|
„Entziehen
Sie uns nicht Ihren Rath.“
Eine
Studie zum Briefwechsel Alexander von Humboldts mit den Ehefrauen berühmter
Gelehrter.
Ina
Lelke (Ina.Lelke@berlin.de)
<<
zurück | Wissenschaft und Geselligkeit
| weiter >>
3. Wissenschaft und Geselligkeit:
Gelehrte Männer
und Frauen im Salon
Im
ersten Teil meiner Studie wurde bereits deutlich, wie sehr
wissenschaftliches Arbeiten zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf persönliche
Verbindungen angewiesen war. Da es den Bildungs- und
Forschungsinstitutionen zumeist noch an der „organisatorischen
Infrastruktur“ mangelte, stellten insbesondere Gönner und Mäzene
eine unverzichtbare Größe im Beziehungsnetz der Gelehrten dar (Dainat/ Kolk 1987, S. 39). Am Beispiel des Astronomen Mädler wurde
dies sichtbar. Potentielle Gönner beförderten die Wissenschaften und
trugen als Liebhaber selbst häufig zu wissenschaftlichen
Unternehmungen bei. Einen Ort, an dem die Gelehrten auf Mäzene
treffen konnten, bildeten, abgesehen von den Vereins- und
Tischgesellschaften, die Abendgeselligkeiten der sogenannten
,Salons’. Hier waren gebildete Männer und Frauen gleichermaßen
anwesend. So bot diese Form der Geselligkeit denn auch einigen Frauen
die Möglichkeit, zwischen den Gelehrten und ihren Gönnern zu
vermitteln oder Zuarbeiten zu leisten. Diesen „Mittlerinnen“ möchte
ich mich nun im folgenden zuwenden.
Ein
,Salon’ gehörte als repräsentativer Raum fast zu jedem bildungsbürgerlichen
Haushalt (Vgl. Weckel 2000 sowie
Siebel 1999). In besonderem Maße gingen aber diejenigen Salons in
die Geschichte ein, die zu einem Forum der Begegnung zwischen der
Honoratiorenschicht der Stadt und den aufstrebenden Bürgern wurden.
Dazu zählte in Berlin auch der Salon Hedwig von Olfers, die den
Direktor der Königlichen Museen geheiratet hatte. Die Forschung hat
bereits darauf hingewiesen, dass Alexander von Humboldt in seinem
Briefwechsel das Ehepaar Olfers „stets als gleichberechtigte
Partner“ ansprach (Werner
2000, S. 9). Beide Eheleute galten in Berlin fast schon als eigene
Institution, erhielten sie doch von ,höchster Stelle’ den Auftrag,
in ihrem Haus eine Begegnungsstätte für Kunst und Wissenschaft
einzurichten. So heißt es in der Biographie Hedwig von Olfers:
„Auf
den Wunsch Friedrich Wilhelms IV. hatte Olfers es übernommen, in
seinem Hause einen Mittelpunkt für Künstler, Gelehrte und Fremde zu
bilden. Er sowohl wie seine Frau waren hierfür besonders geeignet. Da
nun in diesem Jahr auch Nina und Marie die Hofgesellschaften
mitmachten, vereinigte sich in diesem Hause ein Zusammenfluss der
verschiedensten und bedeutendsten Elemente nicht nur Berlins, sondern
auch ferner Länder, wie er gewiss jederzeit selten zu finden sein
wird. Aus jenen Jahren stammt die Berühmtheit des ,gelben Saales’.
Dieser unregelmäßig gebaute, hellgelb gestrichene Raum war durch
Olfers’ eigentümliches Talent zur Einrichtung in allerlei
behaglichen Eckchen und nur mit Gipsabgüssen verziert außerordentlich
reizvoll. In der Mitte stand ein großer Tisch. Großblumige, bunte
Gardinen schmückten die Fenster. Ein kleiner Flur trennte den gelben
Saal von dem gegenüberliegenden grünen, der abgeschlossen werden
konnte, wenn die großen Flügeltüren für Gesellschaften geöffnet
wurden. An den grünen Saal fügte sich ein rotgestrichenes Zimmer,
auch durch Gips verschönt. Auf einem großen, künstlerisch geformten
Eichentisch für Mappen fand oft Besichtigung der Kunstschätze statt,
welche die Künstler zu diesem Zweck mitgebracht hatten. Hell
erleuchtet waren die Räume durch eine Art ätherisches Öl in
Kronleuchtern und Ampeln, die geschickt in verschiedene Ecken verteilt
waren. An kleinen, behaglichen Abenden brannte inmitten eines großen
runden Tisches eine Öllampe, deren Licht durch Schleier oder Schirm
gedämpft, dem Familien- und Freundeskreise um so angenehmeres Licht
spendete.“ (Abeken 1914, S.
