HiN - Internationale Zeitschrift für Humboldt-Studien (ISSN: 1617-5239)

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HiN X, 18 (2009)

Schwerpunkt
DARWIN und HUMBOLDT

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Christian Helmreich

Geschichte der Natur bei Alexander von Humboldt

Zusammenfassung

In dem vorliegenden Artikel wird Alexander von Humboldts Beschäftigung mit der geschichtlichen Dimension der Natur analysiert. Es soll gleichzeitig untersucht werden, inwiefern der von Darwin sehr verehrte Humboldt ein „Vorläufer“ des englischen Wissenschaftlers genannt werden kann. Während Humboldt in seiner Jugendzeit auf dem Gebiet der Geschichte der Natur durchaus interessante Forschungsansätze verfolgt, scheint er in der Zeit ab 1800 aus methodischen Gründen Forschungen abzulehnen, die sich mit (unsicheren) Hypothesen über den einstigen Zustand der Erde beschäftigen. Die Wissenschaft, so Humboldt, braucht empirisch fundierte Belege. Untersucht wird auch, inwiefern sich seine Position mit der Zeit verändert, insbesondere angesichts der ab 1810/1820 florierenden Paläontologie. Spannend wird es dann im späten Kosmos, in dem Humboldt zwei eigentlich widersprüchliche Positionen einnimmt: in seinen programmatischen Abschnitten hebt er hervor, daß sich seine Art der Naturbeschreibung ganz strikt auf das Seiende beschränken müsse, anderswo im gleichen Werk subvertiert er diese Aussage allerdings und bietet dem Leser breitangelegte Einblicke in die Geschichte der Natur.

Résumé

Darwin, on le sait, était un grand lecteur d‘Alexandre Humboldt. Le présent article part de ce constat pour interroger la place qu‘Humboldt accorde à l‘étude de la dimension historique de la nature. Problème d‘autant plus épineux que la position humboldtienne ne cesse d‘évoluer tout au long de sa carrière. Dans sa jeunesse, il esquisse des programmes de recherches historiques, mais rejette à partir de 1800 ce type de travaux qui, dans le champ des sciences naturelles, lui semblent méthodologiquement douteux: dans ce domaine, les données lui semblent rares, les conclusions hypothétiques et invérifiables. Humboldt maintient cette position sceptique dans les années 1810/1820, au moment même où les recherches paléontologiques prennent leur essor. Par la suite, il semble peu à peu réviser son jugement et revenir à son enthousiasme de jeunesse pour les choses historiques. Curieusement, le Cosmos présente simultanément deux discours à première vue inconciliables: tantôt Humboldt souligne qu‘il doit se contenter de faire une description précise de l‘état présent de la nature, tantôt il présente a contrario une excellente illustration de toutes les possibilités offertes par l‘étude de l‘histoire de la nature.

Abstract

This article analyses the importance of an historical view of nature in the works of Alexander von Humboldt. In several of his first writings, Humboldt seems to outline the importance of what one may call history of nature. But even before his famous American travel, his position changed and he became reluctant to accept the seriousness of historical enquiry in the area of natural sciences: if we want to reconstruct the past state of nature, we cannot rely on empirical proofs; and history of nature is therefore necessarily based on uncertain hypotheses. Humboldt kept his sceptical attitude in the first decades of the 19th century, despite the positive results of the palaeontological researches of his scientific colleagues. However, he gradually convinced himself of the scientific interest of historical investigations in the natural sciences. The Cosmos paradoxally displays two apparently conflicting points of view: in his methodological remarks, Humboldt maintains that precise accounts of the past state of nature are out of reach of human knowledge, yet elsewhere in the same Cosmos he gives broad and rather vivid descriptions of the eventful history of nature.

 

* * *

 

1. Einleitung: Alexander von Humboldt und Darwin

Als die MS Beagle mit dem jungen Charles Darwin (1809-1882) an Bord am 27. Dezember 1831 in der Bucht von Plymouth das Anker lichtete und damit eine fünfjährige Forschungsreise begann, die mehr als fünfundzwanzig Jahre später zur Veröffentlichung des Buches On the Origin of Species (1859) führen sollte, war Alexander von Humboldt gewissermaßen auch auf dem Schiff. Zwar nicht in Person – Humboldt befand sich zu der Zeit gerade in Paris –, aber seine Relation historique du Voyage aux régions équinoxiales du nouveau continent gehörte in der englischen Übersetzung zu den Werken, die Darwin mit auf die Reise genommen hatte.[1] Bekanntlich hat Humboldts Reisebeschreibung schon vor seiner Weltreise auf den jungen Darwin einen überaus großen Eindruck gemacht: auf diese offensichtlich oft wiederholte Lektüre geht wahrscheinlich der erste Reiseplan des Cambridge-Absolventen zurück, der die Kanarischen Inseln besuchen wollte,[2] und Humboldts Relation historique dürfte auch dazu beigetragen haben, dass Darwin den Entschluss fasste, sich naturwissenschaftliches Wissen anzueignen und sich der langen, möglicherweise gefährlichen Forschungsreise der Beagle anzuschließen. Auch im weiteren Leben Darwins spielt Humboldt eine nicht unbedeutende Rolle. In vielen seiner Werke zitiert er den preußischen Amerikareisenden, 1839 kam es zu einem brieflichen Kontakt zwischen dem aufstrebenden Engländer und dem berühmten, von ihm verehrten Humboldt,[3] am 29. Januar 1842 trafen sich die beiden Forscher in London im Hause des Geologen Roderick Murchison.[4] Obwohl Darwin von diesem Treffen mit dem vierzig Jahre Älteren etwas enttäuscht war – er selbst schrieb, seine Erwartungen seien wohl zu hoch gewesen[5] –, änderte dies nichts daran, dass Darwin sich auch weiterhin mit Humboldts Ansichten und Werken auseinandersetzte. Noch 1881, sechs Monate vor seinem Tod, nannte Darwin Humboldt „the greatest scientific traveller who ever lived“.[6]

Die Bedeutung Alexander von Humboldts für das Werk Darwins[7] könnte dazu verleiten, den großen Amerikareisenden als wichtigen Vorläufer auch der Darwinschen Evolutionstheorie zu sehen. Nun wird selbst der uneingeweihte Leser im Kosmos schnell auf zentrale methodologische Aussagen stoßen, die mit einem solchen Ansatz nicht in Einklang zu bringen sind. An herausgehobener Stelle, auf den ersten Seiten seiner „allgemeinen Übersicht der Erscheinungen“, bemerkt Humboldt, es sei seine Pflicht, „das gleichzeitig Erkannte nach dem Maaß und in den Schranken der Gegenwart übersichtlich zu schildern.“[8] Dieses Synchronie-Gebot wird im Kosmos mehrfach variiert. So lesen wir im 1. Band des Kosmos:

In das empirische Gebiet objectiver sinnlicher Betrachtung, in die Schilderung des Gewordenen, des dermaligen Zustandes unsres Planeten gehören nicht die geheimnißvollen und ungelösten Probleme des Werdens.

