassen wissenschaftlich vorgebildete Lehrer eingesetzt wurden. Nach der neuen Prüfungsordnung von 1872 hieß es nun: „Diejenigen Lehrer, welche sich nur provisorisch in einem Amte befinden, zu dessen Wahrnehmung von jetzt an eine höhere, als die von ihnen nachgewiesene Befähigung gefordert wird, verbleiben in dem ihnen vorläufig übertragenen Amte, jedoch ist dessen definitive Verleihung von Ablegung der erforderlichen Prüfung, zu welcher ihnen drei volle Jahre Frist gelassen wird, abhängig zu machen.“181 Zu der Prüfung zum „Lehrer an Mittelschulen“ wurden Geistliche, Kandidaten182 der Theologie oder der Philologie und Volksschullehrer nach ihrer zweiten Prüfung zugelassen. Damit wurde ein deutlicher Trennungsstrich gezogen zwischen den Lehrern an der Volksschule und denen an der Mittelschule: Nun ging der Gesetzgeber davon aus, dass für den Unterricht an der Mittelschule mit den deutlich erhöhten Anforderungen die Ausbildung der Volksschullehrer nicht ausreichte.
Die Volksschullehrer hatten sich auf diese Prüfung ausschließlich autodidaktisch vorzubereiten. Die Schrift „Die Vorbereitung auf die Prüfung der Lehrer an Mittelschulen“ von Schwochow183, die für die Vorbereitung auf diese Prüfung zur Verfügung stand, soll eingehender analysiert werden, da hier aufschlussreiche Hinweise auf die Möglichkeiten der Vorbereitung, aber auch auf die Schwierigkeiten gegeben wurden:
Im Vorwort wurde darauf hingewiesen, dass es ursprünglich Aufsätze waren, die in der „Freien deutschen Schulzeitung“ veröffentlicht wurden. Hierbei ging es dem Verfasser darum, „auch solchen Kandidaten Hilfsmittel und Wege für ihre Fortbildung zu zeigen, die ihren Wirkungskreis abseits von den Verkehrs- und Bildungszentren haben.“184 Die Defizite diese Verfahrens werden auch in den vielfältigen Hinweisen deutlich, mit denen der Verfasser versuchte, den Kandidaten Hilfestellung für Vorbereitung der Prüfungen zu geben, z.B. für die Literaturauswahl, zur Materialbeschaffung, zur Vorgehensweise bei der Durcharbeitung des Lernstoffes, zur Anfertigung der schriftlichen Hausarbeit und sogar bei der Vorbereitung und der Durchführung von Experimenten für die Prüfungen in naturwissenschaftlichen Fächern.
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Diese fehlende Eigenständigkeit in der Ausbildung und die damit verbundenen Trennung der an den Mittelschulen tätigen Lehrer in „akademisch“ und „seminarisch“ vorgebildete Lehrergruppen sollte sich in der Folgezeit als nachteilig für die Arbeit an der Mittelschule herausstellen. Den beiden Gruppen wurden völlig voneinander abweichende Intentionen für die Berufswahl unterstellt: „Wer macht die Mittelschullehrerprüfung? Von den Volksschullehrern, wenn nicht die strebsamsten, so doch ein großer Teil der strebsamsten, fleißigsten und tüchtigsten Kollegen. Von den Akademikern meist solche, welche es niemals zu einem theologischen oder philologischen Examen bringen können.“185 Für die seminarisch ausgebildeten Lehrer an Mittelschulen als ehemalige Volksschullehrer bedeutete dieses Amt ein Aufstiegsamt, verbunden auch mit sozialem Aufstieg; für die akademisch ausgebildeten Mittelschullehrer handelt es sich um eine Berufswahl, die nicht einer Berufung entsprach. Für diese Lehrer war die berufliche Tätigkeit sicherlich oft auch mit Frustrationen begleitet: „Am meisten kommen Reibereien vor nicht zwischen Volksschullehrern und akademisch Gebildeten, sondern seminarisch gebildeten Mittelschullehrern und [...] akademisch Gebildeten. Es sind nämlich gerade oft jene Akademiker, welche mit Ach und Weh das Mittelschulexamen bestanden oder gar vielleicht einmal durchgefallen sind, die es lieben, sich mit einem gewissen akademischen Glorienschein zu umgeben, um ja nicht für seminarisch gebildet gehalten zu werden.“186 Wie stark die hier auftretenden Animositäten ausgeprägt waren, soll noch einmal verdeutlicht werden: Als geplant war, die an den höheren Töchterschulen tätigen seminarisch und akademisch gebildeten Mittelschullehrer gemeinsam in der Elementarlehrer-Witwen- und Waisenkasse zu versichern, legte der Leiter einer Schule Protest ein: „Es hätte die wissenschaftlich gebildeten Lehrer peinlich berührt, sie wären in ihrem Ehrgefühl gekränkt gewesen, wenn man sie gezwungen hätte, einer Kasse beizutreten, welche ausschließlich für Elementarlehrer bestimmt war.“187 Auch durch die Tatsache, dass Geistliche, Kandidaten der Theologie und Philologie durch die Prüfungsordnung mit den seminarisch gebildeten Lehrern insofern auf eine Stufe gestellt wurden, dass auch diese zum Mittelschullehrer- und Rektoramt zugelassen sind, war „der Stand der wissenschaftlich gebildeten Lehrer notwendigerweise herabgedrückt worden.“188 Die Herabsetzung der an den höheren Töchterschulen unterrichtenden Mittelschullehrer geschah sicherlich vor dem Hintergrund, dass zu diesem Zeitpunkt diese Schulform bemüht war, dem gymnasialen Schulwesen zugerechnet zu werden. Dazu gehört nach Auffassung des namentlich nicht genannten Verfassers wohl auch, dass an einer solchen Schule keine Mittelschullehrer tätig sein dürfen, was er auch in aller Offenheit sagte: „so liegt es doch auf der Hand, daß eine Schule, die den Anspruch erhebt, eine höhere genannt zu werden und Vorrechte der höheren Schulen für sich verlangt, doch nicht ein Lehrerkollegium von nur seminarisch gebildeten Lehrern haben darf.“189
Mit Datum vom 1. Juli 1901 wurde eine „Ordnung der Prüfung der Lehrer an Mittelschulen“190 veröffentlicht, mit der die erste Prüfungsordnung für Lehrer an Mittelschulen von 1872 abgelöst wurde. Nach dieser Ordnung wurden zu der Prüfung zugelassen
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Es gab auch nach der neuen Prüfungsordnung noch keine eigenständige Ausbildung für Mittelschullehrer, denn weiterhin war die erste Voraussetzung die Ausbildung zum Volksschullehrer, an die die Mittelschullehrerprüfung angeschlossen werden konnte. Inhaltlich gab es aber einige Veränderungen gegenüber der Prüfungsordnung von 1872. Als Bestandteil der Prüfung war von den Bewerbern außerdem eine schriftliche Hausarbeit192 anzufertigen, die sich im Inhalt auf eines der beiden gewählten Prüfungsfächer beziehen musste. Dazu hieß es, dass „in der Arbeit gründliche, sachliche Behandlung mit sprachrichtiger, logisch geordneter Darstellung verbunden sein muß.“193 An dieser Formulierung setzte von Seiten der Mittelschullehrer massive Kritik an, denn in der bisherigen Prüfungsordnung war gefordert, dass die „Arbeit in wissenschaftlich begründender Form zu lösen“194 war. Da noch im Entwurf zu der neuen Prüfungsordnung aus dem Jahre 1896 beabsichtigt war, die „Prüfung nach der wissenschaftlichen Seite zu vertiefen,“195 musste es nun als eine qualitative Herabstufung im Anspruchsniveau der Prüfung gesehen werden, wenn in der nun vorliegenden Prüfungsordnung jeglicher Anschein vermieden wurde, die „Prüfung für Lehrer an Mittelschulen“ sei mit einer wissenschaftlichen Prüfung zu vergleichen. Begründet wurde dies unter anderem damit, dass eine Prüfung, auf die sich der Bewerber nur autodidaktisch vorbereitet, keine wissenschaftliche Prüfung sein könne.196
Eine neue Diskussion über die Lehrerausbildung begann im Jahre 1908, diesmal in Verbindung mit einer möglichen neuen Funktion der Mittelschule. Ausgangspunkt war ein Vergleich zwischen Aufgabe und Abschlussprofil der Mittelschule und der Präparandenanstalt. Die Lehrpläne zeigten, dass zwischen diesen beiden Schulformen nur geringfügige Unterschiede bestanden. Die Forderung, diese beiden Bildungsabschlüsse gleichzusetzen, erschien berechtigt, dies vor allem auch unter dem Gesichtspunkt, dass die eigentliche berufliche Ausbildung für die angehenden Volksschullehrer nicht in der Präparandenanstalt, sondern erst im daran anschließenden Lehrerseminar stattfand. Demgegenüber kam der Präparandenanstalt die ausschließliche Aufgabe zu, eine über den Volksschulabschluss hinausgehende Allgemeinbildung zu vermitteln; ein Ziel, das in nahezu gleichem Umfang auch die Mittelschule verfolgte. Als Konsequenz solcher Vergleiche wurde der ‚Preußische Verein für Lehrer und Lehrerinnen an Mittelschulen’197 von seinen Mitgliedern aufgefordert, an die Unterrichtsverwaltung den Antrag zu stellen, Mittelschulabsolventen in die Abschlussklasse der Präparandenanstalt aufzunehmen.198 Dieser Antrag mag auch mit der Überlegung verbunden gewesen sein, dass der Mittelschule auf diese Weise eine zusätzliche Funktion und damit erweiterte Bedeutung zukam. Ganz offensichtlich waren diese Initiativen erfolgreich, denn in einem Ministerialerlass vom 21. Januar 1911199 hieß es: „Fast gleichartig aber ist der Bildungsgang der Mittelschule und der Präparandenanstalt. Daher sind die Schüler und Schülerinnen, welche den Abschluss einer vollentwickelten Mittelschule mit mindestens genügendem Erfolg erreicht haben, bei ihrem Übertritt in eine dreiklassige Präparandenanstalt ohne Prüfung endgültig in die zweite Klasse aufzunehmen.“ Diese Entscheidung ist nicht nachzuvollziehen: Wenn die Bildungsgänge der beiden Institutionen „fast gleichartig“ sind, müsste der Abschluss der Mittelschule demnach dazu berechtigen, in die dritte Klasse der Präparandenanstalt einzutreten. Vom Besuch der Präparandenanstalt den Schülern nur ein Jahr zu erlassen konnte dem Anspruch der Mittelschule nicht gerecht werden.