198)
Alexander
von Humboldt war nicht nur Gast in diesen Räumen, seine Briefe lassen
auch erkennen, wie sehr er diese Begegnungsstätte und die Fähigkeiten
der Gastgeberin wertschätzte. So erbat sich Humboldt mehrfach das
kritische Urteil Hedwig von Olfers über bestimmte literarische Werke
aus (Olfers 1913, S. 23f. sowie S. 124). Abgesehen davon, forderte er sie
z.B. gemeinsam mit ihrem Ehemann auf, 5 Bogen seines Kosmos-Werkes mit
„einiger Ansicht und Nachsicht zu würdigen“ (Ebenda, S. 106f.).
Aktuelle Untersuchungen zum Kosmos
haben bereits darauf verwiesen, dass dieses als ein Produkt von „teamwork“
zu betrachten ist (Vgl. Werner
2000a). Humboldt äußerte übrigens auch die Bitte, im „gelben
Saal“ vortragen zu dürfen: „Ich wünschte in einem Zirkel, wo so
viel Großes und Schönes hervorgebracht worden ist ein Stück aus
meinem neuen Werke (Kosmos) zu lesen.“ (Olfers
1913, S. 25f.)
Mit
den Attributen „groß“ und „schön“ bezog sich Humboldt
vermutlich auf die Resultate, die das „gesellige Arbeiten“ im
Hause Olfers erbracht hatte. Hier wurden nicht nur Kunstgegenstände
ausgestellt, sondern auch der Entstehungsprozess neuester Literatur
kritisch begleitet.
Die Arbeiten des Malers Wilhelm von Kaulbach förderte die Familie
Olfers besonders (Wilhelmy 1989,
S. 176). Im Olfersschen Salon fanden sich Gelehrte ein wie Leopold
von Ranke, Ernst Curtius, Richard Lepsius, der Naturforscher Adalbert
von Chamisso, der Chemiker Heinrich Rose und Wilhelm Grimm (Ebenda,
S. 752fff). Einer derartigen Geselligkeit kam überregionale
Bedeutung zu, denn die Besucher des Salons konnten sich hier den
Vertretern anderer Nationen oder weitgereisten Gelehrten präsentieren.
Beispielsweise suchten der belgische Gesandte Baron von Nothomb oder
auch der französische Ägyptologe Olivier Charles Emnuel Vicomte de
Rougé den Salon auf (Ebenda, S. 760 sowie S. 761).
Die
festen „Mittwoche“ oder „Donnerstage“ der Hedwig von Olfers’
flankierten die Arbeiten des Ehemannes, im Salon wurden Gipsabgüsse
oder auch Gemälde ausgestellt (Ebenda,
S. 749). Die geselligen Zirkel boten zusätzlich Raum, um die Pläne
Ignaz von Olfers’ in Szene zu setzen und weitere Arbeitsbeziehungen
zu knüpfen. Ignaz von Olfers oblag die bedeutende Aufgabe, die
Spreeinsel zu einer „Freistätte für Kunst und Wissenschaft
umzugestalten“ (ADB, Bd. 24,
S. 291). An dem Erfolg der wissenschaftlichen Expedition, welche König
Friedrich IV. von 1842-1845 unter der Führung des Professors Lepsius
nach Aegypten und Nubien entsandte, hatte Olfers erheblichen Anteil (Vgl.
Ebenda). Er vermehrte die Sammlung antiker Skulpturen, förderte
die „Gypsformerei“, erwarb neue Gemälde für die Nationalgalerie
und leitete die Einrichtung des Neuen Museums. Die Beförderung seiner
Karriere als Generaldirektor der Königlichen Museen verdankte er übrigens
im wesentlichen den Humboldt-Brüdern.
In
dem beschriebenen Zirkel trat Hedwig von Olfers mit eigenen Werken
hervor: sie dichtete (Vgl.
