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Stand: 12. August 2005
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„Entziehen Sie uns nicht Ihren Rath.“

Eine Studie zum Briefwechsel Alexander von Humboldts mit den Ehefrauen berühmter Gelehrter.

 

Ina Lelke (Ina.Lelke@berlin.de)

 

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1. Einleitung

Seit die Wissenschaftsgeschichte sich stärker der Organisation und der Sozialgeschichte wissenschaftlichen Arbeitens zuwandte, rückten zunehmend Frauen und insbesondere Ehefrauen berühmter Gelehrter in das Gesichtsfeld der Historiographie. Unter rein biographischen Aspekten blieben die Beiträge dieser Frauen zur Forschung häufig unsichtbar, weil die biographische Geschichtsschreibung die wissenschaftlichen Leistungen einzelner, zumeist männlicher Persönlichkeiten in den Vordergrund stellte. Unter institutionsgeschichtlichen Aspekten blieben sie ebenfalls ausgeblendet, insofern Frauen erst seit diesem Jahrhundert dazu berechtigt waren, offiziell anerkannt in den Bildungs- und Forschungsinstitutionen mitzuarbeiten. Ilse Jahn hat dieses Problem aufgegriffen und dazu aufgefordert, von „Einzelleistungen“ abzusehen und stattdessen „die Rolle der Lebenspartnerschaften in verschiedenen Zeitepochen unter unterschiedlichen kulturgeschichtlichen Bedingungen“ zu untersuchen (Jahn 1996, S. 114). Sie konstatierte: „Auch wäre die wissenschaftliche Produktivität in verschiedenen Lebensetappen, in Erfolgs- und Krisenzeiten auch im Hinblick darauf zu untersuchen, dass er (oder sie) eben meist nicht als Einzelwesen, sondern in einer Gemeinschaft lebte und wirkte.“ (Ebenda)

Karin Hausen verwies darauf, dass die Familie des Wissenschaftlers einen eigenen Sozialtyp darstelle, der sich in Zusammenhang mit Professionalisierungstendenzen und der zunehmenden Segregation von Arbeit im 19. Jahrhundert herauszubilden begann (Vgl. Hausen 2000). Kennzeichnend für diesen Sozialtyp sei die Einbeziehung aller Familienmitglieder in das Lebenswerk das Mannes, die Umsetzung wissenschaftlicher Arbeit als Familienbetrieb.

Während beispielsweise in England bereits Ende der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts erste Colleges für Frauen eingerichtet wurden, war an eine universitäre Ausbildung an deutschen Universitäten noch nicht zu denken. Bis zur Jahrhundertmitte fanden Frauen den Weg in die Wissenschaft zumeist über die Familienzugehörigkeit, wie Studien beispielsweise zur Botanik in England gezeigt haben. In den deutschen Ländern durften Frauen zu Beginn des Jahrhunderts aber kaum auf öffentliche Anerkennung ihrer Leistungen hoffen. Schon im Jahr 1822 fragte Jacob Grimm: „ist in jenen wissenschaften etwas unweibliches gelegen, überschreitet eine frau als gesetzgeber, als richter, als priester die allen völkern heilige schranke der natur [...]?“, und gab darauf selbst zur Antwort:  „die ganze geschichte lehrt es uns so. durch öffentliches vortreten und lautwerden versehrt das weib seine angeborne sitte und würde“ (Grimm 1869, S. 172). Diese Sentenz veröffentlichte er im Zusammenhang mit der Rezension eines Schriftstellerinnen-Lexikons, die sicher von vielen Leserinnen zur Kenntnis genommen worden ist.

Wenn also Frauen im 19. Jahrhundert auf den nichtöffentlichen, den familiären und häuslichen Bereich entsprechend der herrschenden Geschlechterordnung verwiesen blieben, so wurden damit auch ihre Leistungen verdeckt. Diese faktische „Unsichtbarkeit“ soll nun im folgenden Gegenstand meiner Untersuchung sein.

Ausgehend von dem Forschungsbeitrag Petra Werners zu den Korrespondenzpartnerinnen Alexander von Humboldts möchte ich erstmals die Briefwechsel dieses Gelehrten und Wissenschaftsorganisators auf die Einbeziehung von Ehefrauen untersuchen (Vgl. Werner 2000). Im Mittelpunkt steht daher die Frage, ob sich anhand der privaten Briefwechsel feststellen lässt, inwieweit die Ehefrauen der gelehrten Korrespondenzpartner Alexander von Humboldts zum Lebenswerk ihrer Ehemänner beigetragen haben. Im Gegensatz zur Studie Petra Werners werde ich mich jedoch nicht denjenigen Frauen widmen, die sich durch Veröffentlichungen innerhalb bestimmter Wissensgebiete einen Namen machen konnten, sondern gerade denen, die im Schatten des Sozialtyps Wissenschaftlerfamilie agierten und deren Leistungen dadurch unsichtbar blieben.[1] Als Quellengrundlage stand mir ein Konvolut von ca. 25 Briefen zur Verfügung, in denen sich zum überwiegenden Teil Alexander von Humboldt selbst an die Ehefrauen seiner Briefpartner wandte. Da die Briefe aus einem Zeitraum von ca. 40 Jahren (1817-1856) stammen und an Frauen gerichtet sind, deren Ehemänner die unterschiedlichsten Forschungen betrieben, habe ich das Material nach den Ergebnissen meiner Recherchen gruppiert. Ich werde nicht alle Briefe besprechen, sondern nur diejenigen, welche Rückschlüsse auf die Beiträge der Ehefrauen zulassen.

 



[1] Frau Gentz-Werner hat so z.B. die Korrespondenzen mit Mary Somerville oder Ida Pfeiffer untersucht (Vgl. Werner 2000). Für weiterführende Hinweise und hilfreiche Gespräche bin ich ihr sehr dankbar.

 

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