Berlinisch

Bis ins 18. Jahrhundert wurde in Berlin überwiegend mittelmärkisches Niederdeutsch gesprochen; daneben waren - je nach Sprechanlaß und Gruppenzugehörigkeit des Sprechers - das Französische (Sprache der im 18. Jahrhundert in großer Zahl nach Brandenburg und vor allem Berlin zugewanderten Hugenotten, zudem Sprache des Adels und der bürgerlichen Oberschicht), Jiddisch und hochdeutsche Mundarten in Berlin zu hören. Die enorme Expansion Berlins im 18. und 19. Jahrhundert war nur möglich, weil viele »Neu-Berliner« aus dem näheren und weiteren Umland zuzogen. Das führte innerhalb der Stadt zu einer Sprachmischung, die für Berlin charakteristisch werden sollte: »Icke, dette, kieke mal: Ogen, Fleesch und Beene«, d.h.: Anstelle des im Hochdeutschen üblichen Diphthongs au setzt der Berliner ein langes o (lofen, 'laufen', rochen, 'rauchen' usw.), anstelle des hochdeutschen Diphthongs ei setzt der Berliner ein langes e (kener, 'keiner', heßen, 'heißen' usw.). Anlautendes g- wird im Berlinischen meist als j- ausgesprochen (»ne jut jebratene Jans ist ne jute Jabe Jottes«); der Artikel 'das' lautet det, und das Personalpronomen 'ich' heißt in Berlin (wie im umgebenden niederdeutschen Sprachraum) ick.
Im Lauf des 19. und 20. Jahrhunderts breitete sich mit der zunehmenden Bedeutung des kulturellen und politischen Zentrums Berlin auch die in Berlin verwendete Mischsprache in Brandenburg aus. Dabei spielten sicherlich Pendlerströme eine nicht unbedeutende Rolle. Daß der Einfluß des Berlinischen so stark werden konnte, hängt gewiß auch mit dem allgemeinen Rückgang der niederdeutschen Mundarten und mit der in einigen Bereichen auffallenden lautlichen Ähnlichkeit von Berliner Stadtsprache und märkischer Mundart zusammen (märkisch Ogen - berlinisch Ogen, 'Augen'; märk. Flesch- berl. Flesch, 'Fleisch'; märk. ick - berl. ick, 'ich' usw.). Heute ist die ursprüngliche niederdeutsche märkische Mundart in vielen Regionen Brandenburgs durch die Berliner Stadtsprache verdrängt, d.h.: In den (vorwiegend informellen) Situationen, in denen noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts Mundart gesprochen wurde, verwendet auch die Landbevölkerung inzwischen eine regionale Umgangssprache, das Berlinische.