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Alexander von
HUMBOLDT im NETZ
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HiN
III,
4 (2002)
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Michael Zeuske
Humboldt, Historismus, Humboldteanisierung.
Der "Geschichtsschreiber von Amerika", die Massensklaverei und die Globalisierungen der Welt.
Wie Ansätze zu einem solchen historischen Transfer-Konzept aussehen könnten, sei an dem wichtigsten Werk der kubanischen Sozialgeschichte, „El Ingenio“, vom „kubanischen Braudel“ Mariano Moreno Fraginals und der Person von Nicolás Calvo de la Puerta y O‘Farril (1758-1800 oder 1802)[107], kurz Nicolás Calvo, demonstriert. Dabei ist es im Grunde zwar wichtig, ob Calvo nun 1800 oder erst 1802 gestorben ist. Wenn er schon 1800 gestorben ist, können sich Humboldt und Calvo kaum persönlich begegnet sein. Aber selbst dann gilt die Hintergrundrolle, die wir ihm in unserem Transfer-Konzept zubilligen.
Dazu seien zwei textuelle Ansätze gewählt: erstens erwähnt Alexander im Brief an seinen Bruder, daß er eine Zeit „ ...auf dem Lande bei dem Grafen Jaruco und dem Marqués de Real Socorro ... ” zubrachte.[108] und zweitens Stellen in Humboldt-Texten, die darauf Bezug nehmen. Bei „dem Marqués“ handelt es sich wahrscheinlich um Antonio de Beitía y O’Farril, (III.) Marqués del Real Socorro (1774-1811), Teniente del Prior des Real Consulado de la Habana (1795), d.h., Stellvertreter des Präsidenten der wichtigsten Standesorganisation der Oligarchie, Schwager von Ignacio Montalvo Ambulodi, Prior (Präsident) des Real Consulado, Conde de Casa Montalvo. Der Marqués del Real Socorro war Besitzer von zehn Zuckerplantagen.[109] Er spielt im Zusammenhang mit Humboldt insofern eine Rolle, daß er eben sehr viele Ingenios besaß und Humboldt wohl oder übel einmal eines dieser Ingenios besuchte. [110]
Aber wer war der “Graf Jaruco”? Auf den ersten Blick handelt es sich um Joaquín Beltrán de Santa Cruz y Cárdenas, (III.) Graf von San Juan de Jaruco und (seit 1796: I.) Graf von Santa Cruz de Mopox (1769-1807).[111] Durch seine Bindungen zu Manuel Godoy, Príncipe de la Paz, dem mächtigen Minister Karls IV. von Spanien, wahrscheinlich der zu dieser Zeit politisch einflußreichste Angehörige der Oligarchie von Havanna.
Die Herausgeber des spanischen Essai politique schreiben: “Während ihres Aufenthaltes besuchten sie mehrere Zonen der Provinz Havanna, wie Guanabacoa, Regla, Managua, San Antonio de las Vegas, Bejucal, Wajay und Güines ... Bei diesen Exkursionen wurden sie ... auf den Ingenios untergebracht, wie es Francisco de Arango y Parreño, Joaquín de Beltrán de Santa Cruz, Graf von Mopox und Jaruco und Nicolás Calvo y O’Farril taten, Besitzer der Ingenios La Ninfa, San Ignacio de Río Blanco und La [Nueva] Holanda”.[112]
Im Essai politique schreibt Humboldt mehrmals über einen “Grafen Jaruco” auf die oben zitierte Weise. Aber, wenn wir die Texte genau analysieren, scheint es manchmal, als sei dieser Graf Jaruco gar nicht auf Kuba und auch nicht wirklich mit Humboldt zusammengetroffen. Der realgeschichtliche Zugang zu unserem Modell hinkt also schon an seinem Beginn? Zumindest leicht. Nur wissen das die wenigsten, die schnelle Modelle der Humboldteanisierung konstruieren.
Die Person des “Conde de Jaruco” kommt auch gar nicht vor in den Einführungen zu Humboldts Werk, zumindest da, wo es um inhaltliche Fragen des Transfers, vulgo Kontakte, geht. Und auch in Humboldts Texten scheint der “Graf Jaruco” mehr eine Referenz an den sozialen Status Joaquín Beltráns de Santa Cruz y Cárdenas zu sein. Humboldt tendiert in seinen Texten dazu, eher die Persönlichkeiten visiblen sozialen und politischen Status’ zu nennen, als die ihm nahestehenden wissenschaftlichen Diskussionspartner.
Wie dem auch sei, Humboldt schreibt mehrfach in seinem Werk Sätze wie diese: “Ich habe während meines Aufenthaltes in Güines, vorzüglich in Río Blanco beim Grafen von Mopox [das ist auch der “Graf Jaruco” – M.Z.], verschiedene neue Konstruktionen versucht in der Absicht, den Bedarf von Brennstoffen zu vermindern, den Herd mit Substanzen, die schlechte Wärmeleiter wären, einzufassen und den Sklaven, die das Feuer unterhalten müssen, ihr Geschäft minder peinlich zu machen.”[113] Diese Textstelle beweist auf jeden Fall, daß Humboldt an den Technologie- und Ressourcendebatten der kubanischen Elite teilnahm. Nicht nur diskursiv, sondern handelnd. In der Realgeschichte und am “Objekt” allerdings nur sehr kurz, das heißt, während eines seiner Ausflüge in die Plantagenzone von Güines (etwa drei Wochen im Februar 1801 und wenige Tage im März 1801; wie lange 1804, ist unklar). Humboldt hatte bei diesen Debatten auch Probleme der Sklaven mit im Auge. Wenig sinnvoll ist die Fußnote des Herausgebers genau zu dieser Textstelle: “Hier werden die von der Aufklärung bestärkte praktische Hilfe Humboldts für die Sklaven besonders evident, eine frühe Form der Entwicklungshilfe, der Erfolg beschieden war”[114] Sie ist vor allem im Rahmen des Transfer-Konzepts der Humboldteanisierung nicht sinnvoll, weil wiederum Humboldt zum Vater der Modernisierung, hier auch noch zum Urgroßvater der Entwicklungshilfe, stilisiert wird.
