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Gespiegelte Fassung auf dem Publikationsserver der Universität Potsdam
Stand: 12. August 2005
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„Entziehen Sie uns nicht Ihren Rath.“

Eine Studie zum Briefwechsel Alexander von Humboldts mit den Ehefrauen berühmter Gelehrter.

 

Ina Lelke (Ina.Lelke@berlin.de)

 

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3. Wissenschaft und Geselligkeit: Gelehrte Männer und Frauen im Salon

Im ersten Teil meiner Studie wurde bereits deutlich, wie sehr wissenschaftliches Arbeiten zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf persönliche Verbindungen angewiesen war. Da es den Bildungs- und Forschungsinstitutionen zumeist noch an der „organisatorischen Infrastruktur“ mangelte, stellten insbesondere Gönner und Mäzene eine unverzichtbare Größe im Beziehungsnetz der Gelehrten dar (Dainat/ Kolk 1987, S. 39). Am Beispiel des Astronomen Mädler wurde dies sichtbar. Potentielle Gönner beförderten die Wissenschaften und trugen als Liebhaber selbst häufig zu wissenschaftlichen Unternehmungen bei. Einen Ort, an dem die Gelehrten auf Mäzene treffen konnten, bildeten, abgesehen von den Vereins- und Tischgesellschaften, die Abendgeselligkeiten der sogenannten ,Salons’. Hier waren gebildete Männer und Frauen gleichermaßen anwesend. So bot diese Form der Geselligkeit denn auch einigen Frauen die Möglichkeit, zwischen den Gelehrten und ihren Gönnern zu vermitteln oder Zuarbeiten zu leisten. Diesen „Mittlerinnen“ möchte ich mich nun im folgenden zuwenden.[1]

Ein ,Salon’ gehörte als repräsentativer Raum fast zu jedem bildungsbürgerlichen Haushalt (Vgl. Weckel 2000 sowie Siebel 1999). In besonderem Maße gingen aber diejenigen Salons in die Geschichte ein, die zu einem Forum der Begegnung zwischen der Honoratiorenschicht der Stadt und den aufstrebenden Bürgern wurden. Dazu zählte in Berlin auch der Salon Hedwig von Olfers, die den Direktor der Königlichen Museen geheiratet hatte. Die Forschung hat bereits darauf hingewiesen, dass Alexander von Humboldt in seinem Briefwechsel das Ehepaar Olfers „stets als gleichberechtigte Partner“ ansprach (Werner 2000, S. 9). Beide Eheleute galten in Berlin fast schon als eigene Institution, erhielten sie doch von ,höchster Stelle’ den Auftrag, in ihrem Haus eine Begegnungsstätte für Kunst und Wissenschaft einzurichten. So heißt es in der Biographie Hedwig von Olfers:

„Auf den Wunsch Friedrich Wilhelms IV. hatte Olfers es übernommen, in seinem Hause einen Mittelpunkt für Künstler, Gelehrte und Fremde zu bilden. Er sowohl wie seine Frau waren hierfür besonders geeignet. Da nun in diesem Jahr auch Nina und Marie die Hofgesellschaften mitmachten, vereinigte sich in diesem Hause ein Zusammenfluss der verschiedensten und bedeutendsten Elemente nicht nur Berlins, sondern auch ferner Länder, wie er gewiss jederzeit selten zu finden sein wird. Aus jenen Jahren stammt die Berühmtheit des ,gelben Saales’. Dieser unregelmäßig gebaute, hellgelb gestrichene Raum war durch Olfers’ eigentümliches Talent zur Einrichtung in allerlei behaglichen Eckchen und nur mit Gipsabgüssen verziert außerordentlich reizvoll. In der Mitte stand ein großer Tisch. Großblumige, bunte Gardinen schmückten die Fenster. Ein kleiner Flur trennte den gelben Saal von dem gegenüberliegenden grünen, der abgeschlossen werden konnte, wenn die großen Flügeltüren für Gesellschaften geöffnet wurden. An den grünen Saal fügte sich ein rotgestrichenes Zimmer, auch durch Gips verschönt. Auf einem großen, künstlerisch geformten Eichentisch für Mappen fand oft Besichtigung der Kunstschätze statt, welche die Künstler zu diesem Zweck mitgebracht hatten. Hell erleuchtet waren die Räume durch eine Art ätherisches Öl in Kronleuchtern und Ampeln, die geschickt in verschiedene Ecken verteilt waren. An kleinen, behaglichen Abenden brannte inmitten eines großen runden Tisches eine Öllampe, deren Licht durch Schleier oder Schirm gedämpft, dem Familien- und Freundeskreise um so angenehmeres Licht spendete.“ (Abeken 1914, S. 198)

