Zusammenfassung

  1. Zur selektiven Entfernung von Schwermetallen aus industriellen Abwässern und Prozesslösungen der metallverarbeitenden Industrie werden synthetische metallkomplexierende funktionelle Polymere seit Jahren erfolgreich zur Eliminierung störender Kationen eingesetzt. Sie enthalten Iminodiessigsäure (IDE) als aktive Spezies und weisen eine hohe Selektivität für umweltrelevante Schwermetalle auf. Ständig steigende Anforderungen an die Qualität der aufzubereitenden Wässer verlangen nach leistungsfähigen Selektivaustauschern, die den Erhalt der Eigenschaften von Prozesslösungen (z. B. pH-Wert, Salzgehalt) ermöglichen. Durch Änderung der experimentellen Bedingungen und Variation der Matrix lassen sich die Eigenschaften der Ionenaustauscher beeinflussen. Obwohl im Bereich der industriellen Abwasserbehandlung IDE-Ionenaustauscher erfolgreich in der Praxis angewandt werden, wurde strukturellen Matrixeinflüssen auf Beladung, Kapazität, Selektivität und Kinetik in der Literatur nur relativ wenig Beachtung geschenkt. Daher war es von besonderem Interesse, die Beeinflussung der Austauschereigenschaften durch Variation der Adsorptionsbedingungen und der Matrix sowie deren Auswirkungen auf das Trennvermögen näher zu untersuchen. Auf Basis einer monodispersen Erstsubstitution eines Styren-Divinylbenzen-Copolymerisates wurde durch gezielten Einbau funktioneller Gruppen – Synthese mit differenziertem Substitutionsgrad – versucht, systematisch den Einfluss des Substitutionsgrades der Matrix auf die Eigenschaften der Ionenaustauscher zu analysieren. Methodisch geordnet wurden zunächst die Versuche nach dem Batch- und anschließend nach dem Säulenverfahren durchgeführt und parallel dazu die Matrix charakterisiert. Alle Proben wurden ausschließlich in der Ca-Form eingesetzt.
  2. Im ersten Teil der Arbeit wurde das Ziel verfolgt, das Verhalten der funktionellen Ankergruppen in Abhängigkeit vom pH-Wert der Lösung näher zu untersuchen und den optimalen Anreicherungs-pH-Wert zu ermitteln. Für zeitabhängige GGW-Untersuchungen im Batchverfahren wurden die Probe 1 mit dem niedrigsten Zweitsubstitutionsgrad (TK/N = 1,034, d. h. nur 51,7 % der Ankergruppen sind funktionalisiert, es liegt vorwiegend Aminoessigsäure vor) und die Probe 2 mit dem höchsten Substitutionsgrad (TK/N = 1,857, 92,85 % der funktionellen Gruppen sind mit IDE-Gruppen belegt) ausgewählt. Es wurden Modell-Lösungen aus Metall- und Calciumacetat-Lösungen vorgegeben, um unerwünschte pH-Änderungen während des Versuchsablaufs zu minimieren. Die Untersuchungen erfolgten durch Variation des pH-Wertes (pH-Bereich 2 - 5) bei konstanter Ausgangskonzentration. Um einen möglichst vollständigen Austausch zu erhalten, wurden jeweils das Zweifache der TK an Metallsalz- und das Einfache an Ca-Acetat-Lösung vorgegeben. Primäres Ziel war die Ermittlung der maximalen Beladung (Kapazität) und der Selektivität unterschiedlich substituierter Proben für die Schwermetall-Ionen Cu, Zn, Ni, Cd, Pb und Co. Die experimentell ermittelten Daten wurden nach Adsorptionsmodellen von Langmuir und Freundlich ausgewertet.
