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HiN III, 5 (2002)
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Gerhard Kortum
“Alexander von Humboldt” als Name für Forschungsschiffe vor dem Hintergrund seiner meereskundlichen Arbeiten
2. Hintergrund und Anlass: Schülerwettbewerb “Schiff sucht Namen”
Ein neues deutsches Forschungsschiff befindet sich zur Zeit in der Planung, der Bauauftrag wurde inzwischen an eine deutsche Werft erteilt. Seit einigen Monaten ist nun für die breite Öffentlichkeit “amtlich”, was in der wissenschaftlichen Gemeinschaft der Meeresforscher zwischen Bremen und Rostock wegen intensiver Beteiligung an der Begründung der Notwendigkeit und technischen Vorplanung nahezu jeder weiß. Am 17.11.2001 meldete dpa aus Kiel/Berlin und Warnemünde: “Die Küstenländer und der Bund haben sich auf den Neubau eines Forschungsschiffes verständigt. Das Bundesforschungsministerium teilte gestern mit, die Kosten für das Schiff würden auf rund 100 Millionen DM geschätzt. 75 % der Baukosten übernimmt der Bund. Den Rest finanzieren Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Bremen. Stationiert wird das neue Schiff am Institut für Ostseeforschung in Warnemünde”.
Im Zusammenhang der von der Bund-Länder-Kommission “Deutsche Forschungsflotte” vorgesehenen organisatorischen Umstrukturierung (Schiffspool Mittelgroße Forschungsschiffe) und der hiermit verbundenen Neubauplanung für ein eisrandfähiges neues deutsches Forschungsschiff sind inzwischen Planungsentwürfe erstellt. Ein Gremium (Wissenschaftlich-Technischer Fachausschuss) hat das Anforderungsprofil als Grundlage der Ausschreibung bereits nach Rücksprache mit den zukünftigen Nutzern im Rahmen einer von der Senatskommission für Ozeanographie der Deutschen Forschungsgemeinschaft erstellten allgemeinen Begründung weitgehend festgelegt.
Danach soll das rd. 94 m lange und 18 m breite multidisziplinär einsetzbare neue Schiff in der Ost- und Nordsee und im Nordatlantik bis zu seinen Eisrandbereichen eingesetzt werden, für eine Expedition etwa 35 Tage Standzeit in See haben und bei einer Reichweite von ca. 7.500 sm mit wissenschaftlicher Zuladung von bis 150 t eine Gruppe von bis zu 22 Eingeschifften Arbeitsmöglichkeiten bieten, wie sie bisher von keinem “mittelgroßen” Schiff der deutschen Flotte verfügbar gemacht werden. Bei einer Breite um 16,50 m und einem Tiefgang von 6 m ist mit einer Vermessung von etwa 3.000 BRZ (Bruttoraumzahl) zu rechnen. In einer Pressemitteilung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vom 7.8.2002 wurde die Auftragsvergabe an die Kröger-Werft in Rendsburg bekannt gegeben.
Offiziell läuft das neue Schiff in der Planung zunächst unter der vorläufigen Projektbezeichnung “Eisrandforschungsschiff” oder “Ersatzbau Alexander von Humboldt”. Anfangs war in einer Projektskizze auch der Name “Valdivia II” im Gespräch, denn der Neubau soll nicht nur die bisher für das Institut für Ostseeforschung in Warnemünde laufende “Alexander von Humboldt” ersetzen, sondern auch das bereits für die Belange der deutschen Meeresforschung außer Dienst genommene Forschungsschiff “Valdivia” der Universität Hamburg.
Über die Namensgebung für das neue Schiff wurde lange aber nicht entschieden. Wichtiger war zunächst, die Finanzierung sicherzustellen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat im Rahmen der PR-Aktivitäten zum Jahr der Geowissenschaften 2002 unter dem Motto “Planet Erde” nun einen Jugendwettbewerb zur Namensfindung (“Schiff sucht Namen...”) über das Internet initiiert und Schülerinnen und Schüler um begründete Vorschläge gebeten. Einsendeschluss hierfür war der 19. Juli 2002. Es gingen über 300 Vorschläge ein. Diese Vorschläge wurden zur endgültigen Namenswahl von Meereswissenschaftlern und dem BMBF bewertet. Unter den Vorschlägen fand sich natürlich auch wieder der Name “Alexander von Humboldt”, oder besser kürzer “Humboldt”, denn es entspricht einer alten, bei der Marine und in der Forschungsschifffahrt gepflegten Tradition, bei neuen Ersatzbauten die Namen der außer Dienst gestellten Einheiten zu übernehmen (hierzu allgemein: REINCKE-KUNZE 1986 und WEGNER 2000).
