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HiN III, 5 (2002)
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Gerhard Kortum
“Alexander von Humboldt” als Name für Forschungsschiffe vor dem Hintergrund seiner meereskundlichen Arbeiten
3.1 Die Dreimastbark mit den grünen Segeln: Ein Jugendschulschiff
3.2 Humboldts eigene Vorstellung von einem Forschungsschiff
3.3 Das Fischereiforschungsschiff "Alexander von Humboldt" (1939)
3.4 Das Akademie- bzw. IOW-Forschungsschiff "Alexander von Humboldt"
3.5 Das peruanische Fischereiforschungsschiff "Humboldt"3.4 Das Akademie- bzw. IOW-Forschungsschiff “Alexander von Humboldt”
Das zweite deutsche Forschungsschiff mit dem Namen “Alexander von Humboldt” war vor der Wiedervereinigung das DDR-Akademieschiff und fährt zur Zeit (neben dem kleineren Forschungsschiff “Professor Albrecht Penck”) für das Institut für Ostseeforschung Warnemünde.
IOW-Forschungsschiff „Alexander von Humboldt“. Foto: Kortum
Dieses Schiff gehört zu den vier mittelgroßen Forschungsschiffen, die gegenwärtig im Pool zusammen gefasst sind. Es soll durch das neue Eisrandschiff ersetzt werden und 2004 außer Dienst gestellt bzw. verkauft werden, wenn der Neubau vom Stapel läuft.
Zunächst ist auf einen heute nahezu in Vergessenheit geratenen gesamtdeutschen Zusammenhang hinzuweisen, der sich aus den Vorgängen ergibt, die chronologisch in der Übersicht “Der lange Weg zur ersten Expedition” von H. Weidemann in Verbindung mit den Vorbereitungen zum Bau des Forschungsschiffes “Meteor” (II: 1964-1985) zusammengefasst wurden. Danach wurde die Namensgebung für das neue Schiff in der wissenschaftlichtechnischen Baukommission und in anderen Gremien lange zurückgestellt. Erst am 2. April 1962 wurde auf der 5. Sitzung der Senatskommission der DFG im Deutschen Hydrographischen Institut (DHI) nach der Festlegung der Termine (Kiellegung Sommer 1962, Stapellauf Dezember 1962, Fertigstellung Juni 1963, Abnahme Juli 1963, Erprobung Biscaya September 1963, Kuppenfahrt Oktober - Dezember 1963, danach Indischer Ozean) diese Frage angesprochen: ”Erstmals wird über den Schiffsnamen diskutiert. Der ursprünglich in Erwägung gezogene Name ‘Alexander von Humboldt’ wird wieder verworfen, weil inzwischen in der DDR ein Schiff dieses Namens existiert. Mit der Bitte um weitere Vorschläge wird die Frage bis zur nächsten Sitzung vertagt”. Am 29.10.1962 ergibt dann eine Abstimmung auf der 6. Sitzung der Senatskommission, wiederum im DHI, ein klares Votum für “Meteor”. (Deutsche Forschungsgemeinschaft / Deutsches Hydrographisches Institut 1985, S. 18-19).
Ein Schiff mit Namen „Alexander von Humboldt“ existierte in der DDR noch nicht, aber die Planungen hierfür waren auf dem Weg, wie BROSIN in seiner ausführlichen Bestandsaufnahme über der Geschichte der Meeresforschung (1996) ausführt. Bereits Ende 1959 war die Akademie der Wissenschaften der UdSSR um Unterstützung für den Plan und ein entsprechender Beschluss des Kuratoriums der Forschungsgemeinschaft der DDR herbeigeführt worden.
„Die Bemühungen um das neue Schiff wurden in den folgenden Jahren weitergeführt. So erfolgte im Januar 1960 bei dem Hauptdirektor der VVB Schiffbau eine Beratung, in der auf den seinerzeit für eine Serienfertigung vorgesehenen Schiffstyp Framo (ca. 1000 BRT, 85 m Länge) und eine mögliche Übergabe im Jahr 1962 orientiert wurde. Auch die im Juni 1960 von der DAW ausgerichtete Tagung von Vertretern der Länder der europäischen und asiatischen Region für das Internationale Geophysikalische Jahr bzw. die Internationale Geophysikalische Kooperation befürwortete die Beschaffung eines größeren Schiffes der DAW für Forschungen in der Nordsee und im Atlantik. Der Vorstand der Forschungsgemeinschaft nahm am 8.2.1961 Kenntnis von einem Beschluss der Klasse für Chemie, Geologie und Biologie zur Einsetzung einer Kommission zwecks Beratung aller mit dem Schiffsneubau verbundenen Fragen. In dieser Kommission sollten Vertreter der Akademie-Arbeitsstelle für Limnologie, der Botanischen Anstalten der Universität Halle und des Zoologischen Museums der Universität Berlin gemeinsam mit Beauftragten des Meteorologischen Dienstes und des Instituts für Hochseefischerei tätig werden. Als Ergebnis weiterer Verhandlungen mit der Neptunwerft Rosstock und der Staatlichen Plankommission war schließlich eine Auslieferung des geplanten Forschungsschiffes im II. Quartal 1966 vorgesehen. Das Schiff sollte „Alexander von Humboldt“ heißen.“ (BROSIN 1996, S. 83).
