3.2.1 Kraftfelder

3.2.1.1 Einleitung

Das Kraftfeld ist ein Ensemble empirischer Größen, mit dem die Potentialhyperfläche von Molekülen approximiert wird. Es beinhaltet die für ein Molekül gültigen Atomkoordinaten, die mathematischen Gleichungen, in denen diese verwendet werden, sowie eine Vielzahl von weiteren Konstanten, die für eine möglichst korrekte Beschreibung der Potentialhyperfläche durch die gewählte Formel verantwortlich sind. Dazu gehören zum Beispiel Standardbindungslängen, ideale Bindungswinkel und Kraftkonstanten. Die Energie des gesamten Moleküls läßt sich nun als Summe aller Abweichungen der aktuellen Werte für Bindungslängen, Bindungs- und Torsionswinkel von den Standardwerten, multipliziert mit den jeweils gültigen Kraftkonstanten, berechnen. Die Gleichung für die Energie des Wassermoleküls kann dementsprechend folgendermaßen formuliert werden (Gl. 3 siehe auch Abb. 5):

Bei einem so einfachen System wie dem Wassermolekül genügen drei Terme - zwei für die aktuellen Abweichungen der beiden O-H-Bindungen von der O-H-Standard-bindungslänge und einer für die Abweichung des H-O-H-Bindungs-winkels vom idealen H-O-H-Bindungswinkel, um die Gesamtenergie des Wassermoleküls zu beschreiben. Mit zunehmender Komplexität der betrachteten Moleküle wird auch die das System beschreibende Formel komplizierter. Zum einen sind die Abweichungen einer größeren Anzahl von Bindungslängen und Bindungswinkeln zu betrachten, zum anderen sind eine Vielzahl weiterer Phänomene, die in größeren Molekülen auftreten, zu berücksichtigen. Dazu zählen die Rotation um Torsionswinkel, Out-of-plane-Schwingungen, van-der-Waals- und elektrostatische Wechselwirkungen. Die empirischen Parameter für das Kraftfeld können aus spektroskopischen Daten [37], aus quantenchemischen Berechnungen [38] oder über eine einfache Anpassung (Fitting) anhand der RMSD-Werte eines Testdatensatzes [39] gewonnen werden. Die Entwicklung eines Kraftfeldes erfolgt grundsätzlich durch die Untersuchung einer relativ kleinen, chemisch sehr ähnlichen Gruppe von Verbindungen mit dem Ziel, die betrachteten Moleküle ausreichend genau und reproduzierbar zu beschreiben. Ist dies erreicht, erfolgt die Ausdehnung des Gültigkeitsbereiches des Kraftfeldes auf andere Stoffklassen, wobei gefundene Terme und Konstanten weiterhin verwendet werden. Neue Merkmale dieser Moleküle werden durch Modifikation bekannter Variablen oder Hinzufügen neuer Standardwerte erfaßt. Deshalb gibt es viele verschiedene Kraftfelder, die in Abhängigkeit von ihrer Entwicklung für die verschiedensten Stoffklasse verwendet werden können (z.B. Molecular Mechanics 2 (MM2) [40] und das Consistent Force Field 91 (CFF91) [38] für organische Moleküle, Amber für Proteine, Proteide und Nukleinsäuren [41], Optimized Potentials for Liquid Simulation (OPLS) für Lösungsmitteleffekte [42]) und demzufolge auch unterschiedliche Ergebnisse bei der Berechnung gleicher Moleküle liefern. Man kann deshalb nicht von dem "besten" Kraftfeld sprechen, sondern nur die Stärken bestimmter Kraftfelder bei der Behandlung einzelner Stoffgruppen nutzen. Die Ergebnisse der unterschiedlichen Kraftfeldberechnungen differieren stärker, wenn immer kompliziertere Moleküle untersucht werden. Gleichzeitig führt die Berücksichtigung solcher Moleküle in den verschiedenen Kraftfeldern aber auch zu einer immer weiterschreitenden Komplexität und Allgemeingültigkeit moderner Kraftfeldberechnungen. Im verfügbaren Softwarepaket InsightII [38] sind die Kraftfelder ESFF, CFF91 und Amber implementiert. Da nur das ESFF Parameter für Übergangsmetalle enthält, wird es zunächst für die Berechnung genutzt. Es wurde jedoch bisher nur für Polysilane getestet [17, 39]. Das CFF91 wird nur für die Berechnung einer ausgewählten Gruppe von Metallverbindungen verwendet. Deshalb werden diese beiden Kraftfelder im folgenden näher betrachtet.

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