Zur Begründung dieser Benennung wurden von Seiten der Meereswissenschaftler mehrere wissenschaftliche und historische Argumente aufgeführt.
Bei Ersatzbauten werden meist die Namen weitergeführt.
Es gibt in der deutschen Forschungsschifffahrt gewisse Benennungstraditionen.
Der Name “Humboldt” ist bereits mehrfach für Forschungsschiffe verwendet worden.
Eine Verwechslung mit diesen oder der Bremer Dreimastbark “Alexander von Humboldt”, einem Jugendausbildungsschiff, ist nicht zu erwarten.
Das neue Forschungsschiff wird in Mecklenburg-Vorpommern (Rostock) beheimatet sein. Auch in der Ostsee hat Humboldt ozeanographische Untersuchungen durchgeführt. Er war auch mehrmals auf Rügen und in Greifswald und hatte durchaus eine besondere Beziehung zu diesem Raum.
Humboldt gehört zweifellos zu den großen Pionieren der Meeresforschung und hat im Nordatlantik und im östlichen tropischen Pazifik selbst ozeanographisch wichtige Temperaturmessungen durchgeführt. Diese Arbeiten sind aber bisher zu wenig beachtet worden. In seinen Schriften finden sich zahlreiche meereskundliche Abschnitte. Das Meer gehört als großes Stück Natur wie selbstverständlich in sein Konzept vom “System Erde”.
Die vielfältigen Gedenkveranstaltungen 1999 haben erneut die fortwährende Bedeutung des Humboldtschen Gesamtwerkes betont. Auch international steht sein Name weiterhin für vernetzte und innovative Naturforschung zum Wohle der Menschheit. Sein wissenschaftliches Erbe ist keineswegs antiquiert, sondern zeitlos und spricht gerade auch die Jugend heute noch an.
Indes, die Diskussion um den Namen nahm leider einen anderen Verlauf: In der Leitung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung wurde im August 2002 nach Auswertung der eingereichten Namensvorschläge entschieden, nicht auf den Traditionsnamen „Humboldt“ zurückzugreifen, sondern die Benennung nach einer Frau den Vorzug zu geben. Das neue Schiff wird „Maria Sibylla Merian“ heißen. Vorgeschlagen wurde dieser Name von einem neunjährigen Schüler aus Lorch. Maria Sibylla Merian war eine Forscherin, Malerin und Entdeckungsreisende. Sie wurde 1647 in Frankfurt am Mein geboren. 1679 veröffentlichte sie den ersten Band der „Erucarum ortus, alimentum et paradoxa metamorphosis“ („Der Raupen wunderbare Verwandlung und sonderbare Blumennahrung).
Nach ihrem Umzug in die Niederlande kam M.S. Merian dann in Kontakt zu Naturforschern wie dem Mikroskopbauer Antoni van Leeuwenhoek. 1699-1701 begab sie sich auf eine Schiffsreise nach Surinam, von wo sie hunderte Zeichnungen der tropischen Insektenwelt mitbrachte. Eine schwere Malariaerkrankung zwang sie zur vorzeitigen Rückkehr nach Amsterdam. Dort veröffentlichte sie 1705 die „Metamorphosis insectorum Surinamensium“ („Metamorphose der Surinamesischen Insekten“). M. S. Merian starb 1717 in Amsterdam.
Ihre Arbeiten beeinflussten die Naturforschung der Folgezeit. Carl von Linné zum Beispiel zählt sie zu „den Unsterblichen“. A. v. Humboldt allerdings erwähnt Frau Merian nicht in seinem hervorragenden Überblick der „Geschichte der physischen Weltanschauung“ im Band 2 des Kosmos (1847). Die Entscheidung gegen Humboldt und für Merian stieß bei den Meereswissenschaften in Deutschland zunächst auf Unverständnis, denn mit dem Meer hatten die Naturforschungen von Frau Merian nichts zu tun. Immerhin war sie aber – wie 100 Jahre später A. v. Humboldt – über See nach Südamerika gefahren.
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