Wir meinen, daß Nicolás Calvo 1800/1801, vermittelt über “seine Erben”, wie Fernando Ortiz schreibt (seine beiden Söhne oder einer von ihnen)[115], eine entscheidende Person für Humboldt war. Wenn Calvo nicht schon 1800 gestorben ist, hat er möglicherweise Humboldt auf dem “Plantagenausflug” im Februar 1801[116] begleitet. Wenn er nicht mehr am Leben war, wurde Humboldt von einem oder beiden Söhnen Calvos begleitet. Keiner der europäischen Humboldtforscher hat je ein Wort über Nicolás Calvo verloren. Allein ein kurzer Blick auf die Themata, mit denen sich Calvo beschäftigte, werden die Bedeutung des kreolisch-amerikanischen Inputs für das Werk Humboldts und für die Humboldteanisierung zeigen, egal ob er bis 1800 oder bis 1802 lebte.
Nicolás Calvo stellte mit oder sogar noch vor Francisco de Arango die wirklich entscheidende Person in einer zivil und technologisch orientierten Gruppierung von Akteuren der Oligarchie von Havanna dar[117]. María Dolores González-Ripoll in ihrem neuesten Buch stellt Calvo zwar nicht in das Zentrum ihrer Betrachtungen, aber schreibt über ihn: “Diese Persönlichkeit, Ex-Dominikaner und Mitglied einer der einflußreichsten Familien von Havanna, scheint eine der Schlüsselfiguren der kubanischen wissenschaftlichen Aufklärung zu sein, denn er erscheint immer verbunden mit den Hauptprojekten des wissenschaftlichen Fortschritts ...”.[118] So ist es. Calvo war Sohn des I. Grafen von Buenavista, Bruder des Marqués von Casa Calvo (II. Graf von Buenavista[119]) und Onkel der Gräfin von Jaruco, d. h., von Teresa de Montalvo y O’Farril, der Frau von Joaquín Beltrán de Santa Cruz. Er war auch Cousin des Marqués von Casa Peñalver (General Gonzalo O’Farril y Herrera, 1754-1831, Paris[120]) und Cousin von Arango selbst. Sowohl sozial, aber als Zensor der Sociedad Económica de Amigos del País von Havanna und Redakteur der Zeitung “Papel Periódico” auch institutionell, war Calvo sehr gut in der Oligarchie verankert[121]. Er war Mitglied des Ordens ”Carlos III”. Die wirtschaftliche Verankerung zeigt sich in seiner Rolle als modernisierungsfreudiger Besitzer der Ingenios ”El Cangre” und “La Nueva Holanda”[122] bei Güines (wo er die künstliche Bewässerung von Zuckerrohrfeldern einführte). Um seine Verflechtungen mit der kreolischen Intelligenz anzudeuten, erwähnen wir hier vor allem José Agustín Caballero y Rodríguez de la Barrera (1762-1835), Inhaber des Lehrstuhls für Philosophie an der Universität Havanna und, obwohl der 1800 noch sehr jung war, Tomás Romay Chacón (1769-1849), Initiator der Pockenimpfung und der wissenschaftlichen Erforschung des Gelbfiebers.[123]
Nicolás Calvo war ein typischer Vertreter der Wissenschaft im Aufklärungszeitalter, mit breiten Kenntnissen in Mathematik, Botanik, Chemie; er beherrschte mehrere Sprachen (Latein, Griechisch, Italienisch, Englisch und Französisch). Er malte und musizierte selbst. Calvo hatte sich ein chemisches Laboratorium eingerichtet; er verfügte über modere Instrumente (z. B. Mikroskope oder ein sog. “Hidrometer” oder “Zuckermesser”) und mehrere Sammlungen.[124] Viele Texte und intellektuelle Stimmen des kubanischen 19. Jahrhunderts sind Echos der Originalstimme Nicolás Calvo.
Nun zu den Inputs. Um zu zeigen, daß die gigantische Aufgabe (zumindest für Historiker), sozusagen die Schnittstellen der realen Humboldteanisierung zu erforschen, in Umrissen zumindest begonnen werden kann, benutzen wir das Personenverzeichnis von Manuel Moreno Fraginals Klassiker „El Ingenio“ (1963), Stichworte „Calvo, Nicolás“ und „Humboldt, Alexander (barón de Humboldt)“. Wir schauen zunächst nach den Textbezügen und Themen, in bzw. mit denen Calvo dort dargestellt ist. Dann werfen wir einen Blick auf die Überschneidungen mit dem Stichwort „Humboldt“.
Moreno Fraginals „El Ingenio“ ist vor knapp vierzig Jahren publiziert worden. Einige seiner Aussagen sind sicherlich im Detail nicht mehr zu halten und im Gesamturteil überzogen, aber das soll hier zweitrangig sein.
Der Name Nicolás Calvo erscheint erstmalig im Zusammenhang mit „Amigowirtschaft“. Die Pflanzer hätten Plantagen für die imperialen Bürokraten, Luis de la Casas (Gouverneur und Generalkapitän Kubas) und José Pablo Valiente gekauft und diese damit quasi bestochen. Konkret geht es um das Gut ”La Ninfa”, die damals weltgrößte Plantage. Dazu kommt der Vorwurf der Bereicherung im Amt und der Hinweis auf Debatten um technologische Verbesserungen an den Zuckermühlen.[125] Dann geht es um die Vertreibung der Tabakbauern (labradores, vegueros) von den Ebenen um Güines und um den Widerstand der kreolischen Zuckerelite gegen staatliche Schutzmaßnahmen für den kleinen Tabakbesitz, im Kern also um einen Konflikt zwischen „großem“ und „kleinem Kuba“.