Im Jahre 1910 erfolgte eine Regelung bezüglich der „Amtsbezeichnung der Lehrer an öffentlichen Mittelschulen“.200 So lautete der Erlass, mit dem festgelegt wurde, „daß den an öffentlichen Mittelschulen angestellten Lehrern , die die Prüfung für den Dienst an Mittelschulen abgelegt haben [....], die Amtsbezeichnung ‚Mittelschullehrer’ beigelegt werde. Dagegen haben die nicht geprüften Lehrer an den Mittelschulen (Elementarlehrer) die Amtsbezeichnung ‚Lehrer an Mittelschulen’ zu führen.“201
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Bei den „Vorbereitenden Verhandlungen im preußischen Unterrichtsministerium über die Mittelschulen“202 im Juni 1872 wurden sechs Thesen „rücksichtlich der errichtenden Mittelschulen“ vorgelegt, bei denen als Unterrichtsgegenstand auch Naturlehre (Physik, Chemie) aufgeführt wird.203 Bei der Diskussion dieser Thesen wurde es für zweckmäßig gehalten, „daß auf Wunsch der Eltern an Stelle von Physik und Chemie, welche vor dem 15ten Lebensjahr nur in dürftiger Weise getrieben werden könnten, Latein gelehrt werde, um auf diese Weise Gelegenheit zu einer Vorbildung für den Besuch des Gymnasiums zu gewähren.“204 Ein Gegenargument dazu lautete, dass „auch wenn Physik und Chemie nur in den Grundzügen gegeben werden könnte, sei er doch für einen jungen Mann, der in das gewerbliche Leben eintreten wolle, nützlich.“205
Der vorliegende Diskussionsausschnitt aus den o.a. Verhandlungen belegt deutlich, wie wenig die bei der Institutionalisierung der Mittelschulen festgelegten Intentionen mit den später geäußerten Vorstellungen übereinstimmten, die Mittelschulen seien aus der Notwendigkeit der Behandlung der naturwissenschaftlichen Fächer entstanden. Für die weitere Entwicklung der Mittelschule bedeutete diese Frage aber eine Gelenkstelle: Die Einführung des Faches Latein hätte wegen der damit verbundenen Anbindung an die höhere Schule bedeutet, dass sie als Schulen des höheren Schulwesens zu sehen gewesen wären. Die Entscheidung für die alternative Einführung der Fächer Physik und Chemie bedeutete die endgültige und verbindliche Festlegung dieser Fächer im Lehrplan der Mittelschule. Diese These erlaubt auch die Annahme, dass mit der Entscheidung gegen den Lateinunterricht der dauerhafte Bestand der Mittelschule gesichert werden sollte. Dem widersprach nicht die Einführung von Lateinunterricht als Zusatzangebot, um Schülern den Übergang zu höheren Schulen zu ermöglichen.
Für die 1872 institutionalisierte Mittelschule wurden als Bestandteil der „Bestimmungen von 1872“ für die einzelnen Fächer Lehrpläne vorgelegt, in denen auch die Unterrichtsziele aufgeführt waren.206 So hieß es u.a. für den naturwissenschaftlichen Unterricht: „daß die Mittelschüler zu selbständiger und aufmerksamer Beobachtung der Natur anzuleiten sind. In Schulen mit mehr als sechs Klassen werden namentlich die Unterweisungen aus der Physik und der Chemie zu einer mehr zusammenhängenden Darstellung dieser Disziplinen erweitert.“207 Damit erfuhr der naturwissenschaftliche Unterricht eine Entwicklung von der Behandlung einzelner Phänomene zu einer umfassenderen Behandlung naturwissenschaftlicher Themen.
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Für den naturwissenschaftlichen Bereich sah der festgelegte Lehrplan ‚Naturkunde’, unterteilt in die Fächer ‚Naturbeschreibung’ (Biologie) und ‚Naturlehre’ (Physik und Chemie) vor.208 Dabei sollten Biologie mit zwei Wochenstunden in den oberen drei Klassen sowie Physik und Chemie mit zwei bzw. drei Wochenstunden in den beiden oberen Klassen erteilt werden. Für den naturwissenschaftlichen Unterricht waren so insgesamt 11 Wochenstunden vorgesehen (vgl. Tab. 1). Bezogen auf die Gesamtwochenstundenzahl von 30 bis 33 Stunden war der Anteil der naturwissenschaftlichen Fächer mit maximal fünf Wochenstunden in der Abschlussklasse damit allerdings nur begrenzt.
Der naturwissenschaftliche Unterricht erhielt nun durch die Festschreibung in den „Bestimmungen von 1872“ verstärkte staatliche Anerkennung, da er durch die berufsvorbereitenden Unterrichtsanteile als ein Bindeglied zwischen Schule und Praxis gesehen wurde. Diese Funktion konnte der Unterricht an der Mittelschule übernehmen, da in den Bestimmungen von ihr gefordert wurde, Unterrichtsgegenstände vor allem für den naturwissenschaftlichen Unterricht bevorzugt aus dem Lebensbereich der Schüler zu nehmen. Gerade dieser Bezug zum Lebensbereich der Schüler, das Prinzip der ‚Lebensnähe’, sollte immer wieder in die Lehrplänen aufgenommen werden und ein beständiges Prinzip der Mittelschule bleiben.
Für die zu behandelnden Themen im Bereich ‚Naturlehre’ wurden in den „Bestimmungen von 1872“ nur spärliche inhaltliche Angaben gemacht: So hieß es für die beiden oberen Klassen:209
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Ergänzend wurde gefordert: „Überall sind beim Unterrichte in der Naturkunde gute natürliche Exemplare oder Nach- und Abbildungen zu benutzen; in der Physik ist außerdem das Experiment der Unterweisung zu Grunde zu legen.“210 Hiermit wurde der Einsatz von Modellen – zunächst als Sachmodelle für den Unterricht im Fach Biologie – gefordert, auch wenn dieser Begriff nicht ausdrücklich benutzt wurde. Für eine methodische und didaktische Ausgestaltung des Unterrichts auf der Grundlage der vorgegebenen Themen wurden keinerlei Hinweise gegeben.
Für die naturwissenschaftlichen Fächer ergab sich die folgende Stundenverteilung:
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Tabelle 1: Naturwissenschaftlicher Unterricht ab 1872
Fach |
Klasse211 |
|||||
6. |
5. |
4. |
3. |
2. |
1. |
|
Naturbeschreibung |
— |
— |
— |
2 |
2 |
2 |
Naturlehre |
— |
— |
— |
— |
2 |
3 |
Bedeutungsvoll erscheint der Hinweis auf die Lehrerausbildung213 in den „Bestimmungen von 1872“. Es heißt „daß es eine besondere Aufgabe des Seminarunterrichts ist, für die Darstellung der Naturwissenschaften Methoden zu finden, durch welche sie auch auf den untersten Stufen schon formell bildende Kraft erlangen.“214 Diese Aussage macht einmal die weiter zunehmende Bedeutung des naturwissenschaftlichen Unterrichts auch vor dem Hintergrund seines Bildungsgehaltes, der diesem Fach damit zugestanden wurde, deutlich. Er lässt aber auch erkennen, dass naturwissenschaftlicher Unterricht als ‚bildender Unterricht’ akzeptiert wurde.
