„Entziehen
Sie uns nicht Ihren Rath.“
Eine
Studie zum Briefwechsel Alexander von Humboldts mit den Ehefrauen berühmter
Gelehrter.
Ina
Lelke (Ina.Lelke@berlin.de)
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1.
Einleitung
Seit
die Wissenschaftsgeschichte sich stärker der Organisation und der
Sozialgeschichte wissenschaftlichen Arbeitens zuwandte, rückten
zunehmend Frauen und insbesondere Ehefrauen berühmter Gelehrter in
das Gesichtsfeld der Historiographie. Unter rein biographischen
Aspekten blieben die Beiträge dieser Frauen zur Forschung häufig
unsichtbar, weil die biographische Geschichtsschreibung die
wissenschaftlichen Leistungen einzelner, zumeist männlicher Persönlichkeiten
in den Vordergrund stellte. Unter institutionsgeschichtlichen Aspekten
blieben sie ebenfalls ausgeblendet, insofern Frauen erst seit diesem
Jahrhundert dazu berechtigt waren, offiziell anerkannt in den
Bildungs- und Forschungsinstitutionen mitzuarbeiten. Ilse Jahn hat
dieses Problem aufgegriffen und dazu aufgefordert, von
„Einzelleistungen“ abzusehen und stattdessen „die Rolle der
Lebenspartnerschaften in verschiedenen Zeitepochen unter
unterschiedlichen kulturgeschichtlichen Bedingungen“ zu untersuchen
(Jahn 1996, S. 114). Sie konstatierte: „Auch wäre die
wissenschaftliche Produktivität in verschiedenen Lebensetappen, in
Erfolgs- und Krisenzeiten auch im Hinblick darauf zu untersuchen, dass
er (oder sie) eben meist nicht als Einzelwesen, sondern in einer
Gemeinschaft lebte und wirkte.“ (Ebenda)
Karin
Hausen verwies darauf, dass die Familie des Wissenschaftlers einen
eigenen Sozialtyp darstelle, der sich in Zusammenhang mit
Professionalisierungstendenzen und der zunehmenden Segregation von
Arbeit im 19. Jahrhundert herauszubilden begann (Vgl. Hausen 2000). Kennzeichnend für diesen Sozialtyp sei die
Einbeziehung aller Familienmitglieder in das Lebenswerk das Mannes,
die Umsetzung wissenschaftlicher Arbeit als Familienbetrieb.
Während
beispielsweise in England bereits Ende der 60er Jahre des 19.
Jahrhunderts erste Colleges für Frauen eingerichtet wurden, war an
eine universitäre Ausbildung an deutschen Universitäten noch nicht
zu denken. Bis zur Jahrhundertmitte fanden Frauen den Weg in die
Wissenschaft zumeist über die Familienzugehörigkeit, wie Studien
beispielsweise zur Botanik in England gezeigt haben. In den deutschen
Ländern durften Frauen zu Beginn des Jahrhunderts aber kaum auf öffentliche
Anerkennung ihrer Leistungen hoffen. Schon im Jahr 1822 fragte Jacob
Grimm: „ist in jenen wissenschaften etwas unweibliches gelegen, überschreitet
eine frau als gesetzgeber, als richter, als priester die allen völkern
heilige schranke der natur [...]?“, und gab darauf selbst zur
Antwort: „die ganze geschichte lehrt es uns so. durch öffentliches
vortreten und lautwerden versehrt das weib seine angeborne sitte und würde“
(Grimm 1869, S. 172). Diese
Sentenz veröffentlichte er im Zusammenhang mit der Rezension eines
Schriftstellerinnen-Lexikons, die sicher von vielen Leserinnen zur
Kenntnis genommen worden ist.
Wenn
also Frauen im 19. Jahrhundert auf den nichtöffentlichen, den familiären
und häuslichen Bereich entsprechend der herrschenden
Geschlechterordnung verwiesen blieben, so wurden damit auch ihre
Leistungen verdeckt. Diese faktische „Unsichtbarkeit“ soll nun im
folgenden Gegenstand meiner Untersuchung sein.
Ausgehend
von dem Forschungsbeitrag Petra Werners zu den
Korrespondenzpartnerinnen Alexander von Humboldts möchte ich erstmals
die Briefwechsel dieses Gelehrten und Wissenschaftsorganisators auf
die Einbeziehung von Ehefrauen untersuchen (Vgl.
Werner 2000). Im Mittelpunkt steht daher die Frage, ob sich anhand
der privaten Briefwechsel feststellen lässt, inwieweit die Ehefrauen
der gelehrten Korrespondenzpartner Alexander von Humboldts zum
Lebenswerk ihrer Ehemänner beigetragen haben. Im Gegensatz zur Studie
Petra Werners werde ich
mich jedoch nicht denjenigen Frauen widmen, die sich durch Veröffentlichungen
innerhalb bestimmter Wissensgebiete einen Namen machen konnten,
sondern gerade denen, die im Schatten des Sozialtyps
Wissenschaftlerfamilie agierten und deren Leistungen dadurch
unsichtbar blieben.
Als Quellengrundlage stand mir ein Konvolut von ca. 25 Briefen zur
Verfügung, in denen sich zum überwiegenden Teil Alexander von
Humboldt selbst an die Ehefrauen seiner Briefpartner wandte. Da die
Briefe aus einem Zeitraum von ca. 40 Jahren (1817-1856) stammen und an
Frauen gerichtet sind, deren Ehemänner die unterschiedlichsten
Forschungen betrieben, habe ich das Material nach den Ergebnissen
meiner Recherchen gruppiert. Ich werde nicht alle Briefe besprechen,
sondern nur diejenigen, welche Rückschlüsse auf die Beiträge der
Ehefrauen zulassen.
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