  3. Die zeit- und pH-abhängigen Batchversuche erbrachten folgende Ergebnisse: Im pH-Bereich 2 – 5 sind für die unterschiedlich substituierten Proben deutliche pH-Abhängigkeiten der Beladung gegeben, deren Differenzen mit steigendem pH-Wert abnehmen. Mit Absenken des pH-Wertes von 5 auf 2 verringerten sich die Anreicherungsraten beider Ionenaustauscher um 10 % bis 20 %. Die Proben zeigten bei niedrigen pH-Werten zwar höhere Selektivitäten jedoch die Konkurrenz der Protonen um die Bindungsstellen führte zur Reduzierung der Kapazitäten. Die Auslastung der funktionellen Gruppe sank um bis zu 40 % der TK. Die optimale Anreicherung fand – mit Ausnahme der Pb-Beladung – beim pH-Wert 5 statt.
  4. Zeitabhängige GGW-Untersuchungen bei pH-Wert 5 ergaben folgende Selektivitätsreihenfolgen (Anreicherungsgrade) der am niedrigsten substituierten Probe 1 (TK/N 1,034) und höchsten substituierten Probe 2 (TK/N 1,857) für die Ca-Einsatzform beider Proben:
    Probe 1: Cu (43 %) > Pb (35 %) > Zn (33 %) ≈ Cd (32 %) > Ni (28 %) = Co (28 %)
    Probe 2: Cu (54 %) ≈ Cd (53 %) > Zn (51 %) > Ni (47 %) ≈ Pb (46 %) ≈ Co (45 %)
    Die Proben zeigten erwartungsgemäß eine besonders hohe Affinität für Cu- und eine geringe für Co-Ionen. Bemerkenswert ist die Steigerung der Selektivität für Cd-Ionen mit zunehmendem Substitutionsgrad. Die stark substituierte Probe konnte 21 % mehr Cd-Ionen anreichern als die niedrig substituierte Probe unter gleichen Bedingungen und lag damit sogar im Bereich der Cu-Beladung.
  5. Um die Matrixeinflüsse noch genauer zu untersuchen, wurden diese zeitabhängigen Batchversuche mit sechs unterschiedlich substituierten Proben und der Vergleichsprobe TP 207 wiederholt. Die Untersuchungen zum Einfluss des unterschiedlichen Substitutionsgrades beim pH-Wert 5 ergaben folgende Resultate: Die niedrig substituierte Probe 1 zeigte eine stark ausgeprägte Selektivität für die einzelnen Metallionen. Ihre durchschnittliche Beladung war mit unter 2,5 mmol/g jedoch deutlich niedriger als bei allen anderen untersuchten Proben. Für die kommerziell erworbene Vergleichsprobe TP 207 wurden kaum unterschiedliche Selektivitäten und Kapazitäten für die untersuchten Metallionen registriert. Die Kapazitäts- und Selektivitätsunterschiede waren außerordentlich gering. Die Beladung lag relativ konstant bei ca. 2,63 mmol/g und die Auslastung der TK bei durchschnittlich 80 % (Cu 95 %). Die stark substituierten Proben 2 (TK/N 1,857) und 5 (TK/N 1,690) erzielten durchschnittliche Beladungen von 3 mmol/g. Sie zeigten aber geringere Selektivitäten als die niedrig substituierte Probe 1. Vergleicht man die Sorptionskinetik der Proben im Laufe der Beladung, so sind kinetische Vorteile für die niedrig substituierten Proben 1 und 3 festzustellen. Aus den zeitabhängigen Kurven geht hervor, dass die Aufnahme der Schwermetalle insgesamt von einer vergleichsweise langsamen Kinetik kontrolliert wird. Erst nach 5 h stagnierte die Konzentration und das Gleichgewicht wurde erreicht. Die Einstellung des Gleichgewichtes verlief bei der stark substituierten Probe 2 am langsamsten, was auf deren hohe Funktionalisierung und der damit verbundenen schlechteren Zugänglichkeit der Poren für den Ionenaustausch einerseits und deren bessere Bindung zu Ca-Ionen der Einsatzform andererseits zurückzuführen ist.