Autor eines Informes über dieses Problem ist Nicolás Calvo. Für die llanos de Mayabeque bei Güines (was dann in Humboldts Essais als das ”schöne Tal von Güines” erscheint, landwirtschaftlich so wertvoll, weil der Fluß Mayabeque eine natürliche Bewässerung darstellte, so daß Tabak, aber auch Zuckerrohr schon in der Trockenzeit des Januar, Februar und März gepflanzt werden konnten) fordert er in seinem Bericht: „Los mismos labradores q.e vendan á los amos de ingénio las tierras de Güines, irán con este producto á cultivar las otras tierras que el Rey les proporcionará á tributo” (”Die labradores [Tabakbauern] mögen an die Herren der Ingenios das Land von Güines verkaufen und mit diesem Produkt [dem Tabak] mögen sie die anderen Ländereien [tierras] kultivieren, die ihnen der König zum Tribut zur Verfügung stellen solle“)[126]. Hier geht es um ein Überlebensproblem des „großen Kuba“ um 1795-1800: wegen der hohen Gewinne waren die Bodenpreise im Umkreis von Havanna explodiert. Calvo führt in dem gleichen Informe aus, daß der Boden bei Güines schon 2000 bis 2500 Pesos pro Caballería (13,5 ha) kostete, während guter Boden im Westen Havannas (Vueltabajo) noch für 50 Pesos/Caballería zu haben sei.[127] Zugleich nahm die Bodenqualität wegen der mangelnden Düngung und der Überlastung des Bodens rapide ab. Die hohen Transportkosten und der unterentwickelte Transport behinderten eine Expansion der Plantagenwirtschaft in das Innere der Insel, obwohl insgesamt noch nicht einmal 5% des Gesamtbodenareals der Insel belegt war. Und die Schutzmaßnahmen der Krone für die Tabakbauern auf dem guten Boden in der Nähe Havannas verhinderten - nach Calvo und Arango - die weitere Erschließung der Insel durch den kleinen Tabakbesitz einerseits, den Ausbau der Zuckerwirtschaft andererseits. Wenig später wurde Calvo zum Chef einer Kommission ernannt, die die Änderung des Rechtsstatus des ”Dorfes” (pueblo) Güines zur Landstadt (villa) vorbereitete. [128]
Weiter in der Themenliste Elitendebatte: Calvo erscheint wieder im Zusammenhang mit den „energetischen Flaschenhals“ der technologischen Modernisierung der Zuckerproduktion – dem Einsatz von Dampfmaschinen zum Antrieb der Zuckermühlen (bzw. direkt der Walzen, ein weiteres Problem war der Übertragungsmechanismus), kurz Ressourcen- und Energiedebatten im Rahmen der Industrialisierung der Agrarproduktion. In seiner Bibliothek befand sich 1794/95 das einzige Exemplar über Erfahrungen im Einsatz der Dampfmaschine auf Jamaika (Stewart, John, A description of a machine invention to work mills by the power of a fire-engine, but particularly useful and profitable in grinding sugar-canes, o.O, 1767).[129] All dies steht im Zusammenhang mit „Expeditionen in die Moderne“, d.h., Reisen von Angehörigen der Zuckerelite in andere Länder und auf andere Zucker-Inseln, vor allem nach Saint-Domingue (oder später nach Haiti, um zu sehen, ob die Konkurrenz am Boden bleiben würde), nach Jamaika oder Barbados. „Durch Haiti, Jamaika oder Barbados gereist zu sein, war wie einen Titel in industriellen Fähigkeiten zu erhalten, wie ein Doktorat in Ingenios. Es war etwas, von dem mit Stolz Nicolás Calvo, Martínez Campos, Antonio Morejón, José Ignacio Echegoyen [und Arango sowie Ignacio Pedro Montalvo, die 1794 nach Spanien, Portugal (Sklavenhandel!), England, Barbados und Jamaika gereist waren] sprachen ... .“[130].
Dann kommt bei Moreno die Charakteristik von Nicolás Calvo – „Mann von klar definierten bürgerlichen Ideen und die einzige Figur, die in den letzten Dekade des 18. Jahrhunderts die gleiche intellektuelle Größe wie Arango hatte ... [in seinen Texten] mit klarer Sprache, sauber, konzis, mit Geschmack nach Kontabilitätsbuch“ - und der Verweis, daß er sich für die Gründung von Chemie- und Botanikschulen einsetzte.[131] Chemie und Botanik bedeutet auf Kuba Wissenschaft des Zuckerrohranbaus und der Zuckerproduktion.[132] Im Grunde ging es aber um viel mehr – um massive Investitionen in Bildung für Grundlagenforschungen und zur Ausbildung von Fähigkeiten für die Modernisierung mit Sklaverei. Aber eben nicht nur um das, deshalb ist die kräftige Prise (damals) modernen Vulgärmarxismus bei Moreno immer mit in das Kalkül zu ziehen. Calvo war einer der Hauptverfechter eines Institutionenkomplexes, dessen Säulen eine „Schule für Mathematik“, eine Schule für experimentelle Physik (mit Maschinensaal), ein Kabinett für Naturgeschichte, ein Botanischer Garten und eine Schule für praktische Anatomie sein sollten.[133] Auch Musik-, Mal- und Zeichenschulen sowie Institutionen der Hebammenausbildung sollten nicht fehlen. Vielleicht noch wichtiger für die allgemeine Kultur waren die Aktivitäten zur Sammlung und Systematisierung von Worten des lokalen Spanisch, das berühmte „Diccionario de voces provinciales“.[134]
Weiter in unserer imaginären Elitendebatte: Kostendiskussion. Oder besser – Produktion erhöhen, Kosten senken. Nicolás Calvo war in seiner klaren Sprache derjenige, der im „Krieg um den Zehnten“ das Feuer auf die Personalpolitik der Kirche, auf die Zehnten und die anderen Abgaben an die Kirche eröffnete. Die Aufgaben des Kapellans auf den Plantagen sollten möglichst zweite oder dritte Söhne der Besitzer sozusagen nebenbei erledigen; die Friedhöfe für die Sklaven gehörten für die Besitzer aus Kostengründen auf die Ingenios. Dazu kam, daß die katholische Soziallehre in den Köpfen der Sklaven aus Sicht der Besitzer Gefahrenpotential barg. Besonders eifrige und sozial engagierte Pfarrer mochten die Besitzer nicht.
In diesem Zusammenhang ist Calvo für Moreno Fraginals der „progressivste Zuckerproduzent“.[135] In dem schweren Konflikt zwischen Zuckerproduzenten und Kirche in den Jahren zwischen 1796 und 1804 brachte Calvo den Vorschlag zu einer Zwischenlösung an, die einen weiteren Punkt auf der Liste der Elite-Debatte berührt – Wegebau und Transportkosten sowie Organisation und Technik des Transports. Er schlug vor, einen Teil des Kirchenzehnten für den Wegebau zu verwenden.[136] Auch in bezug auf die Infrastrukturpolitik gehörte Calvo zu den technologisch progressivsten Menschen seiner Zeit.