Die Weltbeschreibung, nüchtern an die Realität gefesselt, bleibt nicht aus Schüchternheit, sondern nach der Natur ihres Inhaltes und ihrer Begrenzung, den dunkeln Anfängen einer Geschichte der Organismen fremd, wenn das Wort Geschichte hier in seinem gebräuchlichsten Sinne genommen wird.[9]

Einprägsame Worte begegnen uns auch am Ende der Einleitung zum 3. Band:

Unsere Kenntniß von der Urzeit der physikalischen Weltgeschichte reicht nicht hoch genug herauf, um das jetzt Daseiende als etwas Werdendes zu schildern.[10]

Dies steht, so scheint es, im Widerspruch zu der Annahme, Humboldt sei einer der wichtigen „Vorgänger“ der Darwinschen Theorie. Erstaunlich sind die zitierten Texte aus dem Kosmos auch, wenn man an Alexander von Humboldts allgemeines Interesse für Geschichte denkt, für die Geschichte der Völker Amerikas etwa (Essai politique sur le Royaume de la Nouvelle-Espagne, 1808-1811, Vues des Cordillères, 1810-1813), für das Zeitalter der ozeanischen Entdeckungen (Examen critique de l’histoire de la géographie du Nouveau Continent, 1834-1838) oder für Wissenschafts- und Kulturgeschichte (Kosmos, insbesondere im zweiten Band, 1847). Im folgenden wollen wir nun versuchen, von diesem Widerspruch ausgehend zu untersuchen, welche Rolle bei Alexander von Humboldt das Problem der Geschichtlichkeit der Natur spielt. Eine solche Untersuchung ist umso bedeutsamer, als seine Lebenszeit in die Epoche fällt, in die gemeinhin die allmähliche Historisierung der Naturwissenschaften verortet wird.[11] Gerade im Hinblick auf diese Konstellation soll Alexander von Humboldts Position hier nun genauer analysiert werden.

 

2. Humboldts Entwurf einer Historia telluris (1793/94)

In den Jugendschriften Alexander von Humboldts gibt es mindestens zwei Passagen, in denen Alexander sich mit dem Problem der Geschichte der Natur auseinandersetzt. Es ist zum ersten eine längere, vor kurzem von Eberhard Knobloch und Heinrich Pieper sorgfältig edierte und kommentierte Fußnote aus den ersten Seiten der Florae fribergensis specimen,[12] die umso bedeutsamer ist, als Humboldt sie in seinen Werken drei Mal wiederaufnimmt: das erste und zweite Mal in seiner mittleren (Pariser) Zeit, in den beiden Ausgaben seiner Schrift De distributione geographica plantarum 1815 und 1817, ein drittes Mal 1845 im ersten Band des Kosmos, in einem Werk also, das sich an ein viel breiteres Publikum wendet als die speziellen Untersuchungen aus den Jahren 1793 und 1815/17. In dieser methodologischen Fußnote definiert Humboldt drei naturwissenschaftliche Bereiche: geognosia, physiographia und historia telluris, drei Begriffe, für die er drei deutsche Termini vorschlägt: Erdkunde, Naturbeschreibung, Erdgeschichte. Es ist hier nicht der Ort, diesen spannenden Text und die komplexe, von Alexander von Humboldt vorgeschlagene Einteilung detailliert zu analysieren.[13] Hervorgehoben werden muss allerdings, dass Humboldt in dieser Note die Erdgeschichte eindeutig von einer nicht-geschichtlichen Betrachtungsweise unterscheidet, die sich mit den gegenwärtig zu beobachtenden Naturphänomenen beschäftigt. Bei dieser handelt es sich um eine Form der Naturforschung, die die Phänomene streng synchron untersucht, während jene sich mit dem Problem der Diachronie auseinandersetzt, d.h. mit der zeitlichen Entwicklung der Naturphänomene. Der junge Humboldt legt in seinem Text eine grundlegende methodologische Definition vor und skizziert ein Forschungsprogramm, das durchaus zukunftsweisend ist:

Historia Telluris (Erdgeschichte) Geognosiae magis quam Physiographiae affinis, nemini adhuc tentata, plantarum animaliumque genera, orbem inhabitantia primaevum, migrationes eorum pluriumque interitum, ortum quem montes, valles, saxorum strata et vene metalliferae ducunt, sive aquam densando aere natam, sive aerem oceani exhalationibus rarefactum, mutatisque temporum vicibus modo purum modo vitiatum, terrae superficiem humo plantisque paulatim obtectam, fluminum inundantium impetu denuo nudatam iterumque siccatam et gramine vestitam commemorat. Igitur Historia zoologica, historia plantarum et historia oryctologica, quae non nisi pristinum orbis terrae statum indicant a Geognosia probe distinguenda.[14]

Humboldt bemerkt en passant, dass die Erdgeschichte oder Geschichte der Natur ein fast unerforschtes Gebiet („nemini adhuc tentata“: von niemandem bisher versucht) sei. In der Tat trägt die Naturwissenschaft bis ins 18. Jahrhundert hinein zwar den Namen historia naturalis, histoire naturelle oder „Naturgeschichte“. Diese „alte“ historia naturalis bezeichnet aber eine Form der Naturbetrachtung, die, wenn man sich an dem modernen Sinn des Wortes Geschichte ausrichtet, keineswegs geschichtlich ist.[15] Viele Autoren des 18. Jahrhunderts bemerken die eigentümliche, paradoxale Geschichtslosigkeit der Naturgeschichte, so z.B. Voltaire, der 1759 in seinem der Geschichte gewidmeten Artikel der Diderot-d’Alembertschen Encyclopédie in den ersten Zeilen erklärt, die „histoire naturelle“ trage den Namen Geschichte zu Unrecht.[16] Auch Kant hat dieses Problem wiederholt aufgegriffen. Kant betont in den siebziger Jahren in seinem Artikel Von den verschiedenen Racen der Menschen, dass das, was gemeinhin mit Naturgeschichte bezeichnet wird, im eigentlichen Sinne Naturbeschreibung ist:

Wir nehmen die Benennungen Naturbeschreibung und Naturgeschichte gemeiniglich in einerlei Sinne. Allein es ist klar, dass die Kenntniß der Naturdinge, wie sie jetzt sind, immer noch die Erkenntniß von demjenigen wünschen lasse, was sie ehedem gewesen sind, und durch welche Reihe von Veränderungen sie durchgegangen, um an jedem Orte in ihren gegenwärtigen Zustand zu gelangen. Die Naturgeschichte, woran es uns fast noch gänzlich fehlt, würde uns die Veränderung der Erdgestalt, ingleichen die der Erdgeschöpfe (Pflanzen und Thiere), die sie durch natürliche Wandrungen erlitten haben, und ihre daraus entsprungene Abartungen von dem Urbilde der Stammgattung lehren.[17]

Ähnliche Unterscheidungen findet man auch in der Abhandlung Über den Gebrauch teleologischer Principien in der Philosophie, die Kant 1788 im Zuge seiner Auseinandersetzung mit Georg Forster publiziert[18] und schließlich in einer Passage der Kritik der Urteilskraft, in der Kant den Begriff Archäologie der Natur ins Spiel bringt.[19] Die Kantschen Versuche zu einer terminologischen Klärung dürfte Humboldt gekannt haben.[20]

Neben der methodologisch bedeutsamen Fußnote aus der Flora fribergensis soll nun noch eine zweite Stelle angeführt werden, in der der junge Humboldt sich mit der Geschichte der Natur auseinandersetzt. Es handelt sich um eine Passage aus einem Brief, den Humboldt im Jahr 1794 an Schiller adressiert und in dem er einige naturwissenschaftliche Themenbereiche aufzählt, die die Leser der von Schiller herausgegebenen Horen interessieren könnte. Zu diesen Themen gehört auch die Geschichte der Pflanzen:

Geschichte und Geographie der Pflanzen oder historische Darstellung der allgemeinen Ausbreitung der Kräuter über den Erdboden, ein unbearbeiteter Teil der allgemeinen Weltgeschichte, Aufsuchung der ältesten Vegetation in ihren Grabmälern (Versteinerungen, Steinkohlen, Torf etc.), allmähliche Bewohnbarkeit des Erdbodens, Wanderungen und Züge der Pflanzen, der geselligen und isolierten, Karten darüber, welche Pflanzen gewissen Völkern gefolgt sind, allgemeine Geschichte des Ackerbaus, Vergleichung der kultivierten Pflanzen mit den Haustieren, Ursprung beider, Ausartungen, welche Pflanzen fester, welche loser an das Gesetz gleichmäßiger Form gebunden sind, Verwilderungen gezähmter Pflanzen (so amerikanische, persische, Pflanzen wild vom Tajo bis Ob), allgemeine Verwirrung in der Pflanzengeographie durch Kolonisationen – das scheinen mir Objekte, die des Nachdenkens wert und fast ganz unberührt sind.[21]

Einige Forscher haben Humboldt in diesen historischen Ausführungen schon als Vorläufer des Darwinismus sehen wollen. Zwar können wir hier durchaus Forschungsansätze finden, die auf Darwin vorausweisen, z.B. die Frage der Pflanzenmigrationen (eine Frage, die Humboldt auch später immer wieder aufnimmt). Auch bemerkt Humboldt in diesem Zusammenhang die Variabilität verschiedener Pflanzengattungen, die es ihnen ermöglicht, sich unterschiedlichen Bedingungen anzupassen. Allerdings ist in der zitierten Passage nicht die Rede von der Entstehung neuer Arten. Wie dem auch sei: es liegen aus den Jahren 1793/94 interessante Vorstöße Humboldts in den Bereich der Geschichte der Natur vor, die durchaus im Widerspruch stehen zu den eingangs zitierten Maximen aus dem Kosmos, in denen das „jetzt Daseiende“ so streng geschieden wird von dem Werdenden. Allerdings hat Humboldt die in den neunziger Jahren des 18. Jahrhunderts von ihm skizzierten historischen Fragestellungen in der Folgezeit nicht weiter bearbeitet. Dies liegt an einer methodologischen Wende, die schon vor der Amerikareise eintritt und das Wissenschaftsverständnis Humboldts bis zu seinem Tod prägen wird.

 

3. „Tout ce qui a rapport à l’ancien état de notre planète (…) est incertain.“  - das Gebot der Wissenschaftlichkeit

Diese Wende wird zum ersten Mal angedeutet in einer Abhandlung, die Humboldt unter seine Versuche über die chemische Zerlegung des Luftkreises und über einige andere Gegenstände der Naturlehre eingereiht hat, die 1799 publiziert wurden. In der Einleitung zu der Abhandlung über „Die Entbindung des Wärmestoffs als geognostisches Phänomen betrachtet“ bemerkt er:

Man hat sich von jeher mehr damit beschäftigt, über die Entstehung der Dinge nachzusinnen, als ihre gegenwärtigen Verhältnisse genau zu erforschen. Daher unsere Dürftigkeit an sichern Beobachtungen über Schichtung und Lagerung der Gebirgsmassen, über die Identität der selben in entfernten Ländern, und über ihre geognostischen Verwandtschaften! Daher der Überfluss an kosmogonischen Hypothesen […]. Derjenige Theil der Gebirgskunde, welcher sich auf die dermaligen Verhältnisse unsers festen Erdkörpers bezieht, ist eine empirische Wissenschaft, welche eines hohen Grades der Zuverlässigkeit fähig ist. […] Diese Bestimmtheit fällt aber weg, so bald man jenen Fragen historische Probleme einmengt.[22]

Mit den „kosmogonischen Hypothesen“ dürfte Humboldt u.a. auf die sogenannten Erdtheorien des 17. und des 18. Jahrhunderts anspielen – Schriften, die den ursprünglichen Zustand der Erde nachzuzeichnen und dann den Verlauf der Erdgeschichte zu rekonstruieren versuchten.[23] Die großen erdgeschichtlichen Entwürfe von Descartes (Principia Philosophiae, 1644), Burnet (Sacred Theory of the Earth, 1681-1690), Leibniz (Protogaea, 1693) und noch Buffons Époques de la nature (1779) werden von Humboldt zwar nicht wirklich zitiert. Ganz offensichtlich will er sich aber, wie viele seiner Zeitgenossen, von dieser Form der Geologie distanzieren, weil er sie schon im Ansatz für unwissenschaftlich hält. Auch aus diesem Grund benutzt Humboldt den von seinem Lehrer Abraham Gottlob Werner favorisierten Namen Geognosie. Die Kritik aller unverifizierbaren geologischen Spekulationen ist in den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts geradezu ein Topos. Humboldt kann sich hierbei sowohl an der vorsichtigen Praxis seines Freiberger Lehrers Abraham Gottlob Werner orientieren, der sich in seiner Lehre sehr auf die genaue Beobachtung der Gesteine und ihrer Lagerung konzentriert, sich mithin für die Ordnung und die Strukturen stärker interessiert als für die „geschichtlichen“ Fragen der geologischen Wissenschaft,[24] als auch an dem hypothesenfeindlichen Diskurs der führenden wissenschaftlichen Kreise Frankreichs,[25] mit denen Humboldt in diesen Jahren in Kontakt tritt.

