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Gespiegelte Fassung auf dem Publikationsserver der Universität Potsdam
Stand: 12. August 2005
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„Entziehen Sie uns nicht Ihren Rath.“

Eine Studie zum Briefwechsel Alexander von Humboldts mit den Ehefrauen berühmter Gelehrter.

 

Ina Lelke (Ina.Lelke@berlin.de)

 

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4. Witwen als Verwalterinnen eines wissenschaftlichen Erbes

Mit dem Verlust des Ehemannes verschloss sich für viele Frauen häufig die Möglichkeit, über dessen Amt ein eigenes Betätigungsfeld zu finden, mitunter setzte sogar der soziale Abstieg ein. Schiebinger schilderte z.B. die Schwierigkeiten der Astronomin Maria Kirch-Winkelmann, die nach dem Tod ihres Mannes gehofft hatte, sein Amt in der Akademie der Wissenschaften übernehmen zu können (Schiebinger 1993, S. 138fff.). Sie hatte sich an der Seite ihres Ehemannes durch eigene Leistungen ausgezeichnet und somit für die offizielle Akademiemitgliedschaft qualifiziert. Doch obwohl alten Zunfttraditionen gemäß ein Anspruch der Witwe auf dieses Erbe berechtigt war, bestimmte die Gelehrtenkorporation einen Mann für die freigewordene Stelle.

Gleichwohl versuchten im 19. Jahrhundert Witwen auf andere, weniger sichtbare Weise die Arbeiten ihrer Ehemänner zu vollenden und trugen damit letztendlich zum Ruhm der bereits verstorbenen Gelehrten bei: Sie ordneten den wissenschaftlichen Nachlass und sorgten dafür, dass er der Öffentlichkeit zugänglich wurde. Beispielsweise publizierte Therese Huber, trotzdem sie geschieden und inzwischen neu verheiratet war, aus dem Briefwechsel des verstorbenen Naturforschers Georg Forster (Vgl. Huber 1829).

Dass Alexander von Humboldt auch Witwen unterstützte und förderte, insbesondere wenn sie ihm persönlich nahe standen, bezeugt am deutlichsten sein Engagement für Henriette Herz. In der Forschung ist seit langem bekannt, dass Humboldt als Berater des Königs eine Pension für die Witwe erwirken konnte (Schmitz 1984, S. 402f.). Henriette Herz verfügte einstmals über einen bedeutenden Salon. An der Seite ihres Ehemannes Markus Herz, der in seinem Haus u.a. Privatvorlesungen über Physik hielt, führte sie dort selbst kleine physikalische Experimente vor. Nach dem Tod ihres gelehrten Mannes war sie auf Hilfe angewiesen, da die Eheleute keine Kinder hatten.

Wie ich nun anhand meiner Recherchen feststellen konnte, engagierte sich Humboldt auch ein weiteres Mal für die Witwe eines Gelehrten. Am 1.8.1836 schrieb er an die Witwe des Mediziners Friedrich Reinhold Dietz.[1] Dieser verfügte über ausgezeichnete altphilologische Kenntnisse, so dass er vor allem auf dem Gebiet der Medizingeschichte tätig wurde. Dietz gab kommentierte Texte aus der hippokratischen Sammlung heraus. Daraufhin gewährte ihm die preußische Regierung eine wissenschaftliche Reise durch Frankreich, Italien, England und Spanien, um ihm Forschungen über die in den großen Bibliotheken befindlichen Manuskripte der griechischen und arabischen Ärzte und vorzugsweise vergleichende Untersuchungen über den Text der Handschriften zu ermöglichen. Humboldt schätzte die Arbeiten so sehr, dass er in dem besagten Brief versuchte, die Witwe Dietz zu einer Publikation aus dem Nachlass des Professors anzuregen. Das Vorhaben hatte Humboldt bereits schon vorbereitet: „Gleich in den ersten Tagen, als die traurige Nachricht zu uns gelangte, that ich Schritte bei dem Ministerium wegen der Manuscripte, unter denen sich ein sehr wichtiges Heft über die chemischen Kenntnisse der späteren Griechen finden muß, auf dessen Herausgabe ich lange schon drang.“[2] Er sicherte der Witwe auch weitere Unterstützung zu: „Der Herr Minister v. Altenstein ist schlechterdings nicht zu umgehen. Sie müssen bei ihm die Bitte um eine Entschädigungssumme für den litterarischen Anlaß eingeben, er befürwortet dieselbe dann bei dem König und bei den freundlichen Verhältnissen in denen ich mit dem Minister stehe, werde ich die Zeit abmessen können wenn in dem Geh. Cabinett Sr. Maj. eine Fürsprache von meiner Seite, als mit den Verdiensten des Verewigten besonders bekannt, Ihnen hoffentlich nützlich werden kann.“[3]

Soweit ich aufgrund des mir zur Verfügung stehenden Materials ermitteln konnte, erschien im Jahr 1838 tatsächlich eine Schrift aus dem Nachlass von Dietz. Allerdings handelte es sich nicht um die chemischen Kenntnisse der Griechen, sondern um antike Hebammenkunst. Die Publikation trug den Titel „Sorani Ephesii de arte obstetricia morbisque mulierum quae supersunt“.

Wer hatte sich für die Herausgabe dieser Schrift entschieden? In einschlägigen Nachschlagewerken fehlt der Name des Herausgebers. Die biographischen Angaben zu Dietz vermerken jedoch Christian August Lobeck als Herausgeber dieses letzten Werkes (Vgl. ADB, Bd. 5, S. 211). Lobeck ist ordentlicher Professor für klassische Philologie an der Königsberger Universität gewesen. Von einer Edition seinerseits ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auszugehen, denn schon bevor er sein Amt angetreten hatte, übersetzte er des öfteren Abhandlungen für junge Mediziner. Ob Witwe Dietz also den Bitten Humboldts nicht entgegenkam, sich anders entschied und einen Freund mit der Ausgabe beauftragte oder ob Lobeck die Witwe von der Notwendigkeit der Edition einer gynäkologischen Schrift eher überzeugen konnte – alles das muss vorerst im Bereich der Mutmaßungen verbleiben. Um die Umstände der Herausgeberschaft gänzlich klären zu können, bedarf es der Auswertung weiteren Quellenmaterials.



[1] Brief Alexander von Humboldts vom 1.8.1836, SBPK, Berlin, Slg. Alexander von Humboldt, Autogr., K. 1, Briefe an unbekannte Empfänger 1832-1839, d. 

[2] Ebenda.

[3] Ebenda.

 

 

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