In bezug auf Werte, Images und Symbole, verortet Moreno Fraginals Calvo, zusammen mit Arango, klar auf der Höhe ihrer Zeit. Sie erfinden eine neue Geschichte Kubas. Humboldt übernimmt sie. In Kurzfassung lautet die Zuckerproduzentenversion der Geschichte Kubas so: die moderne Geschichte datiert seit 1763, eigentlich seit 1762, dem Jahr der Eroberung Havannas durch Großbritannien. [137] Beide arbeiten auch intensiv an der Ikonisierung „Haitis“. [138]
Nützlichkeit und (ökonomische) Talente sind die einzigen Werte, die für Calvo und Arango (sowie Humboldt) Adel begründen können. Sie verbreiten Satire über die gekauften Titel der Oligarchie und über ihre Sucht nach militärischen Rängen. Kuba ist für sie keine Kolonie, sondern hatte vieles, was moderner und besser war als die alte Metropole Spanien, in der Spannbreite zwischen Eisenbahn (ab 1837) und watercloset, letzter Schrei der Sanitärhygiene.[139] Das könnte noch unter „normaler“ Luxuskonsummentalität lateinamerikanischer Eliten rangieren; die kubanische Elite aber ging viel weiter: sie hielt den Kernbereich der Produktion – die Landwirtschaft Kubas oder besser die Zuckerproduktion ihres „großes Kuba“ - mit einigem Recht - für moderner als die des Mutterlandes. In dieser Perspektive war Spanien für sie lächerlich unmodern.
Das sind die direkten Textzusammenhänge, in denen Nicolás Calvo namentlich genannt wird. Sie betreffen ausnahmlos alle Punkte der Elitendebatte (mit Ausnahme des Punktes „soziale Nachhaltigkeit durch Abschaffung des Sklavenhandels und der Sklaverei“), die wir oben aus Perspektive der Humboldttexte geschildert haben.
Wir haben diese Methode hier verwandt, um die Figur, vor allem aber die Stimme, von Nicolás Calvo in diesen Debatten, an denen auch Humboldt teilnahm, schärfer zu konturieren. Wir wollten Themen aufzeigen, die Humboldt von Calvo und seiner Gruppe von Akteuren übernehmen konnte und nicht etwa umgedreht. Die Inputs der Humboldteanisierung sind in dieser Perspektive also zunächst lokales Wissen oder damaliges universelles Spitzenwissen, das Humboldt über persönliche Transfers von Leuten aufnimmt, die den praktischen Wert dieses Wissens kennen. Humboldt wählt dieses lokale Wissen unter universellem Gesichtspunkt aus und gibt ihm Bedeutung.
Nun zu Humboldt in unserer Textdekonstruktion Morenos. Beide, Calvo und Humboldt, kommen zusammen nur an einer Stelle zusammen vor, in einer Fußnote, in der Moreno den Fehler eines der großen Zuckerhistoriker, Noël Deerr[140], erklärt. Deerr habe, mit einer Information aus Humboldts Essai politique über Kuba angenommen, daß es auf Kuba 1804 schon 25 Ingenios mit Dampfmaschinenantrieb gegeben habe, übersieht aber, daß diese Zahl eine Realität widerspiegelt, die für die zwanziger Jahren gilt, in denen Humboldt seinen Essai politique schrieb.[141] Ansonsten kommt Humboldt bei Moreno eigentlich immer in der Nähe von Arango vor. Das ist standesgemäß aus Sicht der kubanischen nationalen Meistererzählung. Einzelthemen sind der „Kanal von Güines“[142], den auch Humboldt immer wieder in seinen Texten erwähnt. Der Kanal wird sozusagen überholt durch die Eisenbahn, die 1837 von Havanna in das Herz der Plantagenzone gelegt wird: San Julián de los Güines, das „schöne Tal von Güines“. Das idyllische Tal wird zum Geburtsort des vollmechanisierten Ingenios, die in bezug auf Technologie das 19. Jahrhundert bis 1870 dominieren. Zwanzig Jahre nach 1837 sind alle damaligen Plantagenzonen und die wichtigsten Häfen miteinander vernetzt.[143]
Neben „Tal und Kanal von Güines“ steht Humboldt bei Moreno immer in einem Diskurszusammenhang, der von „internen Daten“ der Plantagen über die Mentalität der kreolischen Zuckerelite meist zu den Begriffen „Lüge“ und „Täuschung“ führt.[144] Moreno greift die „harten“ Datengrundlagen des Humboldtschen Essais an. Er kann sie durchaus erschüttern. Es handelt sich vor allem um Zahlen über Produktionskosten und Gewinne.[145] Im Textbezug geht es um eine Anmerkung Humboldts zu den „Preisen des Kolonial-Zuckers in Europa“ im Essai politique. Für sie hatte Humboldt, nach eigenen Worten „eine sehr alte Berechnung von Don José Ignacio Echegoyen über die Fabrikationskosten des Zuckers“ herangezogen, „... die mir in Havanna mitgeteilt worden ist, [sie] rührt vom Jahr 1798“.[146] Der andere Textbezug im Essai Humboldts sind die Berechnungen über den Ertrag in Zucker pro Flächeneinheit Boden.[147] Dieser Angriff auf die Zahlen Humboldts von seiten eines Historikers, der das lokale Wissen analysiert, stellt in unserem Zusammenhang der Humboldteanisierung eine sehr ernste Angelegenheit dar, denn hier handelte es sich um den Kern des Humboldtschen Wissenschaftsverständnisses überhaupt.