Wesentlich war in diesem Zusammenhang, dass die Lehrer für die Unterrichtsarbeit durchaus einen Freiraum hatten, wenn pädagogische Entscheidungen dies erforderten. Es hieß: „Wo die localen Verhältnisse eine besondere Berücksichtigung des Ackerbaues, Fabrikwesens, Bergbaues, Handels oder der Schiff-Fahrt in dem Lehrplane bedingen, sind die erforderlichen Änderungen in demselben vorzunehmen“215. Gerade für Lehrer, die bisher unter den einschränkenden Vorschriften der Stiehl’schen Regulative gearbeitet hatten, muss dieser pädagogische Freiraum von großer Bedeutung gewesen sein.
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Die Ursachen für diesen Wandel waren u.a. zurückzuführen auf die Veränderungen in Politik und Wirtschaft. Nach der Reichsgründung von 1871 gelang es dem Reichskanzler Bismarck, das Staatsbewusstsein in der Bevölkerung zu stärken. Gleichzeitig wurde mit den Reparationszahlungen, die Frankreich nach dem verlorenen Krieg zu leisten hat, die Industrie in Deutschland in einer außerordentlich umfangreichen und erfolgreichen Weise beeinflusst, so dass sich hier ein Wandel vom Agrar- zum Industriestaat vollziehen konnte. Dies setzte aber auch voraus, dass den Menschen die „Angst vor der Wissenschaft“ genommen wurde. Diese Aufgabe sollte bereits der Unterricht in der Schule leisten, was aber wiederum voraussetzte, dass diesem Unterricht eine größere Gewichtung bezüglich des Umfangs, der Inhalte, aber auch der über die Schule hinausgehenden Akzeptanz zugestanden wurde.
Zahlreiche physikalische und chemische Erfindungen und technische Entwicklungen in dieser Zeit – Farbstoffe, Glühlampe, Dynamo, Fotografie, das Auto gehören zu den wichtigen Bereichen – waren die Folge und begünstigten eine weitere positive Entwicklung, bedeuteten aber für die Unternehmen einen erhöhten Bedarf an Mitarbeitern mit guter naturwissenschaftlicher Vorbildung. Das hatte selbstverständlich Auswirkungen auf das Schulwesen, denn von den Schulen wurde verlangt, dass sie die notwendigen Voraussetzungen schafften: Sie sollten die jungen Menschen befähigen, den neuen Anforderungen aus der Industrie gerecht zu werden.
Die Ablösung der „Stiehl’schen Regulative“ im Jahre 1872 hatte auch zur Folge, dass im Rahmen von Lehrerfortbildungsmaßnahmen über methodische und didaktische Fragen offen diskutiert wurden. Bisher sah die Methodik des Unterrichts – zumindest im Volksschulbereich und mittleren Schulwesen – nahezu ausschließlich den Lehrervortrag vor. Diskussionen hierüber waren bisher nach den „Regulativen“ unzulässig: „Die bisher in den meisten Seminarien unter dem Titel ‚Methodik’ gegebene Darlegung der Methode aller Elementar-Unterrichtsfächer hat zur Lösung der Aufgabe, die künftigen Schullehrer zur Aneignung einer sicheren und leicht anwendbaren Behandlung des Unterrichts zu führen, wenig beigetragen.“216 Eindeutig formuliert war das „Ziel“ des naturkundlichen Unterrichts: “dass ein Lesebuch hergestellt werde, dessen lebensvolle und charakteristische Bilder und Schilderungen das ausreichende Material für den ergänzenden und erläuternden Unterricht des Lehrers böten.“217
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Hier trat nach Aufhebung der Regulative eine entscheidende Wende ein. Für den Lehrer war die Grundlage für die praktische Arbeit in der Schule zunächst der offizielle Lehrplan. Dieser war mit dem vorgegebenen Stoffgerüst nur wenig aussagekräftig. Als hilfreiche Ergänzung dazu waren nun Veröffentlichungen von erfahrenen Lehrern zu sehen, die als „didaktische Aufbereitung“ gelten konnten. Gerade in Anbetracht der Lehrersituation waren derartige Hilfen wahrscheinlich unverzichtbar. Als ein Beleg für diese These soll der Beitrag von Carl Baenitz „Ausführlicher Lehrplan für den Unterricht in der anorganischen Chemie in Mittelschulen“218 aus dem Jahre 1873 vorgestellt werden.
Baenitz argumentierte zunächst gegen die bisher im Chemieunterricht praktizierte Vermittlung einer reinen Stoffsammlung, bei der eine große Anzahl von Namen chemischer Stoffe ungeordnet von den Schülern auswendig zu lernen waren.219 Daher begrüßte Baenitz nachdrücklich ein neues Chemiebuch „Lehrbuch der anorganischen Chemie“ von Arendt220, der versuchte, die zu behandelnden Stoffe nach pädagogischen Gesichtspunkten zu strukturieren. „Es war gewiß ein sehr wichtiger Fortschritt, den Arendt in seinen Büchern durchgeführt hat, als er die Unterrichtsmethode dahin abänderte, daß er von den Vorgängen und Operationen ausging, während der Unterricht bis dahin nach den Grundstoffen geordnet war.“221 Hierbei handelte es sich um eine neue Konzeption des naturwissenschaftlichen Unterrichts, denn es hieß: „Dr. Arendt in Leipzig hat es in neuester Zeit in seinem ‘Lehrbuche der anorganischen Chemie’ zuerst versucht, den Stoff, welchen die anorganische Chemie bietet, nach naturgemäßen Grundsätzen zu ordnen und zu verarbeiten.“222Gleichzeitig gab Arendt dabei auch eine Begründung für die Neugestaltung dieses Lehrbuchs, indem er darauf hinwies, dass der alte systematische Weg verlassen worden sei, um das Gedächtnis des Schülers nicht dadurch zu überfordern, dass er „mit einer Fülle neuer Anschauungen überschüttet wird, die in keinem Zusammenhang stehen und die der Schüler nicht zu beherrschen vermag.“223 Eine solche Forderung sollte sich in Zukunft wie ein ‚roter Faden’ durch die Entwicklung des Chemieunterrichts ziehen, wenn immer wieder vor der Vermittlung rein enzyklopädischen Wissens und das in unzumutbarer Fülle gewarnt wurde.
In einer ausführlichen Darstellung im Lehrplan von Baenitz, die sich im wesentlichen auf eine phänomenologische Betrachtungsweise der Stoffe beschränkte, gibt es aber durchaus auch Hinweise auf die allgemeine Bedeutung der Chemie: „Wenn also die Chemie einerseits über diejenigen Stoffe Aufschluß giebt, aus welchen die in der Naturgeschichte betrachteten Körper bestehen, [...] andererseits aber dadurch fördernd in alle Verhältnisse des Lebens eingreift, dass sie für dasselbe eine Menge neuer Stoffe und ihrer Verbindungen nutzbar macht, so hat sie sich hierdurch auch Bürgerrecht in all den Schulen erworben, welche wahrhaft dem Leben dienen und für dasselbe vorbereiten sollen.“224 Nachdrücklich wurde hier so die Bedeutung der Chemie für das Leben der Menschen herausgestellt – Erkenntnis über die Zusammensetzung der Stoffe, Herstellung und Nutzbarmachung neuer Stoffe – und es wurde aus dieser allgemeinen Bedeutung der Chemie für das Leben der Menschen die Notwendigkeit ihrer Behandlung im Unterricht abgeleitet.
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An einer weiteren Stelle wurde darauf hingewiesen, dass nach Beendigung der Behandlung jedes Abschnittes „die Beziehungen der Elemente zum praktischen Leben hervorzuheben seien“225. Im Zusammenhang mit der Besprechung der Reduktion wurde gefordert: „Bei der Wichtigkeit, welche die Eisenindustrie auf allen Gebieten des Lebens erlangt hat, erscheint es als eine billige Forderung, wenn von jedem Gebildeten ein Verständnis und eine Kenntniß der großartigsten aller Reductionsprocesse erwartet wird.“226 Das waren durchaus erste Ansätze dafür, dem Chemieunterricht eine „allgemeinbildende Aufgabe“ zuzugestehen. Nicht nur als ein Stoffgebiet für die Schüler wurde dieser beispielhaft gewählte Bereich gesehen, sondern jeder Gebildete sollte diese Kenntnisse haben, Kenntnisse in der Chemie gehörten also fortan zur Allgemeinbildung.
Auf methodische Hinweise für die Erarbeitung des Stoffes wurde von Baenitz nicht eingegangen. Es gibt lediglich einmal einen Hinweis: Die „Methode, nach welcher der chemische Unterricht nur allein ertheilt werden darf, ist die Methode der inductiven Forschung. Das Experiment oder die Befragung der Natur ist die Basis des Unterrichts, aus welchem das Naturgesetz gefolgert wird.“227 Es ist leicht einzusehen, dass unerfahrene Lehrer mit ihrer mangelhaften naturwissenschaftlichen Ausbildung in den Lehrerseminaren kaum in der Lage waren, auf einer solchen Basis einen für die Schüler überzeugenden Unterricht zu gestalten.