Fortan wird Alexander nicht müde, eine Art methodologischer Strenge hervorzuheben, die auch von seinen wissenschaftlichen Kollegen geteilt wird. „De tout ce que la physique nous présente, il n’y a de stable et de certain que les faits“, schrieb Alexander von Humboldt schon am 24. Januar 1796 an den Genfer Physiker Pictet in einem Brief, der im Magasin encyclopédique veröffentlicht wurde. „Les théories, enfants de l’opinion, sont variables comme elle. Ce sont les météores du monde moral, rarement bienfaisants, et plus souvent nuisibles aux progrès intellectuels de l’humanité.“[26] Das Aufstellen von Hypothesen, selbst die Interpretation der Fakten ist sekundär, argumentiert er immer wieder, als müsse er insbesondere den Naturforschern des Pariser Instituts beweisen, dass er kein flüchtiger Beobachter oder gar ein theoretisierender Träumer sei. Wir finden also in der 1799 von Humboldt publizierten Abhandlung eine methodologisch und wissenschaftstheoretisch bedeutsame Unterscheidung zwischen wissenschaftlich relevanten Forschungen und solchen, die unwissenschaftlich sind. Wissenschaftlich ist demnach die Naturbeschreibung — die Naturgeschichte ist es nicht. Diese Definition von Wissenschaftlichkeit wird Humboldt fortan stets wiederholen, so z. B. schon 1801 in einem französischen Text, der in dem Journal de physique publiziert wird. Seine Ideen über die Identität der Gesteinsformationen in der alten und der neuen Welt, so schreibt Humboldt,

fondent une science certaine et nouvelle, parce qu’elles se bornent à la partie descriptive; elles tracent le tableau du monde tel qu’il est, et non le mode par lequel il s’est formé. La géologie n’est devenue une science incertaine que depuis que l’imagination des hommes s’est plus attachée à cette partie de l’histoire qui manque presque totalement de traditions et de monumens intelligibles.[27]

Geschichte ist eine wissenschaftliche Disziplin, wenn sie sich auf Quellen stützen kann. Für eine Geschichte der Natur aber ist die Quellenlage zu prekär: woher soll man z.B. den Zustand der früher existierenden Vegetation im Detail kennen? Diese Argumentation wird Alexander von Humboldt stets wieder aufnehmen. Besonders eindeutig wird dies z.B. in dem großen geologischen bzw. geognostischen Werk aus Humboldts Pariser Zeit, in dem 1823 veröffentlichten Essai géognostique:

La véritable géognosie fait connoître la croûte extérieure du globe, telle qu’elle existe de nos jours. C’est une science aussi sûre que peuvent l’être les sciences physiques descriptives. Au contraire, tout ce qui a rapport à l’ancien état de notre planète […] est aussi incertain que le sont la formation de l’atmosphère des planètes, les migrations des végétaux, et l’origine des différentes variétés de notre espèce.[28]

Im Kosmos übernimmt Humboldt diesen von ihm schon an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert formulierten Gedanken: das Gewordene (der jetzige Zustand der Natur), nicht das Werden ist Gegenstand wissenschaftlicher Forschung. Das Werden entzieht sich unseren Blicken. Dies allerdings bedeutet nicht, dass Humboldt die Erde als einen Gegenstand ohne Vergangenheit betrachtet. Wie alle Gelehrten seiner Zeit kennt er das hohe Alter der Erde,[29] und er weiß, dass die Lagerung der Gesteinsschichten einen historischen Prozess abbilden: die oberen Schichten sind jüngeren Datums als die unteren. Dieses stratigraphische Prinzip, das schon 1669 von Nicolaus Steno in seiner Schrift De solido intra solidum naturaliter contento dissertationis prodromus aufgezeigt worden war, wird von den Geologen des ausgehenden 18. Jahrhunderts als selbstverständliche Prämisse ihres Tuns vorausgesetzt: es bildet u.a. die Grundlage der von Werner in Freiberg gelehrten Geognosie.

Wie aber im Detail die lange Geschichte der Erde sich abgespielt hat, kann für Humboldt nicht Gegenstand von wissenschaftlicher Erforschung sein: dazu sind die Zeugnisse zu spärlich und zu unsicher. Bei geologischen Fragen übernimmt Humboldt diese vorsichtige Haltung umso lieber, als sich seine eigenen Erklärmuster in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts grundlegend verändern. Er, der in seiner Jugend die neptunistischen Ideen seines Lehrers Abraham Gottlob Werner verfocht, wird auch unter dem Einfluss seines ehemaligen Kommilitonen Leopold von Buch bald nach seiner Amerikareise immer mehr vulkanistischen Theorien zuneigen.[30] Sein eigener Sinneswandel dürfte Humboldt vor Augen geführt haben, wie prekär die historische Interpretation von Naturphänomenen sein kann.

 

4. Das Problem der Artenkonstanz. Botanik und Zoologie

Ist nun Humboldts Skepsis gegenüber geschichtlichen Fragestellungen und Untersuchungen nicht eine Position, die eigentlich nur den Bereich der Geologie bzw. Geognosie betrifft? Sowohl die Botanik als auch die Zoologie sind am Ende des 18. Jahrhunderts Disziplinen, in denen – anders als in der Geologie – Geschichte kaum ein zentrales Thema der wissenschaftlichen Debatten ist. Im Zentrum des wissenschaftlichen Interesses steht hier insbesondere seit Linné die Frage der Taxonomie.

Nun versucht Alexander wie viele zeitgenössische Botaniker über die streng taxonomische Forschung Linnés hinauszugehen. Nicht dass Humboldt die Bedeutung der Pflanzenbestimmung und der taxonomischen Arbeiten verkannt hätte, macht doch die Auswertung der von ihm und Aimé Bonpland auf der Amerikareise gesammelten Pflanzen einen großen Teil seines Amerika-Werkes aus: vierzehn Foliobände mit 1250 Tafeln (wobei Humboldt sich zuerst auf Bonpland, ab 1813 dann auf Carl Sigismund Kunth stützen kann). Neben dieser „traditionellen“ botanischen Arbeit konzentriert sich Alexander aber auf sein Pflanzengeographie-Projekt, in dem die Taxonomie, mithin die Bestimmung der Pflanzenmerkmale nur eine untergeordnete Rolle spielt. Von zentraler Bedeutung ist die Untersuchung der Bedingungen, unter denen die verschiedenen Pflanzen wachsen können und die damit zusammenhängende Frage ihrer jeweiligen Verbreitung. Deshalb geht Humboldts Geographie der Pflanzen mit einer dynamischen Naturauffassung einher.