  6. Diesen statischen Versuchen folgten dynamische Untersuchungen im Säulenverfahren. Ziel der Säulenversuche war die Ermittlung des Durchbruchverhaltens und der Durchbruchkapazität (DBK) der Proben bei optimalem pH-Wert in Abhängigkeit vom Substitutionsgrad gegenüber den Einzelmetallionen (Cu, Ni, Zn) und ausgewählten Paaren (Cu/Ni, Cu/Zn, Ni/Zn). Unter Berücksichtigung der im Batchverfahren erzielten Ergebnisse wurden für die Säulenversuche die leistungsfähigsten Proben 2 (TK/N 1,857), 3 (TK/N 1,315) und 5 (TK/N 1,690) ausgewählt, da diese die unterschiedlichen Substitutionsgrade gut repräsentieren. Um möglichst praxisnahe Bedingungen zu simulieren, wurde den Beladungslösungen vorab zusätzlich eine konstante Salzfracht (1g/L Ca) zugesetzt.
  7. Die Bestimmungen der Einzelelemente (Cu, Ni, Zn) im Säulenverfahren beim pH-Wert 5 ergab folgende Ergebnisse: Alle Proben sind durch eine hohe Cu-Affinität gekennzeichnet. Die erzielten DBK und Eluatkonzentrationen heben sich – entsprechend der hohen Komplexstabilität der gebildeten Cu-Chelatkomplexe – deutlich von den anderen untersuchten Metallionen ab. Die besten Ergebnisse bis zum Durchbruch der untersuchten Metallionen erzielte die Probe 5. Sie ist durch einen mittleren Substitutionsgrad gekennzeichnet, bei dem 84,5 % der Ankergruppen mit IDE-Gruppen belegt sind. Die schlechteste Auslastung der nutzbaren Kapazität erfolgte erwartungsgemäß bei der niedrig substituierten Probe 3, die nur über 65,8 % IDE-Ankergruppen verfügt. Eine direkte Abhängigkeit des Durchbruchs von der Höhe des Substitutionsgrades der Proben ließ sich nicht feststellen. Nicht zu erwarten waren die außerordentlich schlechten Leistungen der am stärksten funktionalisierten Probe 2 bis zum Durchbruch. Hier ergibt sich eine Diskrepanz zwischen dem hohen Substitutionsgrad – 92,9 % der Ankergruppen sind mit IDE-Gruppen belegt – und der relativ niedrigen nutzbaren Kapazität. Diese war ca. 10 % niedriger als bei der Probe 5 mit mittlerem Substitutionsgrad. Die Beobachtung des Durchbruchverhaltens belegt, dass sich die nutzbare Kapazität nicht proportional mit Steigerung des Substitutionsgrades erhöht, sondern bei sehr starker Substitution wieder sinkt. Die sehr hohe Funktionalisierung führt zu sterischen Behinderungen, wodurch deren funktionelle Gruppen für einen Ionenaustausch schlechter zugänglich sind. Das führt wiederum zu einer Verzögerung des Ionenaustausches.
  8. Die Säulenversuche an ausgewählten Paaren (Cu/Zn, Cu/Ni und Ni/Zn) wurden analog der Einzelelement-Untersuchungen durchgeführt. Dafür wurde jeweils die Hälfte der jeweiligen Metallionen-Konzentration und ein Fremdionenzusatz von 1 g/L Ca vorgeben. In Form von Durchbruchkurven konnten ausgeprägte Konkurrenzeffekte der Metallionen um die Sorptionsplätze beobachtet werden. Die DBK der konkurrierenden Paare wurde erreicht, wenn eines der Ionen den Durchbruchpunkt übersteigt. Alle Proben zeigten eine große Affinität für Cu-Ionen, da diese viel später als Ni- und Zn-Ionen durchbrechen. Sowohl bei der Cu/Zn- als auch bei der Cu/Ni-Beladung wurden die Zn- oder Ni-Ionen von den IDE-Austauschern verdrängt. Sie sind die für den Durchbruch ausschlaggebenden Ionen und bestimmen den Zeitpunkt des Säulendurchbruchs. Die Ablaufkonzentrationen stiegen stark an, erreichten deutliche Maxima oberhalb der Zulaufkonzentration und näherten sich anschließend den Werten der Zulaufkonzentration an. Die Proben wurden bis zum Durchbruch von 50 % der Zulaufkonzentration im Ablauf beladen und anschließend mit 2 m HCl eluiert. Die Gesamt-Eluat-Konzentrationen belegen die beobachteten Verdrängungseffekte. Nur 15 % der Ni- und 1 % - 3 % der Zn-Ionen wurden nicht durch Cu-Ionen von den Ionenaustauschern verdrängt.