Ein Grundproblem der Mittelschule wurde hier aber deutlich, denn es hieß bei Baenitz: „Die Ausstattung der Versuche und die ganze Durchführung seines Lehrganges ist für höhere Lehranstalten bestimmt. [...] Dem einsichtsvollen Lehrer wird es ein Leichtes sein bei beschränkter Zeit die richtige Stoffauswahl zu treffen.“228 Diese Übernahme des eigentlich für das Gymnasium bestimmten Stoff-planes, der nur der Arbeit an der Mittelschule angepasst wurde, macht auch etwas von dem fehlenden Selbstbewusstsein der Mittelschule deutlich, da es in dieser Zeit versäumt wurde, schulform-spezifische didaktische Begleitmaterialien – auch Lehrbücher – zu schaffen. Die Mittelschule versäumte damit auch, sich eine ihre Eigenständigkeit definierende ‚mittelschulspezifische Identifikation’ zu geben.
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Von den Mittelschullehrern waren Impulse zu einer schulform-spezifischen didaktischen und methodischen Ausrichtung der neuen Schulform nur in Ansätzen zu erwarten. Die Begründung wird deutlich in dem Bericht eines ‚Seminar-Zöglings’, der aus seiner Seminarzeit zu Beginn des Jahrhunderts berichtete: „Die Allgemeinbildung, die uns vermittelt wurde, war dürftig, vor allem in den naturwissenschaftlichen Fächern [...]. Dies lag hauptsächlich an den Lehrern und an ihrer Aus- und Fortbildung. Zuweilen fehlte es in den Sachfächern an der Tiefen- und Breitenbehandlung, oft an der Vermittlung innerer Zusammenhänge, der Ursachen, Folgen und Beziehungen zum wirklichen praktischen Leben, zur Gegenwart und den möglichen Auswirkungen für die Zukunft. [...] Anregungen für die Weiterbildung empfingen wir nur spärlich.“229
Der Unterricht in der Präparandenanstalt und im Lehrerseminar wurde zu dieser Zeit in der Regel von Lehrern erteilt, die ihre eigene Ausbildung zu einer Zeit erfahren hatten, als die Stiehl’schen Regulative noch galten oder gerade aufgehoben worden waren, deren negative Auswirkungen sie also noch in vollem Umfang zu spüren bekommen hatten. Diese Mängel haben mit Sicherheit auch den Göttinger Professors Klein veranlasst, die Einrichtung von Mittelschullehrerkursen an den Universitäten zu fordern. Und es ist bezeichnend, dass er diese Kurse gerade für die naturwissenschaftlichen Fächer als notwendig erachtete. Es waren Volksschullehrer mit den oben geschilderten Defiziten in ihrer natur-wissenschaftlichen Ausbildung, die Mittelschullehrer wurden. Es konnte aber auch nicht erwartet werden, dass die akademisch vorgebildeten Mittelschullehrer, die also nach einem Universitätsstudium die Mittelschullehrer-Prüfung ablegten, hier für einen Ausgleich hätten sorgen können. Bereits 1872 wurde der Vorwurf erhoben, dass an den Universitäten naturwissenschaftliche und mathematische Lehrerseminare nur in Ausnahmefällen vorhanden waren, während eine Universität ohne philologisches Seminar undenkbar sei. Die wenigen vorhandenen Seminare für den naturwissenschaftlichen Bereich legten „mehr Wert auf eine akademische Thätigkeit, als auf das Lehren an unseren Mittelschulen.“230Dass als Folge davon der naturwissenschaftliche Unterricht hinter den berechtigten Erwartungen der Eltern und Schüler zurückblieb, liegt auch darin begründet, „daß viele Lehrer nämlich weder während ihrer Studien noch nach Vollendung derselben Gelegenheit hatten, die erforderliche Übung in physikalischen Versuchen zu erlangen.“231
Es waren aber nicht nur methodische Fragen des naturwissenschaftlichen Unterrichts, die in dieser Zeit diskutiert wurden. Da es sich bei der Mittelschule um eine neue Schulform handelte und auch aus den bisherigen Schulen des mittleren Schulwesens für den naturwissenschaftlichen Unterricht kaum Erfahrungen vorlagen, waren eine ganze Reihe von Fragen neu zu beantworten. Neben den Problemen der methodischen Gestaltung des Unterrichts beschäftigten sich die Lehrer an der Mittelschule vor allem mit der Auswahl des Lehrstoffs und seiner Gliederung, aber auch mit lernpsychologischen und entwicklungspsychologischen Zusammenhängen im naturwissenschaftlichen Unterricht.
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Für die Untersuchung der Frage nach einer didaktischen Begleitung der Arbeit in der Mittelschule soll vor allem auf Beiträge in der Verbandszeitschrift der Mittelschullehrer, die „Mittelschule“232 zurückgegriffen werden. Weitere für den Bereich des natur-wissenschaftlichen Unterrichts an der Mittelschule für diesen Zeitraum nur vereinzelt vorliegende Literatur wurde ergänzend einbezogen. Die Beiträge in der „Mittelschule“ sind ausnahmslos von Mittelschullehrern verfasst worden und da die Leser dieser Zeitschrift überwiegend Mittelschullehrer waren, kann davon ausgegangen werden, dass die Wirkungen dieser Artikel wieder in die Arbeit der Mittelschule einfließen mussten. Diese Artikel, die in den Jahren zwischen 1872 und 1910 geschrieben worden sind, zeigen in eindrucksvoller Weise die Bemühungen der Mittelschullehrer, eine ihre Schulform prägende Basis für den naturwissenschaftlichen Unterricht zu schaffen.
Bei der Untersuchung der relevanten Literatur ergibt sich die Schwierigkeit, dass die Bereiche Physik und Chemie in diesem Zeitraum noch gemeinsam das Fach Physik bildeten und dass die Physik hierbei den weitaus größten Anteil hatte. Bei der Analyse wird davon ausgegangen, dass die für den Bereich Physik geschilderten Zusammenhänge in gleichem Maße auch für den Bereich der Chemie gelten. Einschränkend wurde die Interpretation dieser Auseinandersetzungen exemplarisch auf zwei Bereiche beschränkt: Zunächst wird ein methodisches Problem aufgegriffen, das in besonderem Maße im Mittelpunkt steht: die Frage, an welcher Stelle im natur-wissenschaftlichen Unterricht das Experiment eingesetzt werden sollte. Bei der zweiten zu diskutierenden Frage geht es um die Frage der Schülerübungen im naturwissenschaftlichen Unterricht.
Die enge Verbindung zwischen dem Unterricht in der Volksschule und der Mittelschule wurde – dies gilt zumindest für die erste Phase der Untersuchung – immer wieder herausgestellt: Da in der Mittelschule die Naturlehre nach elementaren Grundsätzen zu erteilen war, sollten im Unterricht in Volks- und Mittelschule die Unterrichtsgegenstände nach den gleichen methodischen Prinzipien behandelt werden. Solche methodische Prinzipien sind demnach: der Lehrgang, die Lehrform, der Lehrton und die Lehrmittel. Für diesen Zeitraum der Untersuchung soll der Bereich des „Experiments im Unterricht“ herausgegriffen werden, da die Diskussion dieser Problematik im Untersuchungszeitraum einen breiten Raum einnahm. In dem oben zitierten Lehrplan von Baenitz aus dem Jahre 1873, heißt es: „Gilt schon für die beschreibenden Naturwissenschaften (Zoologie, Botanik und Mineralogie) der Grundsatz: ‘Nur das zu lehren, was zur Anschauung gebracht werden kann’, so muß derselbe in noch erhöhterem Grade für Chemie in Anspruch genommen werden. Die Methode, nach welcher der chemische Unterricht allein erteilt werden darf, ist die Methode der inductiven Forschung. Das Experiment oder die Befragung der Natur ist die Basis des Unterrichts, aus welchem das Naturgesetz gefolgert wird. Somit nimmt die Erklärung einer jeden Erscheinung ihren Ausgangspunkt von dem Versuche.“233 Wie im Folgenden gezeigt wird, gab es aber durchaus unterschiedliche Auffassungen gerade über die Frage, wann im Unterrichtsablauf das Experiment eingesetzt werden sollte. Ein Artikel aus dem Jahre 1888, der sich auf die Methode des physikalischen Unterrichts in der Mittelschule bezog, soll die Grundlage für die Darstellung der unterschiedlichen Auffassungen sein.234 Bei der Analyse sollen die unterschiedlichen Sichtweisen mit den jeweils zugrunde liegenden Intentionen deutlich gemacht werden.
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Es sind im Wesentlichen zwei gegensätzliche Theorien über den Einsatz des Experiments im Unterricht, die in diesem Zeitraum immer wieder Anlass für Auseinandersetzung gegeben haben:
Wenn es hieß: „Die Geschichte des physikalischen Unterrichts wird den Eintritt dieser Richtung immer als den glücklichen Anfang eines gesunden Fortschritts auf dem Gebiete des physikalischen Unterrichts zu verzeichnen haben“237, dann wird deutlich, dass die Diskussion solcher methodischer Fragen für die Lehrer der naturwissenschaftlichen Fächer zu dieser Zeit noch neu war und dass es bisher noch keine einheitliche Auffassung gab und auch nicht geben konnte.