Ein weiteres sehr ernstes Thema ist das Problem der energetischen Basis der Zuckerherstellung, vor allem das Problem des Waldes, des [Brenn-] Holzes, seines Ersatzes durch Bagasse (ausgepresstes Rohr und getrocknete Zuckerrohrabfälle, Trester, Blätter o.ä.). Weiterhin findet sich Humboldt bei Moreno noch im Zusammenhang mit technologischen Verbesserungen der Zuckerproduktion selbst sowie ihrer Geräte und im Zusammenhang mit den Verkaufsusancen der Besitzer, vor allem in bezug auf das Problem, sowohl den braunen, wie auch den raffinierten, weißen Zucker abzusetzen.[148]
Alles Kernbereiche der Elitendebatte. Moreno weist darauf hin, daß die Propaganda der kubanischen Elite: „im Ausland, vor allem auf Jamaika ist alles besser“ etwa im Gestus unserer heutigen gleicht, die auf das Motto zurecht gekürzt werden könnte: „in den Staaten ist alles besser“. Sie diente (und dient) dazu, bestimmte Ziele zu verwirklichen, das Publikum zu beeinflussen und mehr Geld zu erhalten. Nach Moreno ist Humboldt dieser Eliteargumentation zum Teil auf den Leim gegangen.[149]
Bei den wirklich starken und eigenständigen lateinamerikanischen Arbeiten, wie dem Klassiker „El Ingenio“ von Manuel Moreno Fraginals, handelt es sich um eine Rezeption Humboldts aus der Perspektive des lokalen Wissens und seiner Hauptvertreter, im Falle Kubas von Francisco de Arango sowie Nicolás Calvo und vieler anderer mehr.[150] Das ist für unser Transfer-Konzept der Humboldteanisierung besonders wichtig und sehr schön. Es ist unserer Meinung nach ein starkes Indiz für die Tatsache, daß die aktiven Inputs - das soll auch unsere Schlussthese sein - dieser realen Humboldteanisierung während der amerikanischen Reise 1799-1804 eben amerikanisch-autochthon im umfassendsten Sinne, lokal und sowohl spanisch wie auch kreolisch waren. Ausnahmen bestätigen die Regel. Das Genie Humboldts bestand in der aktiven Suche nach diesen Personen, der Auswahl, der gesamtamerikanischen Verknüpfung der Informationen, der Verknüpfung auch mit seinen Beobachtungen und der Bedeutungszuweisung innerhalb seines universellen naturwissenschaftlichen empiristischen Kosmos. Der historistische Schlusspunkt ist die schöne Synthese all dessen. Die Konstruktion seines Gesamtwerkes fand statt in ständigem Bezug zu diesen Inputs und der empirischen Basis und zu den wichtigsten Werken seiner Zeit. Insofern ist das Ganze mehr als die Summe der Teile (oder Inputs).
Am „Sklavenkapitel“ des Essai politique lässt sich auch zeigen, daß Humboldt eben nicht nur die praktischen und pragmatischen Probleme der Elitendebatte reflektierte und im Sinne genialer Synthesen in sein Gesamtbild, das „politische Gemälde“ einbaute, sondern daß er aktiv eigene Lösungsstrategien entwickelte; Lösungsstrategien die Entwicklungsprobleme und -richtungen („Wege“ bzw. „Pfade“) ganzer Gesellschaften betrafen. Er erarbeitete in gewissem Sinne historische Kontext- und Struktur- sowie Verlaufsanalysen für Entwicklungspfade; der von ihm vorgeschlagene Entwicklungspfad einer agrarischen Entwicklung ohne die direkte Bindung der Arbeitskräfte durch Sklaverei setzte sich auf Kuba erst 1886 durch, allerdings ohne daß dabei die Strukturen des ”großen Kuba” zerschlagen worden wären.
Die ideologische Humboldteanisierung Lateinamerikas (ab 1821), auf die sich Ortega y Medina bezieht (in gewissem Sinnen gilt das auch für die USA, wie die Thrasher-Episoden zeigen, für Venezuela[151] und, wie gesehen, für Kuba), wäre dann sozusagen der kulturell aktive Reimport dieses Wissens nach Lateinamerika. Aber nun auf die kulturellen Interessen eines Teils der Elite bezogen, meist der, die sich als „liberal“ definierte, d.h., „europäisch-universell“ („westlich“) geadelt, akademisch kanonisiert, technologisch-pragmatisch und möglichst ohne die sozialen Bezugspunkte der Originalperspektive Humboldts. Ohne die Integration dieses Humboldteanismus in den jeweiligen Nationaldiskurs und den kontinentalen América-Diskurs erschien den eurokreolischen liberalen Eliten (aber auch vielen Konservativen) Lateinamerikas die kulturelle Moderne ihres Weltteils unvollständig.
Mit Miguel Ángel Puig Samper könnten wir diese Modernität als modernidad periférica [152] bezeichnen, cum grano salis, eine periphere Moderne. Uns scheint der Begriff otra modernidad, eine andere Moderne, im Falle Kubas eben herbeigeführt auf dem für Humboldt falschen Wege einer Modernisierung mit Massensklaverei, angemessener.
Humboldt und sein Werk müssen immer wieder gelesen, diskutiert und von jeder Generation „neu“ erschaffen werden; heute muss die Diskussion sicherlich zusammen erfolgen mit der über den Sinn des Empirismus in den Sozialwissenschaften und des Historismus in der Geschichte sowie den Konzepten Universalität, Modernisierung, Modernität, Modernen und Globalisierung.[153]
Havanna, Cienfuegos, Güines, Liblar, Köln und Leipzig, 1998-2002
[107] Marrero, Levi, Bd. 13, S. 40. Bei Levi sind die Zahlen verdreht. Nach Santa Cruz y Mallen starb Nicolás Calvo am 16. Dezember 1800, das heißt, drei Tage vor der Ankunft Humboldts in Havanna. Andere Autoren geben den 16. Dezember 1802 an; siehe: Santa Cruz y Mallen, F. J. de, Historia de familias cubanas, 6 Bde., La Habana: Ed. Hércules, 1940-1950, Bd. IV, S. 120. Das Todesjahr Calvos scheint ein Detail zu sein. In bezug auf Humboldt zeigt es aber, wie wenig wir in Wirklichkeit über realen Bedingungen dieser Zeit wissen und wie sehr der Humboldt-Mythos diese Zeit „überschrieben“ hat. Um das wenigsten mit Fakten anzudeuten, habe ich hier die unterschiedlichen Angaben einfach stehen lassen.
[108] Humboldt, Briefe aus Amerika ..., Brief 55 (21. September 1801), S. 147f.
[109] ”Incidente al Concurso de la Sra. Marquesa la viuda del R.l Socorro, promovido para que se separe de sus bienes el Quinto perteneciente al Sor. su esposo” (1834): ANC, Escribanía de Guerra, leg. 806, No. 12281.
[110] Moreno Fraginals, Manuel, El Ingenio. Complejo económico social cubano del azúcar, tom. I, La Habana: Comisión Nacional Cubana de la UNESCO, 1964, S. 16 und 43.