Es ist möglich, dass Humboldt die der Natur inhärente Dynamik schon deshalb besonders hervorzuheben vermag, als Naturbeobachtung bei ihm nicht immer Reglosigkeit voraussetzt, sondern oft eben auch in der Bewegung stattfindet. Auch der Leser kann diese neuartige Form der wissenschaftlichen Naturbeschreibung erleben, besonders eindrucksvoll etwa in dem Abschnitt der Ideen zu einer Geographie der Pflanzen (1807), in dem Humboldt die verschiedenen Vegetationsebenen der Anden dadurch darstellt, dass er die Bewegung eines (idealen) Wanderers reproduziert, der von der Meeresebene bis zum Gipfel des Chimborazo steigt:

Wenn man von der Meeresfläche zum Gipfel hoher Gebirge emporsteigt, so verändert sich nach und nach die Ansicht des Bodens und die Reihe physikalischer Erscheinungen, welche der Luftkreis darbietet. Die Pflanzen der Ebene verlieren sich unter Alpengewächsen von mannigfaltiger Bildung. Den hohen Waldbäumen folgt niedriges Gebüsch mit knorrigen Ästen; diesem folgen duftende Kräuter, deren zartwollige Oberfläche mit gegliederten Saugröhren besetzt ist. Weiter hinauf, in luftdünnen Höhen, wachsen gesellig die Gräser und an die einförmige Grasflur stößt die Region der kryptogamischen Gewächse. Flechenarten liegen hier einsiedlerisch unter ewigem Schnee vergraben und bezeichnen die obere Grenze der organischen Schöpfung.[31]

Humboldt interessiert sich also nicht nur für die Einordnung der von ihm beobachteten Pflanzen in die botanische Nomenklatur: ihm geht es weniger um die Konstitution von botanischen Tabellen als um das Zeichnen von Karten, auf denen verzeichnet werden kann, wo die verschiedenen Arten wachsen. Es geht mit anderen Worten um die räumliche Verteilung der Pflanzen. Die Verbreitung der verschiedenen Pflanzenarten hängt nun von vielen variablen Parametern ab, die Humboldt allerdings vornehmlich auf geographische (und dabei insbesondere auf klimatische Faktoren) zurückführt. Fragen der historischen Entwicklung werden von ihm kaum behandelt. Beispielhaft dafür die Überlegungen Humboldts über die Verschiedenheit der Vegetation in der neuen und der alten Welt. Keine einzige in Europa heimische Pflanze hätten Aimé Bonpland und er während ihrer Amerikareise sammeln können, bemerkt Humboldt in seiner Pflanzengeographie-Schrift aus dem Jahr 1807 – der Grund für diese bemerkenswerte Andersartigkeit entziehe sich aber unseren Nachforschungen.[32] In seiner Reisebeschreibung kommt Humboldt auf dieses Problem zurück:

Dans le règne des plantes, comme dans celui des animaux, les causes de la distribution des espèces sont du nombre des mystères que la philosophie naturelle ne peut atteindre. Cette science ne s’occupe pas de l’origine des êtres, mais des lois d’après lesquelles les êtres sont répartis sur le globe. Elle examine ce qui est […]; mais elle n’aborde pas des problèmes dont la solution est impossible parce qu’ils touchent à l’origine, à la première existence d’un germe de vie.[33]

Auch im Bereich der Botanik ist die Frage nach dem Ursprung des jetzigen Zustands, so Humboldt, nicht zu lösen. Immerhin gibt es in den Schriften, die Humboldt nach seiner Amerikareise publiziert, einige Passagen, in denen Ansätze zu einer Geschichte der Natur geboten werden. So zeichnet er z.B. die allmähliche Entwicklung der Vegetation auf einer öden Insel nach,[34] er skizziert die „Wanderungen“ der Pflanzen (ein Prozess, der etwa die Präsenz „kanadischer“ Tannen an den Abhängen der mexikanischen Vulkane erklärt)[35] oder macht Andeutungen auf die Geschichte der Kulturpflanzen, z.B. in seinen Ideen zu einer Geographie der Pflanzen, in denen etwa die Geschichte der Weinrebe, des Korns, der Baumwolle oder die schnelle Verbreitung der Fruchtbäume erwähnt wird.[36] Ähnliche Ausführungen kann man in seinem Mexiko-Buch finden, in dem u.a. die Frage untersucht wird, ob Amerika oder Afrika die ursprüngliche Heimat der Maniok-Pflanze ist.[37] Die Geschichte der Kulturpflanzen gehört aber nur zum Teil der Botanik an. Da sie, wie Humboldt hervorhebt, einen wichtigen Beitrag für die Geschichte der Völker und Völkerwanderungen zu leisten vermag, haben die Kulturpflanzen in diesem Kontext die Funktion von historischen Dokumenten.[38]

Recht spärlich sind dagegen seine Aussagen zu den vor Darwin ja schon existierenden evolutionistischen Theorien, etwa zu den Hypothesen, die Jean-Baptiste Lamarck in den ersten Jahren nach der Jahrhundertwende öffentlich macht und die auch deshalb von Bedeutung sind, weil Lamarck eigentlich eine wissenschaftlich einwandfreie Reputation besitzt und sich auf Beobachtungen stützt, die er als ausgewiesener Spezialist der wirbellosen Tiere (Invertebrata) machen konnte. Lamarck wird nun in Humboldts Werk sehr selten zitiert. Auch erwähnt Humboldt in seinen frühen pflanzengeographischen Schriften zwar die „Biegsamkeit“ (Flexibilität) verschiedener Pflanzen,[39] diese Flexibilität führt ihn aber nicht dazu, eine Mutation der genannten Arten anzunehmen. Unter Flexibilität versteht Humboldt lediglich die Anpassungsfähigkeit der Pflanzen: während gewisse Arten sich nur in einem eng begrenzten Raum entwickeln können, weil ihre Standortanforderungen besonders strikt sind, gibt es Arten, die auch andere Rahmenbedingungen akzeptieren. In einer der seltenen Passagen, in denen Humboldt kurz das Problem einer möglichen Evolution der Arten behandelt, offenbart sich seine Präferenz für die Idee der Artenkonstanz:

Die Kartoffel, welche in Chile 3500 m (fast 11000 Schuh) hoch über dem Meere kultiviert wird, trägt dieselbe Blüte wie die, welche man in die Ebenen von Sibirien verpflanzt hat. Die Gerste, welche die Pferde der Atriden nährte, war unbezweifelt dieselbe, wie die, welche wir heute noch einernten. Alle Pflanzen und Tiere, welche gegenwärtig den Erdboden bewohnen, scheinen seit vielen Jahrtausenden ihre charakteristische Form nicht verändert zu haben.[40]