Olfers 1892). Möglicherweise bat Alexander von Humboldt sie auch
deswegen um Zuarbeiten zu der geplanten Ausgabe einer Sonett-Sammlung
seines Bruders. In einem als „Bittschrift“ titulierten Brief von
1839 versuchte er sie zu überzeugen, an der redaktionellen Umsetzung
der Ausgabe mitzuwirken: „Es wäre mir so wichtig eine glückliche
Auswahl zu treffen, für die ersten 10-12 Sonette in jedem der zwei Bände
die erscheinen sollen. Suchen Sie gnädigst zwischen n. 865 und
900.“
Die
angeführten Nummern bezeichnen vermutlich die entsprechenden
Seitenzahlen. Alexander von Humboldt hat sie, sofern er unsicher war,
mit Fragezeichen versehen und im abschließenden Teil des Briefes
einzeln aufgeführt, damit Hedwig von Olfers sie nochmals durchsehen
konnte. Dabei autorisierte er sie sogar dazu, das Versmaß oder den
Wortlaut zu korrigieren. So schrieb er als Nachsatz: „In den
Erdenfreuden z.B. S. 278 macht wohl vers 7 zu’m Blumen das Ganze
unbrauchbar! Wäre nicht der vers zu verändern pourriez-Vous lui
faire une jambe de bois?“
Ähnlich wie
in dem Brief an Lucie Laugier formulierte Alexander von Humboldt ganz
konkrete Bitten. Dabei achtete er auf äußerste Höflichkeit und
drapierte sie mit kleinen Komplimenten: „Ein selbst schaffendes
Talent ist immer mit zartem, sicheren, instinctartigem Sinn gepaart.
Entziehen Sie uns nicht Ihren Rath. Dr. Brandes soll ihn pünktlichst
befolgen. Ich lege das Schicksal der Sonette in Ihre Zauberhand.“
Dass
die Salongeselligkeit einen wichtigen Stellenwert für das Lebenswerk
der Gelehrten besaß, nicht zuletzt weil hier die Nähe zu einem größeren,
einem geschlechtergemischten Publikum hergestellt wurde, belegen
ebenfalls die Berichte über die Dorpater Briefpartnerin Humboldts
Minna Mädler. Sie observierte nicht nur an der Seite ihres Ehemannes,
sie gründete auch einen eigenen geselligen Zirkel, der die Gelehrten
im fernen Dorpat zusammenführen sollte. So weiß der Kurator des
Dorpater Lehrbezirks, Keyserling, zu berichten: „In den
Professorenkreisen herrschte eine ungezwungene Geselligkeit. Frau
Minna Mädler vereinigte in ihrem Salon einen ausgewählten Kreis
[...] Prof. Mädler, der eigentlich immer unter den Sternen lebte, war
sehr originell [...]. Wenn aber Mädler einmal mit seinen Gedanken auf
unserer Erde weilte, konnte er sehr liebenswürdig sein. Er hielt dann
humoristische Tischreden und ging auf jegliche Unterhaltung ein.“ (Zit.
nach: Eelsalu/ Herrmann 1985, S. 73) Einen Eindruck von den Räumlichkeiten
vermittelt die folgende Darstellung über den Besuch eines Pfarrers im
Hause Mädler: „Der geräumige Salon war reich mit Topfpflanzen
geschmückt, auf Etageren standen Statuetten, Vasen, Tassen, Leuchter
– aber das Kostbarste fesselte den Blick [...] zuerst – einige
Reliefs, die unter Glas auf einem Spiegeltische standen. [...]. Der
Pastor verließ die Mondreliefs und betrat das Kabinett zur Rechten.
Eine Dame saß auf einem runden Sofa, über welchen das in Öl ausgeführte
Bildnis M... hing [...].“ (Zit.
nach: Ebenda) Im Salon sind also u.a. Objekte ausgestellt worden,
die in engstem Zusammenhang mit dem Mädlerschen Forschungswerk
standen. Dieser Ort sollte Männern und Frauen gleichermaßen offen
stehen. Für reine „Damenthees“ hatte Minna Mädler nur spöttelnde
Bemerkungen übrig: „Da sitzen sie Alle im Kreise/ Und machen ein
langes Gesicht,/ Sie flüstern, sie zischeln ganz leise/ Und blinzeln
hinein in das Licht.“ (Mädler
1848, S. 37)
<<
zurück | Wissenschaft und Geselligkeit |
weiter >>
(zum
Anfang)
|
|