[111] Eigenartigerweise verweist Margot Faak hier auf einen Unterschied zwischen den „biographischen Quellen und Humboldts Aussage“, siehe: Humboldt, Alexander von: Reise durch Venezuela. Auswahl aus den amerikanischen Reisetagebüchern. Hrsg. u. eingel. v. Margot Faak. Berlin: Akademie Verlag 2000 (Beiträge zur Alexander-von-Humboldt-Forschung, Bd. 12), S. 513, Anm. zu S. 430: Dieser “Graf Jaruco” sei nach mehreren Quellen 1798 nach Madrid gereist und erst 1802 nach Kuba zurückgekehrt. “Nach den Quellen war [Graf] Jaruco 1801 in Spanien und nach ihnen kehrte er nach seiner Rückkehr nach Kuba 1802 auch nicht wieder nach Spanien zurück. Danach ist weder zu verstehen, wie Humboldt ihm 1801 auf Kuba begegnet sein soll, noch wann er ihm seine “Papiere” mitgegeben haben könnte.”, Ibid. Es kann sich beim von Humboldt erwähnten “Conde Jaruco” natürlich um Javier Beltrán de Santa Cruz, (II.) Graf von San Juan de Jaruco handeln. Völlig verwirrend wird die Angelegenheit bei der Lektüre der Artikel über Joaquín Beltrán de Santa Cruz y Cárdenas als Leiter der innerkubanischen Expedition nach Guantánamo (1796-1802), siehe: Gomis Blanco, Alberto, „Las ciencias naturales en la expedición del Conde de Mopox a Cuba“, in: Ibid., S. 309-319. Die Sache löst sich auf bei der Lektüre der Abschnitte von: Marrero, Leví, Cuba: economía y sociedad, 15 Bde., Madrid: Editorial Playor, S.A., 1972-1992; Bd. XIII, S. 250-262 einen ganzen Anhang unter dem Titel „Ein kubanischer Graf am Hof von Karl IV.“ bringt. Graf Jaruco war von 1789 bis 1796 in Europa und Madrid und von 1797 bis 1802 wohl auf Kuba (allerdings mit der Leitung der „Expedition nach Guantánamo“ und gigantischen Monopolgeschäften befasst). Er reiste 1802 nach Madrid.
[112] Puig-Samper; Naranjo Orovio; García González, Ensayo Político ..., S. 41. Auf La [Nueva] Holanda von Nicolás Calvo de la Puerta y O’Farril und auf San Ignacio de Río Blanco befanden sich Humboldt und Bonpland zwischen dem 6. und dem 15. März 1801, Ebd., S. 44.
[113] Cuba-Werk, S. 121. Humboldt war in San Ignacio de Río Blanco im März 1801 bei der Abreise nach Neu-Granada über Trinidad und schreibt, daß das „Herrenhaus von seinem Besitzer verschönt wurde“, siehe: Puig-Samper; Naranjo Orovio; García González, Ensayo Político ..., S. 318. Nicht ganz klar wird, ob der Graf auch wirklich anwesend war. Allerdings bezieht sich Humboldt in Cuba-Werk, S. 109 expressis verbis auf Nicolás Calvo und dessen Rolle bei der Einführung „der französischen Methode der Reverberieröfen“. Diese namentliche Erwähnung als Technologie-Modernisierer hatte mich zunächst dazu verführt, anzunehmen, Calvo hätte bis 1802 gelebt. Die Angaben von Santa Cruz y Mallen aber sind meist sehr zuverlässig. Deshalb interpretiere ich diese Stelle anders. Die Erinnerung an die Stellung Nicolás Calvos in der Technologiedebatte war so stark, daß sich auch im Werk Humboldts niederschlug. Eventuell hat Humboldt das ”Informe” Calvos von 1797 über die Möglichkeiten der Zuckerwirtschaft im Valle de Güines gelesen (Calvo schreibt dort über die Reverberieröfen: ”... del muy útil y nunca bien elogiado invento de los reverberos con clarificadoras, á cuyo beneficio el Negro tabaja ménos y el dueño coge mas y mejor fruto”, siehe: Informe de Nicolás Calvo al Real Consulado, 6 de Septiembre de 1797, ANC, Real Consulado y Junta de Fomento de la Isla de Cuba, leg. 85, No. 3489, f. 2v.). In den Briefen Humboldts wird expressis verbis nur der „Marquis de Casacalvo“, Gouverneur von Luisiana, Sebastián Calvo de Puerta y O'Farril (1749-1820), der ältere Bruder von Nicolás Calvo, erwähnt, siehe: Humboldt, Briefe aus Amerika ..., S. 307.
[114] Cuba-Werk, S. 121, Anm.
[115] Alejandro de Humboldt, Ensayo político sobre la Isla de Cuba ... (1998), S. XXXI.
[116] Chronologische Übersicht über die wichtigsten Daten seines Lebens. Bearb. v. Kurt-R. Biermann, Inge Jahn u. Fritz G.Lange (sowie in der 2.Aufl. Margot Faak und Peter Honigmann), Berlin 1983, S. 30. Die Reise währte vom 1. Februar bis zum 21. Februar (circa). Gesehen hat Humboldt, nach dieser Chronologie, die Hacienda Fondadero (1. und 2. Februar 1801), die Hacienda [San Ignacio] de Río Blanco (14. Februar), die Hacienda del Almirante (15. und 16. Februar) und die Hacienda de San Antonio (Sebastián Pichardo). Wenn es wirklich nur diese gewesen sein sollten, ist es eher unwahrscheinlich, daß Calvo die Reisenden begleitete (was auch dann gilt, wenn er schon 1800 gestorben ist), denn dann hätte er sie mit auf seine Hacienda “La Nueva Holanda” genommen. Zur Zone um Güines siehe: Moreno Fraginals, Manuel, El Ingenio. Complejo económico social cubano del azúcar, 3 Bde., La Habana: Ed. de Ciencias Sociales, 1978, Bd. I, S. 140f.