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Die gegensätzliche Forderung: „Der physikalische Unterricht muss nur von der Erscheinung ausgehen; das Experiment darf erst in zweiter Linie folgen,“238 macht die unterschiedlichen Positionen deutlich; sie lässt aber auch erkennen, dass diese Frage absolut gestellt und beantwortet wurde; ein alternativer Einsatz von Experimenten – z.B. als Einstieg oder zur Bestätigung – hat zu diesem Zeitpunkt der Diskussion noch keine Rolle spielt. Auch die Begründungen für den Einsatz des Experiments als Einstieg in die naturwissenschaftliche Unterrichtstätigkeit werden durchaus überzeugend dargestellt:
„Das physikalische Experiment besitzt große Vorzüge, denn es ermöglicht zunächst ein einziges Faktum scharf und ganz vorzuführen; es ermöglicht ferner die Ausschließung unwesentlicher Momente; es gestattet Zeit, Ort und Umstände so zu wählen, dass die Schüler jetzt und hier beobachten müssen. Also: Das Experiment versetzt den Lehrer in die Lage, zur beliebigen Zeit die komplizierte Naturerscheinung unter Hervorhebung der Hauptsache aus ihren einzelnen Faktoren vor dem geistigen Auge der Schüler entstehen zu lassen.“241 Dem kann uneingeschränkt zugestimmt werden, wenn es um die grundsätzliche Frage zum Einsatz von naturwissenschaftlichen Experimenten geht, dann auch mit der gegebenen Konsequenz: „Der physikalische Unterricht muß notwendiger Weise auf Experimenten begründet sein“, womit nichts über den Zeitpunkt des Einsatzes gesagt wurde. Nur der daraus gezogene Schluss: „Beginnen wir also die physikalische Lehrstunde mit dem Experiment“242 ergibt sich nicht zwingend aus den formulierten Thesen.
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In einem Beitrag aus dem Jahre 1893 wurde dagegen der Vorwurf erhoben, dass der „Nutzen des Experimentierens“ vielfach überschätzt wird.243 Vor allem für den Bereich des Physikunterrichts würde durch die oft komplizierte Apparatur die Einsicht in den physikalischen Vorgang erschwert. Gerade komplizierte Aufbauten erfordern aber auch viel Zeit, deren „Verlust nicht immer der Nutzen des Experiments ausgleicht.“244 Anders wurden die Verhältnisse im Chemieunterricht gesehen: Im Gegensatz zur Physik „dringt die Chemie ins Innere der Natur“ und fordert stärker eine „Loslösung von der unmittelbar sinnlichen Anschauung und Beobachtung“245, die auch den Einsatz des Experiments im Unterricht notwendig machte. Da „das bildende Moment“ für den Schüler im Unterricht das Erfassen und Nachvollziehen eines Vorgangs von der Ursache bis zur Wirkung darstellt, nicht aber durch die Abgeschlossenheit eines solchen Vorganges darstellen soll, erfordert der Chemieunterricht das Experiment. Nur damit können die Vorgänge in der Natur für den Schüler offensichtlich werden. Diese erkennbare Bandbreite der unterschiedlichen Auffassungen zur Gestaltung des natur-wissenschaftlichen Unterrichts – lediglich bezogen auf den Bereich des Experimentalunterrichts – beweist auch die noch nicht abgeschlossene Entwicklung hin zu einer ‚Didaktik des Experimentierens’. Sie zeigt aber auch den Freiraum, den die Lehrer bei der Organisation ihres Unterrichts hatten.
Es gibt für diesen Untersuchungszeitraum weitere Aussagen, die sich gezielt auf den Experimentalunterricht für das Fach Chemie beziehen. So beklagte Haase in einem Beitrag aus dem Jahre 1904246 über die Stellung des Experiments im Chemieunterricht, dass trotz der zunehmenden Bedeutung der naturwissenschaftlichen Fächer die Methodik des Chemieunterrichts sich nicht in gleichem Maße entwickelt habe wie in den anderen naturwissenschaftlichen Fächern, vor allem gelte dies für methodische Einzelfragen. Der Verfasser bezog sich auf den „entwickelnden Unterricht“ mit den „durch die Psychologie gebotenen Haltepunkten ‘Versuch, Erklärung, Gesetz, Bedeutung’“ und der daraus folgenden Forderung, den „Versuch als Ausgangspunkt der Lektion“247 zu nehmen. Dann erfolgte der deutliche Versuch einer Eingrenzung auf den Chemieunterricht: „Kann das Experiment im Chemieunterricht als Ausgangspunkt dienen?“248 Im Zusammenhang mit der Diskussion dieser Frage wurde von dem Verfasser eine überraschend moderne Definition des Chemieunterrichts gegeben: „Die Kenntnis der wichtigsten Elemente und Verbindungen ist aber nur Mittel zum Zweck und daher von untergeordneter Bedeutung; im Mittelpunkt der Chemielektion steht der chemische Vorgang.“249 Der Verfasser plädierte also für eine eindeutige Abkehr von der bis dahin überwiegend praktizierten Vermittlung enzyklopädischen Wissens mit einer möglichst großen Zahl von auswendig zu lernenden Namen der chemischen Elemente und Verbindungen.
Da der Lehrer mit seinem Unterricht an Bekanntes anschließen sollte, verbot sich das Experiment als Ausgangspunkt, „denn ein Vorgang, der sich in Glasretorten und Reagiergläsern abspielt, ist dem Schüler nicht aus dem täglichen Leben her geläufig.“250 Nach Haase empfahl es sich, das Experiment erst auf der ‚Darbietungsstufe’ durchzuführen und zwar erst dann, wenn der Vorgang, der erläutert werden sollte, den Schülern bereits bekannt war.
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Der Verfasser sah für die experimentelle Arbeit im Unterricht lediglich zwei Ansätze:
Der abschließende Hinweis, dass man in „der Methodik der Physik [...] über das Stadium des Ausgehens vom Experiment längst hinaus [ist]“252 wird zu einem Beleg dafür, dass in den Jahren zwischen 1888 und 1904 offensichtlich weiterführende Diskussionen über methodische Fragen stattgefunden hatten. Dies wird auch deutlich in zumindest einem Diskussionsbeitrag von Conrad aus dem Jahre 1890253: „Im klaren Bewußtsein der Tatsache, dass die Anschauung das absolute Fundament aller Erkenntnis ist und dass der physikalische Lehrstoff auf demselben Wege dem kindlichen Geiste übermittelt werden muß, auf dem die Wissenschaft selber groß geworden ist, das ist auf dem Wege der Induktion, welcher von einer Reihe besonderer Fälle zum allgemein Gültigen, zum Gesetze emporführt, werden überall zuerst Versuche gemacht, aus denen sich schließlich das Gesetz ergiebt.“254 Nach dieser Beschreibung des damaligen Zustandes übte Conrad aber nachdrücklich Kritik und zeigte Alternativen auf: „Da erheben sich nämlich neuerdings Zweifler, welche die Richtigkeit des eben gekennzeichneten Verfahrens in Frage stellen und ein hervorragender Schulmann, Dr. Sumpf, hat es unternommen, Physikbücher für die verschiedenen Schulformen zu bearbeiten, in welchen die Versuche um den bisher behaupteten Primat gebracht worden sind. Sie haben den Erfahrungen der Schüler den ersten Platz einräumen und sich mit der zweiten Stelle begnügen müssen.“255 Auch nahm er einen oben bereits beschriebenen Zusammenhang noch einmal auf, wenn er herausstellte, dass bei Naturerscheinungen die dieser zu Grunde liegende Gesetzmäßigkeit durch experimentelle Darstellung in Einzelteilen isoliert vorgestellt werden konnte. Dazu stellte er weiter fest: „Damit wird aber doch bloß bewiesen, dass Versuche zur Ableitung von Gesetzen überhaupt nötig seien. Ihre Stellung ist damit aber keineswegs bestimmt.“256 Als weiteres Argument für die zu dieser Zeit neue Einstellung führte Conrad an, dass dann, wenn „der Versuch in die erste Linie“ gestellt wurde, „wie der gegenwärtige Unterricht es gewöhnlich thut“257, so erschiene dem Schüler dieser als das Wesentliche, weniger die zu erarbeitende Gesetzmäßigkeit. Versuche hatten eine ‚dienende Stellung’ einzunehmen, sie sollen erst dann durchgeführt werden, „wenn es ohne sie nicht mehr geht, wenn man im Unterricht nicht mehr weiter kommt, wenn eine bestimmte Frage ohne sie nicht beantwortet werden kann.“258 Bestätigt wurde diese Auffassung in einem Beitrag von Stephan: „Den Ausgangspunkt für den Unterricht bilden nicht Experimente, sondern die Naturerscheinungen. Erst wenn die Naturerscheinung nicht allein ausreicht, um das Gesetz in derselben erkenntlich werden zu lassen, wenn die Naturerscheinung zu verwickelt und umfangreich wird, soll der Lehrer zu den Experimenten greifen, soll eine künstliche Erscheinung die natürliche ersetzen.“259
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Bezüglich der Forderung nach Einsatz von Schülerübungen im naturwissenschaftlichen Unterricht kam es vor allem im Zusammenhang mit den „Bestimmungen von 1910“ zu einer grundsätzlichen Weiterentwicklung. Mit ausgelöst wurde diese Diskussion durch die auf der „Rheinischen Direktorenkonferenz“ von 1907 aufgestellten „Leitsätze für den physikalischen Unterricht an Volks- und Mittelschulen.“260 Ausgehend von der These, dass der naturwissenschaftliche Unterricht eine allgemeine Bildung verleiht, wurde er den sprachlich-musischen Fächern als gleichwertig gesehen. Darüber hinaus wurde der naturwissenschaftliche Unterricht auch für die ethische und ästhetische Erziehung als wertvoll bezeichnet: durch die Einführung von Schülerübungen könne der naturwissenschaftliche Unterricht das Denken und die Selbsttätigkeit der Schüler fördern und insgesamt den Bildungsgehalt der Naturwissenschaften zur Geltung bringen. In einem Zielkatalog wurde die neu erkannte Bedeutung dieses Unterrichts formuliert: Selbständigkeit im Denken und Handeln, Förderung der Geschicklichkeit und des Beobachtungsvermögens, Gewinnung von Verständnis für die Mittel und Wege der Naturforschung; als Erziehungsziele wurden erkannt: Ordnungsliebe, Geduld, Achtsamkeit, Wahrhaftigkeit und Bescheidenheit.261 Dass aber nicht nur der physikalische Unterricht als geeignet für Schülerübungen gesehen wurde, ergibt sich aus der Forderung, dass „geeignete Aufgaben sich aus der Physik, Chemie, Mineralogie und Pflanzenphysiologie“262 entwickeln lassen. Bedeutungsvoll war auch die Forderung bezüglich der Lehrbücher: „Die Lehrbücher haben in Zukunft zu berücksichtigen, dass Schülerübungen die Grundlage für den gesamten Lehrstoff bilden sollen. Es kann dies in der Weise geschehen, dass die Lehrbücher zugleich Leitfäden für die Übungen sind oder im Anschluß an derartige Leitfäden verfaßt werden.“263
In diesen nur wenige Jahre auseinanderliegenden Beiträgen wird deutlich, dass in diesem Zeitraum entscheidende neue Auffassungen über den Einsatz von Experimenten im naturwissenschaftlichen Unterricht einsetzten. Es lässt sich nur in Ansätzen nachvollziehen, welche Schwierigkeiten es gekostet haben muss, das notwendige Umdenken bei den Lehrern der naturwissenschaftlichen Fächer zu bewirken. Es kann davon ausgegangen werden, dass bei dem größeren Teil dieser Lehrer schon aufgrund ihrer eigenen Ausbildung, aber auch ihrer oft jahrelangen Tätigkeit nur schwer die Bereitschaft zu einer Anpassung an so gravierende methodische und didaktische Veränderungen zu erwarten war.