Bereitwillig übernimmt Humboldt im Anschluss an diese Textpassage auch Georges Cuviers Argument, dass die in den unterirdischen Gräbern aufbewahrten Ibisse aus dem alten Ägypten gegenüber den heute lebenden Ibis-Exemplaren keine Differenzen aufweisen: die Zeit habe also nicht zu einer Veränderung der Art geführt.[41] Noch im Jahre 1849 wendet sich Humboldt in einer Note seiner Ansichten der Natur gegen „diejenigen, welche gern von allmählichen Umänderungen der Arten träumen“.[42]

Innerhalb des großen Amerikawerkes sind die Textstellen, in denen Humboldt sich mit Fragen auseinandersetzt, die in den Bereich der Geschichte der Natur fallen, relativ selten. Dies liegt auch daran, dass Humboldt in späteren Jahren, insbesondere ab 1815, Wissenschaftlichkeit dadurch anstrebt, dass er z.B. im Bereich der Botanik numerische Gesetze sucht, um die Vegetation zu beschreiben und insbesondere den prozentualen Anteil der verschiedenen botanischen Familien an der Flora einer bestimmten Zone zu bestimmen. Besonders gut lässt sich diese Entwicklung Humboldts bei der Fortführung seines Pflanzengeographie-Projekts nachverfolgen, in der Schrift De distributione plantarum z.B., die 1815 die Einleitung zu seinem (in der Hauptsache von Carl Sigismund Kunth redigierten) großen siebenbändigen botanischen Hauptwerk Nova genera et species plantarum bildet.

Qui ad scribendam Geographiam plantarum animum appulerunt […] perdifficilem quaestionem de ratione ac modo, quo satorum tribus per diversas orbis terrarum regiones fundantur, plus quam opportuisset, neglexerunt. Natura enim plantas aeternae legis imperio sub unaquaque zona dispertivit.[43]

Letztendlich zurückführen kann man dies auf den wissenschaftstheoretischen Leitgedanken des reifen und späten Humboldt, für den „bei allem Beweglichen und Veränderlichen im Raume […] mittlere Zahlenwerte der letzte Zweck [sind], ja der Ausdruck physischer Gesetze; sie zeigen uns das Stetige in dem Wechsel und in der Flucht der Erscheinungen“.[44] Modifikationen der natürlichen Organismen können also in den Augen Humboldts nur innerhalb der von der Natur auferlegten Grenzen und Gesetze stattfinden: „Die urtiefe Kraft der Organisation fesselt, trotz einer gewissen Freiwilligkeit im Entfalten einzelner Theile, alle thierische und vegetabilische Gestaltung an feste, ewig wiederkehrende Typen“.[45]

 

5. Skepsis oder Begeisterung? Humboldt und die Anfänge der Paläontologie

Humboldt scheint also querzustehen zu der Historisierung der Naturwissenschaften am Anfang des 19. Jahrhunderts. Dies ist umso erstaunlicher, als sich unter seinen Augen gerade die wissenschaftliche Disziplin entwickelt, in der sich die historischen Tendenzen der Naturwissenschaften besonders deutlich manifestieren.[46] In den Jahren, in denen Cuvier seine bahnbrechenden und öffentlichkeitswirksam vorgetragenen Studien über die Fossilien herausgab und somit eine Wissenschaft begründete, die etwas später den Namen Paläontologie erhalten sollte, hielt sich Humboldt in Paris auf. Cuviers Verdienst liegt u.a. darin, dass er sich der Methode der vergleichenden Anatomie bedient, um unter Zuhilfenahme von im Erdreich aufgefundenen Knochen eine große Anzahl ausgestorbener Tierarten zu rekonstruieren. Von Bedeutung sind dabei nicht nur die einzelnen neuentdeckten Arten von inzwischen verschwundenen Tierarten, sondern der Nachweis, dass die Natur auf unserem Planeten in früheren Zeiten ein gänzlich anderes Aussehen hatte als heute. In dem Discours préliminaire seiner großen vierbändigen Aufsatzsammlung Recherches sur les ossements fossiles de quadrupèdes („Untersuchungen über die fossilen Knochen von Vierbeinern“) vergleicht Cuvier seine eigene Vorgehensweise mit der der Archäologen, die ja ebenfalls untergegangene Welten ans Licht fördern:

J’essaie de parcourir une route où l’on n’a encore hasardé que quelques pas, et de faire connaître un genre de monuments presque toujours négligé, quoique indispensable pour l’histoire du globe.

Antiquaire d’une espèce nouvelle, il m’a fallu apprendre à déchiffrer et à restaurer ces monuments, à reconnaître et à rapprocher dans leur ordre primitif les fragments épars et mutilés dont ils se composent; à reconstruire les êtres antiques auxquels ces fragments appartenaient […].[47]

Der Vergleich der Fossilien mit geschichtlichen Dokumenten ist zwar nicht neu. Schon im 17. Jahrhundert hatte Robert Hooke Fossilien mit Medaillen verglichen.[48] Dieses Bild, auf das auch Buffon rekurriert,[49] wird im Laufe des 18. Jahrhunderts topisch.[50] Gleichzeitig mit Cuvier und seinen Schülern arbeiten englische und deutsche Naturforscher in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts an einer systematischen Rekonstruktion der Erdgeschichte: dadurch wird die Beschreibung dieses Forschungszweigs als eine neue Form von Archäologie und Altertumskunde durchaus  plausibel.[51] Cuvier kann sich ganz bewusst als Geschichtsforscher stilisieren.

Während Cuvier den Fossilien für die wissenschaftliche Erforschung der Vergangenheit unserer Erde einen zentralen Stellenwert beimisst, ist die Zurückhaltung Humboldts bemerkenswert. Seine Skepsis gegenüber der paläontologischen Wissenschaft lässt sich besonders deutlich ablesen in seinem 1823 publizierten Essai géognostique. Zwar bespricht Humboldt auf zwanzig Seiten die Fragen, die mit der Untersuchung der Fossilien verbunden sind;[52] er zitiert u.a. die Arbeiten Cuviers und Alexandre Brongniarts, die Forschungen der Schüler Cuviers, diejenigen Ernst Friedrich von Schlotheims und William Bucklands,[53] aber er hält fest an dem Primat der Lithostratigraphie. Im Zweifelsfall richtet sich Humboldt bei der Beurteilung der verschiedenen Gesteinsarten nach der mineralogischen Beschaffenheit derselben:

Je pense que cette étude des corps fossiles, […] loin de renverser tout le système des formations déjà établies, servira plutôt à étayer ce système, à le perfectionner, à en compléter le vaste tableau.[54]

Humboldt ist Anfang der zwanziger Jahre noch nicht davon überzeugt, dass die Präsenz von bestimmten Fossilien eine präzise Datierung der Gesteinsschichten erlaubt – warum sollte in der Vergangenheit z.B. eine Muschel überall gleichzeitig die Weltmeere bevölkert haben, wo doch Humboldt für die Jetztzeit gerade feststellen konnte, wie sehr an verschiedenen Lokalitäten die jeweils heimische Flora und Fauna voneinander abweichen?