[117] Arango ist wohl erst – wahrscheinlich parallel zu Humboldt - von der kubanischen Historiographie seit dem späten 19. Jahrhundert auf diese hervorgehobene Stelle unter der Oligarchie gehoben worden. Kuethe schreibt: „The events of 1808 suggest that Arango y Parreño’s place in history must be reconsidered. Undoubtedly, he was a bright, capable spokesman for the Cuban elite, but to rank him, as most have, as a major figure in the Havana patriciate is off the mark. Although important, he was not a leading sugar producer, nor did he stand at the head of the planter aristocracy, a role that would be best ascribed to the O’Farrill, Montalvo, Beitía, Chacón, Núñez, Beltrán, and Calvo men.“, siehe: Kuethe, Allan J., Cuba, 1753-1815. Crown, Military, and Society. Knoxville: The University of Texas Press 1986, S. 176. Diese Gruppe wurde größtenteils durch Heiraten mit O’ Farril-Töchtern oder durch die Tatsache, daß viele von ihnen auch O’Farril-Mütter hatten, zusammengehalten. Es handelt sich um eine sehr endogame Gruppe der Nachkommen von John O’Farril, Faktor der englischen South Sea Company in Havanna nach 1713; siehe: González-Ripoll Navarro, Cuba, la isla de los ensayos: ..., S. 18. Eduardo Torres-Cuevas vertritt die Auffassung, daß Calvo nur deshalb kein “Arango” geworden ist, weil er so zeitig starb; siehe: Torres-Cuevas, „Los reformismos cubanos: de Arango y Parreño a Pozos Dulces“, in: Ramón de la Sagra y Cuba, 2 Bde., Sada - A Coruña: Ediciós do Castro, 1993 (I: Actas del Congreso Celebrado en Paris. Enero 1992; II: Textos), I, S. 37-59, hier S. 42f. Zur sozialen Verankerung siehe auch: Amores, Juan B., Cuba en la época de Ezpeleta (1785-1790), Pamplona: Ediciones Universidad de Pamplona, 2000, S. 51-69.
[118] González-Ripoll Navarro, Cuba, la isla de los ensayos: ..., S. 205-222.
[119] Sebastián Calvo de la Puerta y O’Farril, siehe auch: Kuethe, Cuba ..., S. 121.
[120] Ebd., S. 148f. Die Mutter von Gonzalo war eine Herrera aus der Familie des Marqués de Villalta, einer der Hauptaktionäre der Real Compañía de La Habana. Gonzalo O’Farril war zeitweilig Botschafter in Preußen und Kriegsminister in Spanien. Humboldt hatte Geldgeschäfte mit ihm. Er ging 1808 wie viele der Spitzen der aufgeklärten intellektuellen Elite auf die Seite Napoleons über, wo er ebenfalls als Kriegsminister fungierte, siehe: Juan Francisco Fuentes, La monarquía de los intelectuales: élites culturales y poder en la España josefina, in: Gil Novales (ed.), Ciencia y independencia política, Madrid: Ediciones de Oro, 1996 (Colección: Anejos de la Revista Trienio, Ilustración y Liberalismo, Nº 3), S. 213-222; José Ramón Bertomeu Sánchez, „La colaboración de los cultivadores de la ciencia españoles con el gobierno de José I (1808-1813)“, in: Ebd., S. 175-212.
[121] Kuethe, Cuba ..., S. 49-51; Tornero Tinajero, Pablo, Crecimiento económico y transformaciones sociales. Esclavos, hacendados y comerciantes en la Cuba colonial (1760-1840), Madrid: Ministerio de Trabajo y Seguridad Social, 1996, S. 158-193; Álvarez Cuartero, Izaskun, Memorias de la Ilustración: las Sociedades Económicas de Amigos del País en Cuba (1783-1832), Madrid: Real Sociedad Bascongada de los Amigos del País, 2000.
[122] „La Nueva Holanda“ gehört für Morero Fraginals zu den „grandes gigantes“ der Zuckerproduktion am Beginn des 19. Jahrhunderts, zum Typ „große Manufaktur“ (mit 120 Ochsengespannen für den Transport!) die von einem französischen Fachmann, Julien Lardière (von Saint Domingue/Haiti) angelegt worden waren: Moreno Fraginals, El Ingenio ..., I, S. 73 Fußnote, S. 75, S. 201. Zur Modernisierung in der Zone von Güines aus der Perspektive Humboldts, siehe: Cuba-Werk, S. 116.
[123] López Sánchez, José, Tomás Romay y el origen de la ciencia en Cuba, La Habana: Academia de Ciencias, 1964.
[124] Die einzige Kurzbiographie ist der ”Elogio” (Nachruf) auf Nicolás Calvo: Caballero, José Agustín, „Elogio del Sr. Nicolás Calvo y O’Farril“, in: Ders., Escritos varios, La Habana: Editorial de la Universidad de La Habana, 1956, tom. I, S. 175-196. Ich konnte diesen Text erst im März 2001 bei einem Archivaufenthalt im Archivo Nacional de Cuba (ANC) in Havanna einsehen. Diesem Nachruf nach ist Calvo am 15. Dezember 1800 an einem Fieber gestorben (S. 196).
[125] Moreno Fraginals, El Ingenio ..., I (1978), S. 58, FN.
[126] Informe de Nicolás Calvo al Real Consulado, 6 de Septiembre de 1797, ANC, Real Consulado y Junta de Fomento de la Isla de Cuba, leg. 85, No. 3489, f. 12r./v.
[127] Ibid., f. 11v.
[128] Caballero, Escritos varios ..., t. I, S. 193-195.
[129] Moreno Fraginals, El Ingenio ..., I (1978), S. 74.
[130] Ebd., S. 75.
[131] Ebd., S. 76f . („Discurso de don Nicolás Calvo promoviendo el establecimiento de una escuela de química y botánica“, in: Memorias de la Real Sociedad Patriótica, t. I, S. 147-160).
[132] Siehe aber den Schock für die Zuckerelite, als der erste in Europa wissenschaftlich ausgebildete Chemiker nach Kuba kam und nicht mehr in der alten magischen Art und Weise der Zuckermeister sprach, sich ihren Alchimisten-Ritualen verweigerte, seriös auftrat und keine schnellen Gewinne versprach, Moreno Fraginals, I, S. 132.
[133] González-Ripoll Navarro, Cuba, la isla de los ensayos: ..., S. 206.
[134] 1836 dann endgültig publiziert durch Esteban Pichardo Tapia, siehe: Pichardo Tapia, Esteban, Diccionario provincial casi razonado de vozes y frases cubanas, La Habana: Impr. El Trabajo (4ª edic.), 1875 (La Habana: Ed. de Ciencias Sociales/Instituto Cubano del Libro, 1976), S. 1-23; López Sánchez, Tomás Romay ..., S. 57.
[135] Moreno Fraginals, I, S. 115f.
[136] Calvo y O’Farril, Nicolás, „Memoria sobre los medios que convendrían adoptar para que tuviese la Havana los caminos necesarios“, La Habana: Imprenta de la Capitanía General, 1795, zit. nach: Moreno Fraginals, I, S. 124f., 149f.