  9. Ein Vergleich der DBK der unterschiedlich substituierten Proben bestätigte die Ergebnisse der vorausgegangenen Säulenversuche der Einzelelemente. Die DBK der Vergleichsprobe TP 207 lag für die drei ausgewählten Paare im Bereich der niedrig substituierten Probe 3. Die beste Auslastung bis zum Durchbruch wurde, analog der Einzelelement-Untersuchungen, von der Probe 5 mit mittlerem Substitutionsgrad erreicht. Die stark substituierte Probe 2 erreichte insgesamt die geringste DBK. Sie lag bei der Ni/Zn-Beladung ca. 13 %, der Cu/Zn-Beladung ca. 11 % und bei der Cu/Ni-Beladung 5 % unter der DBK von Probe 5.
  10. Parallel zu den Batch- und Säulenversuchen wurden Untersuchungen zur Charakterisierung der Matrix durchgeführt. Die Ergebnisse der N2-Sorptions- und Hg-Intrusions-Messungen zeigen für die niedrig substituierte Probe 3 (TK/N 1,315) ein ca. 4 % größeres Porenvolumen als bei der höher substituierten Proben 5 (TK/N 1,690) und der Vergleichsprobe TP 207 (TK/N 1,754). Im Makroporenbereich war für die Probe 3 ein ausgeprägtes Peakmaximum zu erkennen, wobei sich das Porenspektrum nicht änderte. Die spezifischen Oberflächen aller Proben lagen im Bereich von 36,7 m2/g – 37,8 m2/g und der mittlere Porendurchmesser zwischen 52 nm und 54 nm. Es handelt sich vorwiegend um zylindrische Poren mit leichter Tendenz zu Flaschenhalsporen. Es wurden elektronenmikroskopische Untersuchungen (REM-EDX) der Proben 5 und TP 207 für Ni-Ionen und das konkurrierende Ionenpaar Ni/Zn durchgeführt. Um eine Vergleichbarkeit und praxisgerechte Beladung zu gewährleisten, wurden die Proben bis zu einem Durchbruch von
    10 % der Zulaufkonzentration im Ablauf beladen und die Perlen aus der oberen gesättigten Zone der Säule entnommen. Die Elementkontrastgrafiken zeigen eindeutig, dass unter den vorgegebenen Bedingungen vorwiegend die äußeren Schichten der Austauscherperle – bis zu einer Tiefe von 200 µm – an den Austauschvorgängen beteiligt sind. In der Kernzone (Durchmesser ca. 200 µm) verlaufen die Konzentrationsprofile (Ni, Zn) gegen Null, d. h. die Kernbereiche nehmen nicht oder nur gering am Ionenaustausch teil.

Die in dieser Arbeit erzielten Ergebnisse hinsichtlich des Einflusses der Adsorptionsbedingungen und des Substitutionsgrades der Matrix sind von praktischer Relevanz und bilden die Grundlage für weitergehende Arbeiten im halbtechnischen oder technischen Maßstab mit realen Abwässern.

Aus wirtschaftlicher Sicht ist eine vollständige Regenerierung und Wiederverwendung des IDE-Austauschers mit mittlerem Substitutionsgrad von entscheidender Bedeutung. Zukünftige Arbeiten müssen das Ziel verfolgen, die verbliebene Restbeladung durch Optimierung der Elutionsbedingungen auf ein Minimum zu reduzieren.


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21.05.2007