Bis 1872 war das Lesebuch der ausschließliche Informationsträger im Unterricht der Elementarschulen. In der Regel waren es in einen literarischen Teil – vornehmlich für den Leseunterricht – und einen realistischen Teil gegliedert. Ab 1872 änderte sich diese Struktur: Mit der Aufhebung der Stiehlschen Regulative wurde auch auf die Vorschrift verzichtet, nach der das Lesebuch Grundlage für den naturwissenschaftlichen Unterricht sein musste. Damit wurde die bereits einsetzende Entwicklung unterstützt, neben dem Lesebuch für die übrigen Fächer sogenannte Leitfäden einzusetzen. Solche Leitfäden konnten für verschiedene Fächer zusammengefasst sein und wurden dann als „Realienbücher“ bezeichnet. Für die Mittelschule lag bereits aus dem Jahre 1873 ein solcher „Leitfaden“264 vor, der außer Geographie und Geschichte im Rahmen der Naturkunde neben der Physik und Biologie (Naturgeschichte) auch ein Kapitel „Chemie“ enthielt. Zwei Hinweise aus dem Vorwort sollen herausgestellt werden: Aus der Formulierung, dass Auswahl und Umfang, Anordnung und methodische Behandlung so vorgenommen sind, „wie es einerseits überhaupt eine gesunde Methodik, andererseits die Rücksicht auf die Schüler der Mittel- und Volksschule erforderte“265, ergibt sich, dass das vorliegende Buch auch für die Arbeit an der Mittelschule konzipiert war; an anderer Stelle wurde darauf hingewiesen, dass die notwendigen Lehr- und Anschauungsmittel für die Experimente im Chemieunterricht zwar aufgeführt waren, „eine ausführliche Beschreibung der letzteren dürfte in einem Buche für die Hand des Schülers entbehrlich sein“266. Es handelte sich also um ein Buch, dass nicht ausschließlich für die Hand des Lehrers gedacht war, sondern daneben den Charakter eines Schülerarbeitsbuches hatte.
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Für den definierten Untersuchungszeitraum liegt insgesamt nur eine begrenzte Zahl von Chemiebüchern vor, die ausschließlich für die Schulform Mittelschule entwickelt worden waren. Die Begründung für dieses Defizit muss vor allem darin gesehen werden, dass das Fach Chemie zu diesem Zeitpunkt noch keine volle Anerkennung als eigenständiges Fach gefunden hatte und weitgehend als Bestandteil des Physikunterrichts angesehen und behandelt wurde. Der zweite Grund war darin zu sehen, dass die zu diesem Zeitpunkt tätigen Mittelschullehrer ihre Ausbildung zunächst als Volksschullehrer erfahren hatten und auch die auf das Schulbuch bezogenen Arbeitsweisen in die Schulform Mittelschule übernahmen. In der Volksschule aber wurden auf die einzelnen Fächer bezogenen Schulbücher nicht eingesetzt, hier stellte das Lesebuch weiterhin die Arbeitsgrundlage dar. So hieß es in einer Anweisung für „Seminarzöglinge und Elementarlehrer“267 aus dem Jahre 1883 für den Unterricht in den „Realien“ an der Volksschule: „Benutze auch das Lesebuch! Beim Unterricht in den Realien ist das Lesebuch zur Belebung, Ergänzung und Wiederholung des Lehrstoffes, welchen der Lehrer nach sorgfältiger Vorbereitung anschaulich und frei darzustellen hat, zu benutzen. In mehrklassigen Schulen können daneben besondere Leitfäden zur Anwendung kommen.“268
Der Einfluss anderer Schulformen auf die Arbeit der Mittelschule lässt sich in den Aussagen zum Einsatz von Schulbüchern aufzeigen. In dem oben zitierten Beitrag von Baenitz über den Chemieunterricht aus dem Jahre 1873269 wurde herausgestellt, dass Schüler chemische Anschauungen nicht ausschließlich durch Experimente erwerben konnten, dass vielmehr hierzu gleichzeitige Verstandesoperationen erfolgen mussten, dass also der Unterricht sich nicht ausschließlich auf experimentelle Darbietung beschränken durfte. Daher wurde vorgeschlagen, die Erklärung des Experimentes durch den Einsatz eines Schulbuches zu begleiten. Als geeignet für einen solchen Unterricht an der Mittelschule wurde das Buch „Schule der Chemie“270 von Stöckhardt empfohlen, das allerdings für den Unterricht in der Elementarschule vorgesehen war. Als nachteilig wurde bezeichnet, dass „es in der Anordnung des Stoffes der gebräuchlichen Eintheilung und Anordnung der Elemente folgt.“271
Als Alternative zu dem Buch von Stöckardt wurde von Baenitz das o.g. „Lehrbuch der anorganischen Chemie“272 von Arendt vorgeschlagen. Dieser versuchte, in seinem Lehrbuch den zu vermittelnden Stoff aus dem Bereich der anorganischen Chemie nach „naturgemäßen Grundsätzen“ zu ordnen. „Sein Lehrbuch ist auf diesem Gebiet als wahrhaft epochemachend zu bezeichnen. Die Ausstattung der Versuche und die ganze Durchführung seines Lehrganges ist für höhere Schulen bestimmt, aber die Grundsätze, nach welchen dies geschah, und die Anordnung des Stoffes erfolgte, ist mustergültig für jede Schule in welcher Chemie erteilt wird. [...] Dem einsichtsvollen Lehrer wird es ein Leichtes sein, bei beschränkter Zeit die richtige Stoffauswahl zu treffen.“273 So sollte also das bisher eingesetzte Buch, das für den Unterricht in der Volksschule gedacht war, durch ein Buch ersetzt werden, das für die Höhere Schule bestimmt war. Daraus ist zu schließen, dass zu diesem Zeitpunkt Bücher für den Chemieunterricht in der Mittelschule noch nicht zur Verfügung standen. Es sollen aber einige Schulbücher vorgestellt werden, die neben dem Einsatz im Chemieunterricht der Mittelschule auch für andere Schulformen konzipiert waren. Dies gilt z.B. für das Buch von Langhoff274 mit dem Titel: „Chemie für Mittelschulen“; es stammt aus dem Jahre 1877 und war gleichzeitig auch für andere Schulformen vorgesehen, auf die um Untertitel hingewiesen wurde.275 Da die erste Auflage dieses Buches aus dem Jahre 1874 stammt, kann auch angenommen werden, dass nach Institutionalisierung der Mittelschule dieses Buch dieser neuen Schulform zusätzlich gewidmet wurde. Ursprünglich war es wohl nicht für diese Schulform gedacht, zumal im Vorwort zur ersten Auflage der Begriff ‘Mittelschule’ nicht eindeutig definiert ist. Das zweite Buch von Genau „Chemie für Lehrerbildungsanstalten, Mittelschulen, höhere Bürgerschulen und Töchterschulen“276 stammt aus dem Jahre 1898. Da im Vorwort zu diesem Buch ausschließlich auf die Arbeit an Lehrerbildungsanstalten eingegangen wird, ist anzunehmen, dass es für die Arbeit an derartigen Einrichtungen konzipiert wurde. Erst nachträglich ist diesem Buch der mögliche Einsatz in der Mittelschule zugesprochen worden. Als drittes Beispiel kann das Buch von Streichert „Praktische Chemie für gehobene Volksschulen, Bürger-, Töchter- und Mittelschulen“277 aus dem Jahre 1901 gelten, das durch seine Zuordnung zu den angesprochenen Schulformen noch am ehesten als ein Buch für die Mittelschule angesehen werden kann.
