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Gespiegelte Fassung auf dem Publikationsserver der Universität Potsdam
Stand: 12. August 2005
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„Entziehen Sie uns nicht Ihren Rath.“

Eine Studie zum Briefwechsel Alexander von Humboldts mit den Ehefrauen berühmter Gelehrter.

 

Ina Lelke (Ina.Lelke@berlin.de)

 

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5 Resümee

5.1. Bemerkungen zur Bedeutung der Korrespondenzen für Alexander von Humboldt

Die Existenz von Briefen an die Ehefrauen belegt ganz augenscheinlich, dass diese Bestandteil der gelehrten Korrespondenzen waren. Trotzdem sind sie aus den großen Briefeditionen häufig ausgespart worden, teilweise unter dem Vorbehalt, dass sie profane Themen zum Inhalt hätten. Damit beschnitt sich die Forschung aber gerade um den familiären und häuslichen Aspekt damaligen, wissenschaftlichen Arbeitens.

Am Beispiel der untersuchten Korrespondenzen zeigte sich jedoch, dass die Briefe durchaus in die wissenschaftsorganisatorischen Pläne und Unternehmungen Alexander von Humboldts einzuordnen sind. Persönliche Bekanntschaften spielten für Humboldt eine maßgebliche Rolle und er verstand es, sie in seine Arbeiten zu integrieren. Ob er nun die Witwe Dietz unterstützte, damit sie aus dem Werk ihres Mannes publizieren könne, ob er Hedwig von Olfers oder Lucie Laugier um Informationen oder Gefälligkeiten für das Kosmos-Werk bat – Humboldt nutzte die Briefwechsel als Ressource und schätzte sie auch als solche. Er war über die jeweilige häusliche Situation der Gelehrten zumeist bestens unterrichtet und nahm deshalb auch zur Kenntnis, inwieweit bestimmte Frauen in das Lebenswerk ihrer Ehemänner involviert waren. Ausgehend von dem Briefwechsel Humboldts konnte ich daher verschiedene Formen der Beteiligung von Ehefrauen am Werk ihrer Männer feststellen. Stark typologisiert lassen sie sich in drei Gruppen unterteilen, in:

1.       Mitarbeiterinnen, die an der Seite ihrer Ehemänner praktizierten

2.       „Mittlerinnen“, die im geselligen Rahmen den Gelehrten eine Möglichkeit zur gegenseitigen Kenntnisnahme boten

3.       und in die durch den besonderen Status markierte Gruppe der Witwen, die für die memoria ihrer verstorbenen Ehemänner wirkten oder wirken mussten

Alexander von Humboldt wusste auch deshalb mit ihnen zu korrespondieren, weil Frauen - wie z.B. Lucie Laugier – eine Verbindung zwischen den gelehrten Kreisen herstellen konnten, solange Wissenschaft als Familienbetrieb funktionierte.

5.2. Ausblick | (zum Anfang)

Insgesamt konnte ich bezüglich für ca. vier von insgesamt 15 Korrespondenzpartnerinnen darauf zurückschließen, dass sie am Lebenswerk ihrer Ehemänner beteiligt waren. Die restlichen Stichproben ergaben insofern keine Anhaltspunkte, da oftmals nur kurze Grüße oder Einladungen an die Ehepartnerinnen ausgesprochen wurden. Die Antwortbriefe der Ehefrauen fehlten häufig ganz und waren aufgrund der unzureichenden Editionslage zumeist nicht zugänglich. Sie müssten einzeln in den entsprechenden Nachlässen recherchiert werden. Demzufolge ist nicht auszuschließen, dass bei umfassenderen und längerfristigen Studien weitere Hinweise gefunden werden. Als vielversprechend erscheint mir insbesondere eine tiefergehende Untersuchung zu den Beiträgen Minna Mädlers und Lucie Laugiers. Die Ergebnisse meiner Arbeit deuten darauf hin, dass der Anteil ihrer Leistungen bislang hinter dem Forschungswerk der Ehemänner verdeckt blieb.

Bezeichnen die von mir unternommenen Recherchen auch Forschungslücken der Wissenschaftsgeschichte, so kann es meiner Ansicht nach nicht darum gehen, diese einfach nur aufzufüllen. Die Untersuchung der Leistungen von Frauen im Bereich der Wissenschaft kann die Blickrichtung der Fachgeschichte grundsätzlich ändern. So zeigte sich, dass zu Beginn des 19. Jahrhunderts dem Privathaus des Gelehrten eine immense Bedeutung zuzumessen ist, nicht nur als Ort der Arbeit, sondern auch als Ort der Präsentation von Wissen und sozialem Status. Das Privathaus bot Raum für beide Geschlechter (Vgl. auch Gerhard 1978 sowie Habermas 2000), hier wurden Arbeitsbeziehungen, ganze „family networks“ gestiftet (Shteir 1987, S. 41). Familiäre Verbindungen ermöglichten die Umsetzung arbeitsteiliger Projekte. Noch heute erinnern beispielsweise die Namen berühmt gewordener Geschwisterpaare, wie die der Gebrüder Grimm oder der Geschwister Herschel daran. Bis zur Jahrhundertmitte war sogar die Vergabe von Universitätsämtern von familiären Strukturen geprägt (Vgl. Baumgarten 1997). Familiäre Zusammenarbeit wurde durch Eheschließung begründet. So stellte Ann B. Stheir insbesondere für die Frühphase der Botanik in England fest, dass Frauen durch die Ehe sowie durch häuslich-gesellige Verbindungen einen Zugang zur Wissenschaft fanden: “Home was where natural history enthusiast of both sexes and various social classes pursued their hobbies, studying plants, consulting handbooks, and corresponding with the likeminded.” (Stheir 1987, S. 41) Briefkorrespondenzen spiegeln derartige Netzwerke wider und lassen Rückschlüsse auf Gemeinschaftswerke zu, auch wenn diese „öffentlich“, d.h. in Form von Publikationen, als Leistung eines einzelnen, zumeist mit einem universitären Amt betrauten Gelehrten, erschienen. Obwohl Frauen keinen Zugang zu diesen Ämtern hatten, waren sie informell jedoch Teil der gelehrten Gemeinschaft: „Looking at science as a culture, rather than as an intellectual activity, shows that some women were ensconed within a community that formally excluded them.“ (Lindsay 1998, S. 631) Die umfangreichen Briefkorrespondenzen in dem von mir untersuchten Zeitraum sind Ausdruck einer von Familie und Geselligkeit geprägten Wissenschaftskultur und signalisieren darin den Unterschied zu heutigen, professionalisierten Arbeits- und Organisationsformen. Hier böte sich auch ein Ausgangspunkt für weitere Studien zur Organisation und Funktion wissenschaftlicher Arbeit in kultur- und alltagsgeschichtlicher Perspektive.[1]



[1] Vgl. die Ausführungen von M. Ash zu einem neuen Ansatz hinsichtlich der Erforschung von „Wissensräumen“, die von der Geschichte der Forschungspraxis ausgehen (Ash 2000).

 

 

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