Der Name war damit sehr frühzeitig festgelegt worden. Die Neubauplanungen blieben dann aber zunächst wegen fehlender freier Werftkapazitäten und Umleitung von Investitionsmitteln ohne greifbaren Erfolg, so dass man nach mehrjährigen Verzögerungen und Überwindung zahlreicher administrativer Hemmnisse andere Wege gehen musste.
„Nach dem kurzfristigen Entscheid über die Einstellung der seegeophysikalischen Arbeiten auf dem Festlandssockel der DDR war Anfang 1970 die 1966 aus einer Serie von Zubringertrawlern für diese Untersuchungen entnommene „Georgius Agricola“ (64,0 m Länge, 1750 PS) verfügbar, die allerdings nicht für ozeanographische Forschungen ausgerüstet war. In schwierigen Verhandlungen, in denen auch Bedenken der Akademieleitung zu einer möglichen Überforderung des Instituts für Meereskunde mit der Auslastung des Schiffes ausgeräumt werden mussten, gelang es, die kostenlose Umsetzung des Schiffes an die Akademie der Wissenschaften zu erreichen. Das Ministerium für Wissenschaft und Technik stellte für die nicht geplanten erhöhten Betriebskosten 1,1 Millionen Mark zur Verfügung. 10 fehlende Planstellen für Besatzungsmitglieder mussten von Forschungsbereich Kosmische Physik aus seinem Bestand an unbesetzten Stellen abgegeben werden.
Am 1.5.1970 wurde die „Georgius Agricola“ vom Institut für Meereskunde übernommen und in Anknüpfung an frühere Vorschläge in „A. v. Humboldt“ umbenannt. Mit dem neuen Namen sollte zugleich der Bezug zum früheren Einsatz des Schiffes in der Rohstofferkundung abgebrochen werden. Bereits mit der Übernahme des Schiffes begannen die Bemühungen zum Umbau. (Vor allem wegen fehlender Konstruktions- und Schiffbaukapazität war die Rekonstruktion aber erst von Juli 1977 bis Oktober 1978 möglich). Nach provisorischer Umrüstung erfolgte vom 1.7.-23.11.1970 die erste Expedition in das nordwestafrikanische Auftriebsgebiet. An der Expedition nahmen auch Mitarbeiter der Sektion Biologie der Universität Rostock und des Instituts für Hochseefischerei teil. An den folgenden Expeditionen waren ebenfalls Meeresbiologen der Rostocker Universität beteiligt.“ BROSIN, 1996, S. 106).
Es folgten bis Frühjahr 1976 insgesamt sieben Fischereiforschungsfahrten vor Nordwestafrika und später mehrere Fahrten der „A. v. Humboldt“ in das küstennahe Auftriebsgebiet vor Namibia. Auch an internationalen Programmen nahm das DDR-Schiff im Atlantik teil, so im Sommer 1974 an GARP (Atlantisches Tropisches Experiment des Globalen Atmosphärischen Forschungsprogramms). Ferner wurden meeresgeologische Arbeiten im Atlantik durchgeführt. In der Ostsee war die Beteiligung an der Durchführung des Internationalen Ostseejahres (IBY) 1969/70 ein Schwerpunkt im Hausmeer vor der Küste der DDR.
Mit Jahresbeginn 1992 wurde das Schiff dem neu gegründeten Institut für Ostseeforschung in Warnemünde zugeordnet (Bereederung seit 1.7.1992 durch BMS, Baltic Marine Services GmbH).
Die Hauptabmessungen der “Alexander von Humboldt” sind:
BRZ (Bruttoraumzahl): 1249, NRZ (Nettoraumzahl): 374, L.ü.a. 64,23 m, Länge 56,15 m, Breite 10,60 m, Tiefgang 4,95 m, Reisegeschwindigkeit 10 kn, Höchstgeschwindigkeit 12 kn, Reiseradius ca. 12.700 sm, Standzeit in See ca. 50 Tage.
Seit der Vereinigung ist vielen deutschen Meeresforschern die “Humboldt” als solide Arbeitsplattform in der Ostsee wohlbekannt. Eigentümer des Schiffes ist das Land Mecklenburg-Vorpommern, das nun auch federführend bei der Beauftragung des Ersatzbaues ist und einen höheren Finanzierungsanteil als die anderen Pool-Partner an der Küste leistet.
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