Alexander von Humboldt war nicht nur Gast in diesen Räumen, seine Briefe lassen auch erkennen, wie sehr er diese Begegnungsstätte und die Fähigkeiten der Gastgeberin wertschätzte. So erbat sich Humboldt mehrfach das kritische Urteil Hedwig von Olfers über bestimmte literarische Werke aus (Olfers 1913, S. 23f. sowie S. 124). Abgesehen davon, forderte er sie z.B. gemeinsam mit ihrem Ehemann auf, 5 Bogen seines Kosmos-Werkes mit „einiger Ansicht und Nachsicht zu würdigen“ (Ebenda, S. 106f. ). Aktuelle Untersuchungen zum Kosmos haben bereits darauf verwiesen, dass dieses als ein Produkt von „teamwork“ zu betrachten ist (Vgl. Werner 2000a). Humboldt äußerte übrigens auch die Bitte, im „gelben Saal“ vortragen zu dürfen: „Ich wünschte in einem Zirkel, wo so viel Großes und Schönes hervorgebracht worden ist ein Stück aus meinem neuen Werke (Kosmos) zu lesen.“ (Olfers 1913, S. 25f .)

Mit den Attributen „groß“ und „schön“ bezog sich Humboldt vermutlich auf die Resultate, die das „gesellige Arbeiten“ im Hause Olfers erbracht hatte. Hier wurden nicht nur Kunstgegenstände ausgestellt, sondern auch der Entstehungsprozess neuester Literatur kritisch begleitet.[2] Die Arbeiten des Malers Wilhelm von Kaulbach förderte die Familie Olfers besonders (Wilhelmy 1989, S. 176). Im Olfersschen Salon fanden sich Gelehrte ein wie Leopold von Ranke, Ernst Curtius, Richard Lepsius, der Naturforscher Adalbert von Chamisso, der Chemiker Heinrich Rose und Wilhelm Grimm (Ebenda, S. 752fff). Einer derartigen Geselligkeit kam überregionale Bedeutung zu, denn die Besucher des Salons konnten sich hier den Vertretern anderer Nationen oder weitgereisten Gelehrten präsentieren. Beispielsweise suchten der belgische Gesandte Baron von Nothomb oder auch der französische Ägyptologe Olivier Charles Emnuel Vicomte de Rougé den Salon auf (Ebenda, S. 760 sowie S. 761).

Die festen „Mittwoche“ oder „Donnerstage“ der Hedwig von Olfers’ flankierten die Arbeiten des Ehemannes, im Salon wurden Gipsabgüsse oder auch Gemälde ausgestellt (Ebenda, S. 749). Die geselligen Zirkel boten zusätzlich Raum, um die Pläne Ignaz von Olfers’ in Szene zu setzen und weitere Arbeitsbeziehungen zu knüpfen. Ignaz von Olfers oblag die bedeutende Aufgabe, die Spreeinsel zu einer „Freistätte für Kunst und Wissenschaft umzugestalten“ (ADB, Bd. 24, S. 291). An dem Erfolg der wissenschaftlichen Expedition, welche König Friedrich IV. von 1842-1845 unter der Führung des Professors Lepsius nach Aegypten und Nubien entsandte, hatte Olfers erheblichen Anteil (Vgl. Ebenda). Er vermehrte die Sammlung antiker Skulpturen, förderte die „Gypsformerei“, erwarb neue Gemälde für die Nationalgalerie und leitete die Einrichtung des Neuen Museums. Die Beförderung seiner Karriere als Generaldirektor der Königlichen Museen verdankte er übrigens im wesentlichen den Humboldt-Brüdern.

In dem beschriebenen Zirkel trat Hedwig von Olfers mit eigenen Werken hervor: sie dichtete (Vgl. Olfers 1892). Möglicherweise bat Alexander von Humboldt sie auch deswegen um Zuarbeiten zu der geplanten Ausgabe einer Sonett-Sammlung seines Bruders. In einem als „Bittschrift“ titulierten Brief von 1839 versuchte er sie zu überzeugen, an der redaktionellen Umsetzung der Ausgabe mitzuwirken: „Es wäre mir so wichtig eine glückliche Auswahl zu treffen, für die ersten 10-12 Sonette in jedem der zwei Bände die erscheinen sollen. Suchen Sie gnädigst zwischen n. 865 und 900.“[3]