[137] „Ich habe mehrfach daran erinnert, daß bis 1762 die Insel Cuba dem Handel nicht mehr Erzeugnisse geliefert hat als gegenwärtig die in industrieller Hinsicht am weitesten zurückstehenden und hinsichtlich der Kultur am meisten vernachlässigten drei Provinzen Veragua, die Landenge von Panamá und Darién. Ein dem Anschein nach sehr unglückliches politisches Ereignis, die Eroberung Havannas durch die Engländer, weckte die Gemüter auf.“: Cuba-Werk, S. 115.
[138] Zeuske, „Weltgeschichtlicher „Big Picture“ und Mikrohistorien ...“.
[139] Moreno Fraginals, I, S. 128.
[140] Deerr, Noël, The History of Cane Sugar, 2 vols., London: Chapman & Hall, 1950.
[141] Moreno Fraginals, I, S. 74, FN 46.
[142] Ebd., S. 150f.
[143] Ebd., S. 151; siehe auch: Zanetti Lecuona, Oscar; García Álvarez, Alejandro, Caminos para el azúcar, La Habana: Ed. de Ciencias Sociales, 1987 (US-Ausgabe 2000).
[144] Moreno Fraginals, I, S. 168.
[145] Ebd., S. 168f. und S. 190.
[146] Es handelt sich um eine Gewinnanalyse der Pflanzer, die Humboldt von José Ignacio Echegoyen bekommen hatte. Humboldt hielt in dieser Kostenanalyse die „Fabrikationskosten des Zuckers [für] etwas übertrieben“ und veraltet, benutzte sie aber trotzdem, weil er sonst nicht hatte (Cuba-Werk, S. 121-122, Anm. **). Moreno Fraginals schreibt dazu, daß es sich bei dem Dokument („Demonstración de José Ignacio Echegoyen sobre diezmos“, in: ANC, Real Consulado, 101/4330) um eine von Arango geschriebene und von Echegoyen unter seinem eigenen Namen eingereichte, „nicht ganz richtige“ Analyse handelt, siehe: Moreno Fraginals, I, S. 168. Echegoyen war Zuckermeister auf dem Gut Arangos (La Ninfa) und genoß das volle Vertrauen seines Chefs (Siehe: Echegoyen, José Ignacio, Fabricación de Azúcar, Boston: Russell and Martin, 1827). Arango hat folgende Marginalie zu dieser Stelle in Humboldts Essai gemacht: „Diese Kostenanalyse (die nicht von dem ist, der sie unterschrieben hat) kann heute nicht mehr gelten; und deshalb muss ich eine Enthüllung machen, die ich vorher verborgen habe“ (Moreno Fraginals, I, S. 168, FN 2). Moreno ist insgesamt der Meinung, daß die Pflanzer niemals gültige Zahlen publizierten, sondern immer nur „Lügen oder evidente Wahrheiten, die vorher schon allen anderen Zuckerherstellern bekannt waren“, siehe: Moreno Fraginals, I, S. 168.
[147] Cuba-Werk, S. 108-128. Bei der Sammlung dieser Daten dürfte Calvo eventuell eine wichtige Rolle gespielt haben, Humboldt bezieht sich allerdings auf seinen „Aufenthalt in den Ebenen von Güines 1804“ (S. 108). Im Essai Politique ist von einem Aufenthalt „von neuem“ auf Río Blanco die Rede, siehe: Puig-Samper; Naranjo Orovio; García González, Ensayo Político ..., S. 318.
[148] Moreno Fraginals, I, , S. 215. Inwieweit Moreno hier selbst der Elitenargumentation über die mangelnde Sorgfalt der Sklaven bei den technologisch komplizierten Partien der Produktion auf den Leim gegangen sein, sei dahingestellt; ebd., S. 252.
[149] Ebd., S. 200.
[150] Zur sozialen und politischen Dimension dieser Gruppe, siehe: González-Ripoll Navarro, „La minoría dominante: redes familiares, poder y política“, in: Dies., Cuba, la isla de los ensayos: ..., S. 123-153; Torres-Cuevas bezeichnt sie als „Generation von 1792“, siehe: Torres-Cuevas, „Los reformismos cubanos ...“, S. 37-59, hier S. 42f.
[151] Lucena Giraldo, Miguel, “El espejo roto. Una polémica sobre la obra de Humboldt en la Venezuela del siglo XIX”, in: Dynamis. Acta Hispanica ad Medicinae Scientiarumque Historiam Illustrandam. Vol. 12 (1992), S. 73-86. Allgemeiner: López-Ocón, Leoncio, „Un naturalista en el panteón. El culto a Humboldt en el Viejo y el Nuevo Mundo durante el siglo XIX“, in: Cuadernos Hispanoamericanos, No. 586 (April 1999), S. 21-33.
[152] Puig-Samper, „Epílogo. Ciencia y política en Humboldt. Debate y perspectivas“, in: Debate y perspectivas ..., S. 203-205, hier S. 204; siehe auch: Latour, Bruno, Nunca hemos sido modernos, Madrid: Debate, 1993.
[153] Osten, Manfred, „Amerika oder das ‚größte Übel, das die Menschheit betroffen hat’. Anmerkungen zur Modernität Alexander von Humboldts“, in: Ette, Ottmar; Bernecker, Walther L. (eds.), Ansichten Amerikas. Neuere Studien zu Alexander von Humboldt, Frankfurt am Main: Vervuert 2001, S. 263-269; Ette, Ottmar, „Hacia una ciencia universal. Ciencia y ética en Alejandro de Humboldt“, in: Puig-Samper, „Alejandro de Humboldt en el mundo hispánico ...“ , S. 29-54 sowie : Ders., “Alexander von Humboldt und das Projekt der Moderne”, in: Ette, Ottmar / Bernecker, Walther L. (eds.): Ansichten Amerikas. Neuere Studien zu Alexander von Humboldt. Frankfurt am Main: Vervuert 2000, S. 9-18 ; Ders., “Humboldts Wissenschaftsverständnis”, in : Humboldt im Netz (HiN). International Review for Humboldtian Studies, I,1 (2000) (www.uni-potsdam.de/u/romanistik/humboldt); Ders., “Alexander von Humboldt: Anmerkungen zu einem Verständnis globalisierter Wissenschaft”, in: Wolff, Gregor (Hrsg.), Die Berliner und Brandenburger Lateinamerikaforschungen in Geschichte und Gegenwart. Personen und Institutionen, Berlin: Wissenschaftlicher Verlag Berlin, 2001, S. 137-148.
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