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HiN III, 5 (2002)
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Gerhard Kortum
“Alexander von Humboldt” als Name für Forschungsschiffe vor dem Hintergrund seiner meereskundlichen Arbeiten
3. Benennungstraditionen bei deutschen Forschungsschiffen
In der Seefahrt hält man heute noch viel auf Tradition, auch bei Schiffsnamen. So sind Schiffe immer noch grammatikalisch gesehen weiblich, es heißt also “die Humboldt”.
In Deutschland gibt es bei der Namensgebung von Forschungsschiffen einige bisher meist beachtete Grundsätze, die natürlich Schülern bei Vorschlägen für einen Namen nicht bekannt sein dürften. Danach sollten erstens alte Namen auf Ersatzbauten übergehen (Beispiele: ”Meteor”, “Planet”, ”Atair”, ”Deneb”, “Gauss”, “Heincke”, “Poseidon”,” Herwig” u.a.) und zweitens - sofern nicht die in Deutschland traditionelle Namensgebung nach Gestirnen (“Atair”, ”Alkor”, ”Sonne”, ”Komet”, “Planet”, “Deneb” ,”Wega”, auch hierzu “Meteor”) herangezogen wird, Personennamen nur bei auch international hoch angesehenen und unumstrittenen Gelehrten nach einem längeren Zeitabstand verwendet werden sollten (vgl. auch britisches Schiff “Charles Darwin”, “Gauss”, “ Humboldt”, ”Hensen”, “Heincke”, “Herwig”).
Es war die DDR, die die Namen führender alter deutscher Meeresforscher wie Otto Krümmel, Albrecht Penck und Alfred Merz für recht unscheinbare Küstenfahrzeuge heranzog. Man hielt etwas auf Traditionen und achtete im wissenschaftlichen Bereich weniger auf die politische Gesinnung der Namensgeber.
Namen sind Schall und Rauch, sagt man. Oder: Das Kind muss einen Namen haben. Auf der anderen Seite gilt die lateinische Weisheit: Nomen est Omen. Das betrifft insbesondere auch die Benennung von Schiffen. Dies gilt auch für Forschungsschiffe, die von staatlichen Stellen betrieben werden. Hierbei spielen gewisse Benennungstraditionen und die Geschichte der Meereswissenschaften eine Rolle.
Um das Fazit bereits vorwegzunehmen: Möge es immer ein Schiff in der deutschen Forschungsflotte mit dem Namen des großen deutschen Naturwissenschaftlers Alexander von Humboldt (1769-1859) geben. Er war ein Sohn Berlins, heute wiederum aufblühende und dynamische deutsche Hauptstadt, und hatte besondere, erst in neuerer Zeit besser bekannt gewordene Interessen für alle Bereiche der Meereskunde. Auch wegen seines internationalen Ansehens und der bis heute anhaltenden Wirkung seiner Werke ist es sehr wohl angezeigt, ein deutsches Forschungsschiff nach diesem interdisziplinär ausgerichteten und kosmopolitisch agierenden Naturforscher zu benennen. Schließlich sind auch in Peru und Mexiko Forschungsschiffe mit dem Namen “Humboldt” im Dienst. Möge nicht die alte Spruchweisheit zutreffen: “Der Prophet gilt nichts im eigenen Lande”.
Eine Beziehung zu Südamerika hat auch der folgende Exkurs: Eigentlich wird das neue Eisrandschiff auch die alte “Valdivia” ersetzen, die zur Zeit unter Bahama-Flagge fährt und in “Kommander Jack” umbenannt wurde. Einer Benennung nach “Valdivia” ist entgegenzuhalten, dass ungeachtet der wissenschaftlichen Verdienste der beiden Namensvorgänger diese Benennung aus folgenden Gründen nicht für den Neubau herangezogen werden sollte:
Der Name “Valdivia” hat direkt nichts mit dem deutschen Kulturraum zu tun. Vielmehr wurde diese mittelchilenische Hafenstadt nach dem spanischen Konquistadoren Pedro de Valdivia (1497-1553) benannt, der seit 1530 unter Pizarro an der blutigen Eroberung Perus teilnahm und 1540 selbst die Eroberung Chiles durchführte. Er gründete 1552 als Statthalter die nach ihm benannte Stadt und wurde im Folgejahr im Kampf mit den eingeborenen Araukanern getötet. - Seit Mitte des 19. Jhds. war Valdivia Mittelpunkt der deutschen Einwanderung und Kolonisation in Chile. Dies kann aber kein Argument dafür sein, hiernach ein deutsches Forschungsschiff zu benennen. Ein fragwürdiger spanischer Eroberer der frühen Kolonialzeit ist als Namenspatron ebenfalls abzulehnen.