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An dem hier aufgezeigten Problemfeld des Schulbuchs wird ein Defizit in der Entwicklung der Mittelschule deutlich, das auch in den folgenden Jahren ein Charakteristikum dieser Schulform sein sollte: Auf einer Reihe von Gebieten war es nicht gelungen, eine schulformspezifische Eigenständigkeit der Mittelschule zu entwickeln. Dies zeigt sich an dem vorliegenden Beispiel der Schulbücher für den Chemieunterricht: Für den Unterricht in der Mittelschule wurden Schulbücher aus der Elementarschule und der höheren Schule benutzt, wobei schulformbezogener Unterricht und die Inhalte der Schulbücher nicht kongruent sein konnten. Dieses Verfahren mag zwar in der Anfangsphase der Entwicklung des naturwissenschaftlichen Unterrichts an der Mittelschule notwendig gewesen sein, aber eine parallel verlaufende Entwicklung von Schulform und Schulbuch konnte nicht verwirklicht werden. Eine solche Entwicklung hätte aber von der Lehrerschaft an der Mittelschule ausgehen müssen, denn aus dieser rekrutierten sich in der Regel die Autoren für Schulbücher. Dabei muss aber berücksichtigt werden, dass Mittelschullehrer nach dem Besuch der Volksschule, der Präparandenanstalt und des Lehrerseminars in den Schuldienst eintraten. Es kann vermutet werden, dass Lehrer nach bestandener Mittelschullehrerprüfung nur selten bereit waren, nun zusätzliche Arbeit für neue Schulbüchern zu leisten.
Grundsätzlich muss aber festgehalten werden, dass das Schulbuch als didaktischer Gestaltungsfaktor in der Lehrerschaft der Mittelschule offensichtlich nur eine untergeordnete Rolle spielte; der Einsatz von Schulbüchern aus anderen Schulformen wurde wohl nicht als Defizit gesehen. In dem im Jahre 1888 erschienenen Buch „Die Mittelschule im organischen Anschlusse an die Volksschule“278 wurde u.a. auch die „methodische Behandlung des Lehrstoffs“ diskutiert. Der Abschnitt über Bücher und Lernmittel enthält hier aber lediglich Hinweise für die sorgfältige Behandlung der Bücher und Lernmittel.279 Da die Diskussion der übrigen relevanten Themen durchgängig sehr ausführlich erfolgte, auf Schulbücher oder Lehrmittel aber nicht eingegangen wurde, findet sich hier eine Bestätigung für die Auffassung, dass Schulbücher zu dieser Zeit noch kein zu diskutierendes Thema für eine pädagogische Auseinandersetzung darstellten.
86 Allgemeine Bestimmungen betreffend das Volksschul-, Präparanden- und Seminarwesen vom 15.October 1872. In: CENTRALBLATT 1872, S. 598
87 Adalbert Falk war von 1872 bis 1879 preußischer Kultusminister.
88 Im Folgenden werden diese als „Bestimmungen von 1872“ bezeichnet.
89 Bestimmungen von 1872, S. 599
90 Ebd.
91 Vgl. ebd.
92 Vgl. MASKUS: Zur Geschichte der Mittel- und Realschule. 1966, S. 58
93 Vgl. MAASSEN: Geschichte der Mittel- und Realschulpädagogik. 2.Bd.,1961, S. 9
94 Pensionsgesetz der Lehrer und Lehrerinnen an öffentlichen Volksschulen vom 6. Juni 1885. In: CENTRALBLATT 1885, S. 239 ff
95 Ausführungsbestimmungen zu dem Pensionsgesetz. In: CENTRALBLATT 1886, S. 387 ff.
96 Ebd.
97 Gesetz, betreffend das Ruhegehalt der Lehrer und Lehrerinnen an den öffentlichen nichtstaatlichen mittleren Schulen und die Fürsorge für ihre Hinterbliebenen. In: CENTRALBLATT 1894, S. 581 ff.
98 Ebd., S. 582
99 Petition – Bittgesuch des ‚Preußischen Vereins der Lehrer und Lehrerinnen betreffend die einheitliche Regelung der Organisation der Mittelschule. In: MS 11 (1897), S. 23-29
100 Ebd., S. 26
101 Ebd., S. 27
102 Ebd.
103 HEINEMANN: Geschichte der preußischen Mittelschule. 1931, S. 67
104 Ebd.
105 Ebd., S. 68
106 Vorbereitende Verhandlungen im preußischen Unterrichtsministerium im Juni 1872 – Protokolle. In: CENTRALBLATT 1872, S. 385 ff.
107 Ebd., S. 101
108 UMHÖFER: Zur Mittelschulfrage. In: MS 4 (1890), S. 198
109 Ebd.
110 DÖRPFELD: Der Mittelstand und die Mittelschule. 1853
111 Ebd., S. 8
112 Ebd., S. 9
113 Ebd.
114 Ebd., S. 14
115 Ebd., S. 15
116 HOFMANN: Über die Einrichtung öffentlicher Mittelschulen in Berlin. 1869
117 Ebd., S. 16
118 Eine Liste der Teilnehmer ist als Anlage 2 beigefügt.
119 Vorbereitende Verhandlungen im preußischen Unterrichtsministerium im Juni 1872 – Protokolle. In: CENTRALBLATT 1872, S. 385 ff
120 Ebd., S. 99
121 SCHWENSFEIER: Drei Schulkategorien. 1892
122 Ebd., S. 59
123 Ebd.., S. 59
124 VOGEL: Mittelschul-Pädagogik. 1893
125 Ebd., S. 45
126 Ebd.
127 UMHÖFER: Zur Mittelschulfrage. In: MS 4 (1890), S.197-199; S. 217-228
128 Ebd., S. 222
129 Ebd., S. 221
130 GÜNTHER: Über einige Hemnisse in der bisherigen Entwicklung der Mittelschulen. In: MS 7 (1893), S. 319
131 GEHRTS: Zur Organisation der Mittelschulen. In: MS 8 (1894), S. 247-252
132 Ebd., S. 248
133 BUNSE: Mittelschulfragen. In: MS 10 (1896), S. 164
134 Ebd.
135 STEPHAN: Wie sind neunstufige Mittelschulen nach den Forderungen unserer Zeit einzurichten? In: MS 16 (1902), S. 415-422
136 Ebd., S. 418
137 Ebd., S. 420
138 Preußische Statistik 1906. In: MS 24 (1910), S. 157
139 Gesetz über die Verpflichtung zum Kriegsdienste. In: PREUSSISCHE GESETZESSAMMLUNG 1814, S. 79 ff.
140 Ebd., S. 79
141 Ebd., S. 80
142 Vgl. SCHNELL: Die Berechtigung zum einjährig-freiwilligen Dienst. In: Deutsches Philologenblatt, 26 (1918), S. 118-121
143 Ebd., S. 121
144 Vgl. BLANKERTZ: Die Geschichte der Pädagogik. 1982, S. 182
145 UMHÖFER war Realschulrektor in Forst und der 1. Herausgeber der seit 1886 erscheinenden Verbandszeitschrift „Die Mittelschule“.