Die angeführten Nummern bezeichnen vermutlich die entsprechenden Seitenzahlen. Alexander von Humboldt hat sie, sofern er unsicher war, mit Fragezeichen versehen und im abschließenden Teil des Briefes einzeln aufgeführt, damit Hedwig von Olfers sie nochmals durchsehen konnte. Dabei autorisierte er sie sogar dazu, das Versmaß oder den Wortlaut zu korrigieren. So schrieb er als Nachsatz: „In den Erdenfreuden z.B. S. 278 macht wohl vers 7 zu’m Blumen das Ganze unbrauchbar! Wäre nicht der vers zu verändern pourriez-Vous lui faire une jambe de bois?“[4] Ähnlich wie in dem Brief an Lucie Laugier formulierte Alexander von Humboldt ganz konkrete Bitten. Dabei achtete er auf äußerste Höflichkeit und drapierte sie mit kleinen Komplimenten: „Ein selbst schaffendes Talent ist immer mit zartem, sicheren, instinctartigem Sinn gepaart. Entziehen Sie uns nicht Ihren Rath. Dr. Brandes soll ihn pünktlichst befolgen. Ich lege das Schicksal der Sonette in Ihre Zauberhand.“[5]

Dass die Salongeselligkeit einen wichtigen Stellenwert für das Lebenswerk der Gelehrten besaß, nicht zuletzt weil hier die Nähe zu einem größeren, einem geschlechtergemischten Publikum hergestellt wurde, belegen ebenfalls die Berichte über die Dorpater Briefpartnerin Humboldts Minna Mädler. Sie observierte nicht nur an der Seite ihres Ehemannes, sie gründete auch einen eigenen geselligen Zirkel, der die Gelehrten im fernen Dorpat zusammenführen sollte. So weiß der Kurator des Dorpater Lehrbezirks, Keyserling, zu berichten: „In den Professorenkreisen herrschte eine ungezwungene Geselligkeit. Frau Minna Mädler vereinigte in ihrem Salon einen ausgewählten Kreis [...] Prof. Mädler, der eigentlich immer unter den Sternen lebte, war sehr originell [...]. Wenn aber Mädler einmal mit seinen Gedanken auf unserer Erde weilte, konnte er sehr liebenswürdig sein. Er hielt dann humoristische Tischreden und ging auf jegliche Unterhaltung ein.“ (Zit. nach: Eelsalu/ Herrmann 1985, S. 73) Einen Eindruck von den Räumlichkeiten vermittelt die folgende Darstellung über den Besuch eines Pfarrers im Hause Mädler: „Der geräumige Salon war reich mit Topfpflanzen geschmückt, auf Etageren standen Statuetten, Vasen, Tassen, Leuchter – aber das Kostbarste fesselte den Blick [...] zuerst – einige Reliefs, die unter Glas auf einem Spiegeltische standen. [...]. Der Pastor verließ die Mondreliefs und betrat das Kabinett zur Rechten. Eine Dame saß auf einem runden Sofa, über welchen das in Öl ausgeführte Bildnis M... hing [...].“ (Zit. nach: Ebenda) Im Salon sind also u.a. Objekte ausgestellt worden, die in engstem Zusammenhang mit dem Mädlerschen Forschungswerk standen. Dieser Ort sollte Männern und Frauen gleichermaßen offen stehen. Für reine „Damenthees“ hatte Minna Mädler nur spöttelnde Bemerkungen übrig: „Da sitzen sie Alle im Kreise/ Und machen ein langes Gesicht,/ Sie flüstern, sie zischeln ganz leise/ Und blinzeln hinein in das Licht.“ (Mädler 1848, S. 37)



[1] Den Begriff übernehme ich aus einer biographischen Publikation zu Joseph von Lassberg. Obwohl Lassberg nicht den Weg in die Bildungs- und Forschungsinstitutionen fand, bildeten seine bibliophile Sammeltätigkeit, die speziellen Kenntnisse und Zuarbeiten eine wichtige Grundlage für die Arbeiten einiger Fachgelehrten der entstehenden Deutschen Philologie (Vgl. Bader 1955). 

[2] Herman Grimm trug z.B. seine literarischen Werke im Salon Olfers vor und beschrieb die Geselligkeit dort wie folgt: „Gelehrsamkeit und Dichtkunst reichten sich die Hand, und kritischer Genuß überbot zuweilen den rein poetischen.“ Vgl. Nachruf von Herman Grimm (Abeken 1908, S. 6).

[3] Brief Alexander von Humboldts an Hedwig Elisabeth von Olfers von 1839, o. D. u. J., SBPK, Berlin, Slg. Alexander von Humboldt, K. 3 (= Slg. Runge), Mappe 17, Nr. 10. (Vgl. auch Werner 2000, S. 10).

[4] Ebenda. Die Sonett-Sammlung wurde im Jahr 1853 publiziert, im Vorwort wird Hedwig von Olfers nicht erwähnt (Vgl. Humboldt 1853).

[5] Ebenda.

 

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