Nachdem die in den letzten Jahrzehnten von der Universität Hamburg betriebene “Valdivia” 1999 nach Schottland verkauft und inzwischen auch umbenannt wurde, ist ohnehin ein Kontinuitätsbruch vorhanden. Der geplante Neubau soll hingegen als Ersatzbau für das IOW-Schiff “A. v. Humboldt” beantragt und finanziert werden. Der Heimathafen soll in Mecklenburg-Vorpommern liegen. Damit ist diese Benennung sehr viel nahe liegender.
Die bisherigen für die deutsche Meeresforschung eingesetzten Schiffe mit dem Namen “Valdivia” gehörten privaten Reedereien und wurden vom Staat gechartert (“Valdivia” II bis zur Übernahme durch die Universität Hamburg). Beide Schiffe wurden für diese Aufgaben umgerüstet, aber waren nicht als Forschungsfahrzeuge geplant.
Das erste für die deutsche Meeresforschung eingesetzte Schiff mit dem Namen “Valdivia” (Name zunächst “Tijuca”) war 1886 auf einer englischen Werft gebaut worden und war, zuletzt im Dienst der Hamburg-Amerika-Linie, bis zur Deutschen Tiefsee-Expedition unter dem Breslauer Zoologen Prof. Dr. Carl Chun als Fracht- und Auswandererschiff nach Brasilien und zum La Plata im Einsatz. Nach einigen Umbaumaßnahmen verließ die “Valdivia” 1898 Hamburg. An dem ersten Fahrtabschnitt bis Edinburgh (31. Juli - 3. August) war auch John Murray mit an Bord, der an der britischen “Challenger“-Expedition teilgenommen hatte und nun mit der Herausgabe des Expeditionswerkes beschäftigt war. Für die Ozeanographie war Gerhard Schott von der Deutschen Seewarte an Bord zuständig. Die interdisziplinär angelegte Deutsche Tiefsee-Expedition kehrte nach 32.000 sm am 1. Mai 1899 wieder zurück und erbrachte wichtige wissenschaftliche Ergebnisse. Die Arbeiten im Atlantischen und Indischen Ozean wurden auch international sehr beachtet (zur Reise vgl. CHUN 1900 und das 24 Bände umfassende Expeditionswerk).
70 Jahre später lebte der Name “Valdivia” in der Forschungsschifffahrt wieder auf. Am 16. März 1970 wurde das Fischereischiff “Vikingbank” von der VTG Vereinigte Tanklager und Transportmittel GmbH, Hamburg, und der Unterweser Reederei, Bremen für die marine Rohstoffforschung gemäß dem Gesamtprogramm Meeresforschung von 1969 erworben und umgebaut. Die Umbenennung erfolgte vor der Werftprobefahrt am 3. Dezember 1970. In den folgenden Jahren wurden mit der “Valdivia” im Auftrag der Preussag und der Bundesanstalt für Bodenforschung zahlreiche Fahrten zur Exploration von Erzschlämmen im Roten Meer und Manganknollen im Pazifik durchgeführt. Während der Charterzeit der “Valdivia” bis 1979 durch das Bundesministerium für Forschung und Technologie wurde das Schiff überwiegend für Forschungsaufgaben im Zusammenhang mit dem Vorkommen, der Entstehung und möglichen Förderung von Rohstoffen eingesetzt (REINKE-KUNZE, 1986, S. 77).
Am 1. April 1982 wurde das Rohstoffforschungsschiff an die Freie und Hansestadt Hamburg verkauft und ist seitdem hauptsächlich für die Hamburger Meeresforschung von der Nordsee bis zum nördlichen Eisrand im Einsatz. Die bisherigen Aufgaben wurden von der “Sonne” übernommen (ehemals als Heckfang- und Fabrikschiff 1969 von der Rickmers- Werft für die Hochseefischerei Nordstern AG gebaut).
Die “Valdivia” wurde im Sommer 1999 an eine britische Survey-Firma verkauft und fährt heute unter der Flagge Bahamas mit dem Namen “Kommander Jack”. Damit verringert sich absprachegemäß die Zahl der mittelgroßen Forschungsschiffe in Deutschland. Übergangsweise werden die Hamburger Fahrten nunmehr u.a. auf Kieler Schiffen durchgeführt.
Schiffe mit dem Namen “Humboldt ”- Eine Auswahl
3.1 Die Dreimastbark mit den grünen Segeln: Ein Jugendschulschiff
3.2 Humboldts eigene Vorstellung von einem Forschungsschiff
3.3 Das Fischereiforschungsschiff "Alexander von Humboldt" (1939)
3.4 Das Akademie- bzw. IOW-Forschungsschiff "Alexander von Humboldt"
3.5 Das peruanische Fischereiforschungsschiff "Humboldt"
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