146 UMHÖFER: Zur Mittelschulfrage. In MS 4 (1890), S. 198
147 Eine Liste der Teilnehmer an diesen Beratungen ist als Anlage 2 beigefügt.
148 Vorbereitende Verhandlungen im preußischen Unterrichtsministerium im Juni 1872 – Protokolle. In: CENTRALBLATT 1872, S. 385 ff
149 Ebd., S. 387
150 Ebd.
151 Die Stellungnahmen der Konferenzteilnehmer sind in den vorliegenden Protokollen nicht namentlich gekennzeichnet.
152 SCHWENSFEIER: Drei Schulkategorien. 1892, S. 27
153 Ebd., S. 28
154 Ebd.
155 Ebd.
156 vgl. MAASSEN: Quellen zur Geschichte der Mittel- und Realschulpädagogik. I. Band. 1959, S.100
157 Die höhere Schule und die Wehrordnung. In: Pädagogisches Archiv 18 (1876), S. 144-148
158 Vgl. UMHÖFER: Zur Mittelschulfrage. In: MS 4 (1890), S. 199
159 GÜNTHER: Über einige Hemnisse in der bisherigen Entwicklung der Mittelschule. In:
MS 7 (1893), S. 319
160 BUNSE: Mittelschulfragen. In: MS 10 (1896), S. 164-168
161 Ebd., S. 167
162 Vgl. ebd.
163 FRANKE: Zur 13. Hauptversammlung des preußischen Vereins für Mittelschulen. In:
MS 21 (1907), S. 377
164 Ebd.
165 o.V.: Weitere Berechtigung der neunklassigen Knabenmittelschule. In: MS 21 (1907), S. 189
166 o.V.: Eine weitere Berechtigung der neunstufigen Knaben-Mittelschule. In: MS 21 (1907), S. 55
167 Eine Aufstellung der den Mittelschulen zuerkannten Berechtigungen ist als Anlage 3 beigefügt.
168 Neuordnung des Mittelschulwesens. In: ZENTRALBLATT 1910, S. 343
169 Ebd.
170 STIEHL: Die drei preußischen Regulative. 1858
171 STIEHL: Regulativ für den Unterricht in den evangelischen Schullehrer-Seminarien der Monarchie. In: Die drei preußischen Regulative. 1858, S. 1
172 Ebd.
173 Ebd., S. 5
174 Ebd.
175 Ebd.
176 Ebd., S. 12
177 Ebd.; S. 13
178 Ebd.; S. 14
179 Prüfungsordnung für Volksschullehrer, Lehrer an Mittelschulen und Rectoren. In: CENTRALBLATT 1872. S. 635 ff
180 Bestimmungen von 1872. In: CENTRALBLATT 1872. S. 599
181 Prüfungsordnung 1872 In: CENTRALBLATT 1872. S. 634
182 Kandidaten waren solche Bewerber, die ihr wissenschaftliches Studium an der Universität abgeschlossen hatten.
183 SCHWOCHOW: Die Vorbereitung auf die Prüfung für Lehrer an Mittelschulen. 1904
184 Ebd., S.1
185 o.V. (gez. T.B.): Seminarisch oder akademisch? In: MS 4 (1890), S. 58
186 Ebd., S. 58
187 o.V. (gez. Dch): Beiträge zur Wahrung der Standesinteressen. In: MS 1 (1887), S. 135
188 Ebd.
189 Ebd., S. 134
190 Ordnung der Prüfung der Lehrer an Mittelschulen. In: CENTRALBLATT 1901, S. 649 ff
191 Vgl. ebd., S. 649
192 Vgl. ebd., S. 651
193 Ebd.
194 Prüfungsordnung 1872. In: CENTRALBLATT 1872, S. 641
195 SCHWOCHOW: Über die neue Prüfungsordnung für Lehrer an Mittelschulen. In:
MS 16 (1902), S. 104
196 Ebd., S. 107
197 Der einzige nachweisbare Verein für die Lehrer und Lehrerinnen an Mittelschulen. Der Verein
war Herausgeber der Zeitschrift „Die Mittelschule“.
198 WEBER: Mittelschule und Präparandenanstalt. In: MS 22 (1908), S. 166
199 Übertritt von Schülern und Schülerinnen höherer Lehranstalten und Mittelschulen in Seminare
und Präparandenanstalten. In: CENTRALBLATT 1911, S. 268
200 Amtsbezeichnung der Lehrer an öffentlichen Mittelschulen. In: CENTRALBLATT 1910,
S. 272
201 Ebd.
202 Vgl. Vorbereitende Verhandlungen im preußischen Unterrichtsministerium im Juni 1872. In: MAASSEN: Quellen. 1. Band, S. 97 ff.
203 Ebd., S. 99
204 Ebd., S. 101
205 Ebd.
206 Bestimmungen von 1872. In: CENTRALBLATT 1872. S. 598
207 Ebd., S. 603
208 Ebd.
209 Vgl. ebd., S. 603
210 Ebd.
212 Bestimmungen von 1872. In: CENTRALBLATT 1872. S. 608
211 Die 6. Klasse ist die Eingangsklasse, die 1. Klasse die Abschlussklasse.
213 Vgl. Lehrordnung und Lehrplan für die Königlichen Schullehrer-Seminare. In:
CENTRALBLATT 1872. S. 618 ff
214 Ebd., S. 628
215 Bestimmungen von 1872. In: CENTRALBLATT 1872, S. 598
216 STIEHL: Die drei preußischen Regulative. 1858, S. 19
217 Ebd., S. 37
218 BAENITZ: Ausführlicher Lehrplan für den Unterricht in der anorganischen Chemie in
Mittelschulen. In: Der praktische Schulmann 26 (1873)
219 Vgl. ebd., S. 323
220 ARENDT: Lehrbuch der anorganischen Chemie. 1868
221 ARENDT: Gehört die Chemie als Unterrichtsgegenstand in die Erziehungsschule? In: Jahrbuch
des Vereins für wissenschaftliche Pädagogik. 1883, S. 202 (Arendt zitiert hier eine Aussage
von Baenitz)
222 BAENITZ: Ausführlicher Lehrplan für den Unterricht in der anorganischen Chemie in
Mittelschulen. In: Der praktische Schulmann 26 (1873), S. 323
223 Ebd., S. 322
224 Ebd.
225 Ebd., S. 326
226 Ebd., S. 329
227 Ebd., S. 322
228 Ebd.
229 SCHULZ: 150 Jahre Lehrerseminar Preußisch-Eylau. 1994, S. 161
230 FRICK: Die physikalische Technik. 1872, S. VI (Vorrede)
231 Ebd.
232 „Die Mittelschule“ war das „Zentralorgan der Rektoren, Haupt- und Mittelschullehrer
Deutschlands“, später vom „Preußischen Verein für das mittlere Schulwesen“.
233 BAENITZ: Ausführlicher Lehrplan für den Unterricht in der anorganischen Chemie in
Mittelschulen. In: Der praktische Schulmann 26 (1873), S. 322
234 o.V.: Über die Methode des physikalischen Unterrichts in der Mittelschule.
In: MS 2 (1888), S. 32
235 Ebd., S. 39
236 Ebd., S. 40
237 Ebd.
238 Ebd.
239 Ebd.
240 Ebd., S. 41
241 Ebd.
242 Ebd.
243 VOGEL: Mittelschul-Pädagogik. 1893, S. 218
244 Ebd.
245 Ebd.
246 HAASE: Die Stellung des Experiments im Chemieunterricht. In: MS 18 (1904), S. 1 ff
247 Ebd., S. 1
248 Ebd.
249 Ebd.
250 Ebd.
251 Vgl. Ebd., S. 2
252 Ebd., S. 6
253 CONRAD: Die Stellung der Versuche im Physikunterricht. In: MS 4 (1890), S. 17
254 Ebd., S. 17
255 Ebd., S. 18
256 Ebd., S. 21
257 Ebd., S. 37
258 Ebd., S. 37
259 STEPHAN: Wie sind neunstufige Mittelschulen nach den Forderungen unserer Zeit
einzurichten? In: MS 16 (1902), S. 441
260 Vgl. DANNEMANN: Handbuch für den physikalischen Unterricht. 1919
261 Vgl. ebd., S. 140
262 Ebd.
263 Ebd.
264 *HÜTTMANN u.a.: Weltkunde, Leitfaden der Geographie, Geschichte und Naturkunde für
Mittelschulen und mehrklassige Volksschulen. 1873
265 Ebd., Vorwort
266 Ebd.
267 KELLER: Handbuch der Erziehung und des Unterrichts. 1890
268 Ebd., S. 325
269 BAENITZ: Ausführlicher Lehrplan für den Unterricht in der anorganischen Chemie in
Mittelschulen. In: Der praktische Schulmann 26 (1873)
270 STÖCKARDT: Die Schule der Chemie. 1870
271 BAENITZ. Ausführlicher Lehrplan für den Unterricht in der anorganischen Chemie in
Mittelschulen. In: Der praktische Schulmann 26 (1873), S. 322
272 ARENDT: Lehrbuch der anorganischen Chemie. 1868
273 BAENITZ: Ausführlicher Lehrplan für den Unterricht in der anorganischen Chemie in
Mittelschulen. In: Der praktische Schulmann 26 (1873), S. 323
274 *LANGHOFF: Chemie für Mittelschulen. Berlin 1877
275 „Zum Gebrauche an Schullehrerseminarien, höheren Bürgerschulen, Mittelschulen, höheren
Knaben- und Töchterschulen, Vorschulen der Gewerbeschulen, Präparandenanstalten.
Handwerker-Fortbildungsschulen, Ackerbauschulen etc“.
276 *GENAU: Chemie für Lehrerbildungsanstalten, Mittelschulen, höhere Bürgerschulen und
Töchterschulen. 1898
277 *STREICHERT: Praktische Chemie für gehobene Volksschulen, Bürger-, Töchter und
Mittelschulen. 1901
278 FRÖHLICH: Die Mittelschule im organischen Anschlusse an die Volksschule. 1888
279 Ebd., S. 123
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