Quoique les mers, par des causes physiques très-connues, offrent, à de grandes profondeurs, la même température sous l’équateur et sous la zone tempérée, nous voyons pourtant, dans l’état actuel de notre planète, les coquilles des tropiques […] différer beaucoup des coquilles des climats septentrionaux.[55]

1823 ist Humboldt mit anderen Worten noch nicht vorbehaltlos überzeugt von den Argumenten, die Georges Cuvier und Alexandre Brongniart schon 1808 in ihrem Essai sur la géographie minéralogique des environs de Paris vorgebracht hatten und die das Leitfossil-Prinzip[56] begründen:

Le moyen que nous avons employé pour reconnoître au milieu d’un si grand nombre de lits calcaires, un lit déjà observé dans un canton très-éloigné, est pris de la nature des fossiles renfermés dans chaque couche: ces fossiles sont toujours généralement les mêmes dans les couches correspondantes, et présentent d’un système de couche à un autre système, des différences d’espèces assez notables. C’est un signe de reconnoissance qui jusqu’à présent ne nous a pas trompés.[57]

 

6. Der unaufgelöste Gegensatz. Natur-Geschichte im Kosmos

In den Jahren nach dem Erscheinen des Essai géognostique wird Humboldt seine Position in der Fossilienfrage allmählich revidieren. Er gibt seine abwartend-vorsichtige Haltung auf und setzt sich mit großem Interesse mit den neuen Erkenntnissen auseinander, die von den Paläontologen in den Jahren zwischen 1820 und 1845 gewonnen werden. In den sogenannten Kosmosvorträgen in der Singakademie gibt Alexander schon 1827/28 ein breites Panorama der verschiedenen Gesteinsschichten und der darin enthaltenen Fossilien.[58] Besonders bemerkenswert sind aber die den Fossilien gewidmeten Passagen des Kosmos.

Im Kosmos finden wir in der Tat die eindeutigen „geschichtsskeptischen“ methodologischen Maximen, auf die wir schon am Anfang unserer Untersuchung hingewiesen haben („In das empirische Gebiet objectiver sinnlicher Betrachtung […] gehören nicht die geheimnißvollen und ungelösten Probleme des Werdens“, etc.) – wissenschaftstheoretische Sätze, die an herausgehobener Stelle des Buches platziert wurden. Aber gleichzeitig werden genau diese Maximen von dem Autor zum Teil wieder subvertiert. Besonders die langen Ausführungen zur Geschichte der Erde, in denen Humboldt sich intensiv mit der paläontologischen Forschung seiner Zeit auseinandersetzt und insbesondere die „groß[e] Arbeit von Georg Cuvier und Alexander Brongniart“ hervorhebt,[59] scheinen den theoretisch-methodologischen Aussagen zu widersprechen, die in den einleitenden Passagen des gleichen Werks stehen. Fast hat man den Eindruck, Humboldt bereite es eine besondere Freude, die von ihm selbst aufgestellten Grenzen und Regeln zu übertreten.

„Paläontologische Studien haben der Lehre von den starren Gebilden der Erde, wie durch eine belebenden Hauch, Anmuth und Vielseitigkeit verliehen,“[60] bemerkt Humboldt. Die Paläontologie kann uns, so führt er aus, nicht nur eine „Chronometrik der Erdrinde“ liefern,[61] sondern gewissermaßen eine Geschichte des Lebens auf unserer Erde:

Wir steigen aufwärts in die Zeit, indem wir, die räumlichen Lagerungsverhältnisse ergründend, von Schicht zu Schicht abwärts dringen. Ein hingeschwundenes Thier- und Pflanzenleben tritt vor unsere Augen. Weit verbreitete Erdrevolutionen, die Erhebung großer Bergketten, deren relatives Alter wir zu bestimmen vermögen, bezeichnen den Untergang alter Organismen, das Auftreten neuer.[62]

Dies bedeutet auch, dass Alexander von Humboldt nun die Vorbehalte, die er 1823 in seinem geognostischen Buch formuliert hatte, gänzlich fallenlässt und das Leitfossil- bzw. «Leitmuschel»-Prinzip[63] übernimmt:

Die Wasser sind zu denselben Epochen in weit von einander entfernten Weltgegenden durch Schalthiere belebt gewesen, die wenigstens theilweise, wie man heute bestimmt weiß, identisch mit den in Europa fossilen waren.[64]

Wenn Humboldt in dem gleichen Kontext bemerkt, das Alter der Formationen könne «am sichersten […] durch die Anwesenheit organischer Reste und die Verschiedenartigkeit ihres Baues erkannt» werden,[65] so widerruft er in diesem Punkt ganz eindeutig seinen Essai géognostique. Und anders als in seiner Schrift aus dem Jahr 1823 begnügt sich Alexander von Humboldt im Kosmos nicht damit, einen Überblick über den Stand der paläontologischen Forschungen zu geben. Die Geschichte der Erde wird bei ihm nun anschaulich gemacht und nacherzählt. Stellenweise erinnert der Text des Kosmos an die Stiche aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in denen das Publikum plötzlich mit der ihm vorher unbekannten, manchmal angsteinflößenden Fauna der Vorwelt konfrontiert wird und nun z.B. die «crocodilartigen Saurier», die «großäugige[n] Ichthyosauren», die «scheußlich wunderbare[n] Pterodactylen»[66] usw. bestaunen kann. Wir haben es nicht mit einer trockenen Aufzählung von Fossilien zu tun: die alte Tierwelt, die sich so sehr von der heutigen unterscheidet, wird in den Humboldtschen Beschreibungen gewissermaßen zum Leben erweckt. Man mag den Eindruck gewinnen, dass der Autor des Kosmos hier die 1793 skizzierte historia telluris aufscheinen lässt. Auch auf anderen Gebieten widmet Humboldt sich der geschichtlichen Betrachtung der Erde, etwa in den Abschnitten, in denen er sich mit dem Vulkanismus auseinandersetzt oder breitangelegte historische Panoramen anbietet und versucht, die verschiedenen geognostischen Epochen[67] unserer Erde nachzuzeichnen. Der Essai géognostique aus dem Jahr 1823 bot noch ein statisches Bild der Erde, in der die strukturellen Elemente im Vordergrund standen; beim späten Humboldt erleben wir eine dynamische Geologie:

Große Flächen, mannigfaltig gegliederte Continente werden gehoben oder gesenkt, es scheidet sich das Starre von dem Flüssigen […] Die Grenzen von Meer und Land, vom Flüssigen und Starren wurden mannigfach und oft verändert. Es oscillirten die Ebenen aufwärts und abwärts. Nach der Hebung der Continente traten auf lange Spalten, meist parallel, und dann wahrscheinlich zu einerlei Zeitepochen, Gebirgsketten empor; salzige Lachen und große Binnenwasser, die lange von denselben Geschöpfen bewohnt waren, wurden gewaltsam geschieden.[68]

Wenn im Text immer wieder historische Betrachtungen, manchmal sogar wie hier große dramatische Gesamtbilder erscheinen, so liegt dies daran, dass Humboldt entgegen seiner vorgegebenen «asketisch» geschichtsfeindlichen Position in naturwissenschaftlichen Fragen eigentlich, um eine von ihm geprägte Wendung aufzunehmen, «mit gespannter und unbefriedigter Neugier in das dunkle Gebiet des Werdens»[69] tritt. Schon im ersten Kosmos-Band bemerkte Alexander:

Was in den Kreisen des Lebens und aller inneren treibenden Kräfte des Weltalls so unaussprechlich fesselt, ist minder noch die Erkenntniß des Seins, als die des Werdens.[70]

In diesem Sinn findet man beim späten Humboldt also zwei entgegengesetzte Positionen: einerseits wird in den theoretischen bzw. methodologischen Ausführungen die notwendige Beschränkung auf eine beschreibende Naturwissenschaft aufrechterhalten, andererseits aber wenigstens teilweise Geschichte der Natur geboten. In bestimmten Textpassagen verwirft Humboldt alle Spekulationen (Geschichte der Natur aber gehört für ihn in den Bereich der Spekulation), an anderer Stelle kann er seine Faszination vor den geschichtlichen Problemen nicht verbergen und fordert, es müsse «dem neugierig regsamen Geiste des Menschen» erlaubt sein, «bisweilen aus der Gegenwart in das Dunkel der Vorzeit hinüberzuschweifen, zu ahnen, was noch nicht klar erkannt werden kann, und so sich an den alten, unter vielerlei Formen wiederkehrenden Mythen der Geognosie zu ergötzen.»[71] Dieser Widerspruch bleibt im Kosmos gewissermaßen ungelöst, so wie auch in den anderen Werken Humboldts je nach Kontext bald eine ahistorische bald eine historische Form der Naturbetrachtung aufscheint. Dass aber eine reine Beschreibung des derzeitigen Zustands der Natur nicht möglich ist, wusste Humboldt schon. Nicht umsonst relativiert er in einer interessanten Passage seines Kosmos den von ihm selbst behaupteten Gegensatz zwischen Naturbeschreibung und Naturgeschichte:

Das Seiende ist aber, im Begreifen der Natur, nicht von dem Werden absolut zu scheiden: denn nicht das Organische allein ist ununterbrochen im Werden und Untergehen begriffen, das ganze Erdenleben mahnt, in jedem Stadium seiner Existenz, an die früher durchlaufenen Zustände. […] In diesem Sinne wären Naturbeschreibung und Naturgeschichte nicht gänzlich von einander zu trennen. Der Geognost kann die Gegenwart nicht ohne die Vergangenheit fassen.[72]

 

7. Epilog

Wir haben unsere Untersuchung mit der Frage der Beziehung zwischen Humboldt und Darwin eröffnet. Weder in der Relation historique noch in anderen Humboldtschen Werken hat Darwin Teile der von ihm später verfochtenen Entwicklungstheorie lesen können: Humboldt wird man kaum einen direkten «Vorläufer» Darwins nennen können. Seine Bedeutung für Darwin liegt auf einem anderen Feld. Zum einen hat Humboldt Darwin wichtige Denkanstöße geliefert, manchmal sogar ex negativo. So sind insbesondere die Beobachtungen Humboldts über die Pflanzenverteilung von großer Bedeutung für Darwin. Gerade die Phänomene, die Alexander von Humboldt als geheimnisvoll und wissenschaftlich nicht erklärbar beschreibt, versucht Darwin zu analysieren. Dadurch, dass Humboldt sich nicht darauf beschränkt, den systematischen Platz der verschiedenen Pflanzenarten innerhalb der Linnéschen Nomenklatur zu beschreiben, sondern auch die räumliche «Verteilung» der Pflanzen sichtbar werden zu lassen, wird die Botanik entscheidend modifiziert. Die Evolutionstheorie entsteht dann, wenn die Differenzierung der Vegetation im Raum als Ergebnis eines in der Zeit sich abspielenden Prozesses erkannt wird. Wie Susan Faye Cannon gezeigt hat, dürfte darüber hinaus schon Humboldts wissenschaftliche Methode den englischen Naturforscher beeinflusst haben[73]: der Versuch, die verschiedensten Daten miteinander zu kreuzen, die Wechselbeziehung zwischen den verschiedenen Phänomenen zu beleuchten und durch einen solchen «pluralistischen», nicht selten disziplinübergreifenden Ansatz komplexe Phänomene besser erfassen zu können. 1881, am Ende seines Lebens hebt Darwin in einem Brief an seinen Freund Joseph Hooker gerade Humboldts Vielseitigkeit hervor: «I should say he was wonderful, more for his near approach to omniscience than for originality.»[74]

 

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[1]* Dieser Artikel ist die überarbeitete Fassung eines Vortrags, der im Rahmen der Kolloquiumsreihe der Alexander-von-Humboldt-Forschungsstelle der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) im März 2008 gehalten wurde. Mein Dank gilt Frau Dr. Petra Werner, die diese Kolloquiumsreihe betreut und mir die Gelegenheit bot, meine Forschungen den Humboldt-Spezialisten vorzustellen. Danken möchte ich auch der Alexander von Humboldt-Stiftung für ihre großzügige Unterstützung meiner Arbeit sowie Herrn Prof. Dr. Eberhard Knobloch, meinem Gastgeber an der Technischen Universität Berlin.

 Unter den Büchern aus Darwins Besitz, die in der Universitätsbibliothek in Cambridge liegen, befinden sich insbesondere die 7 Bände der englischen Übersetzung der Humboldtschen Relation historique (vgl. Darwin 1985 ff., I, 561), mit zahlreichen Anstreichungen oder Randbemerkungen Darwins. Die Bedeutung Humboldts für Darwin wird z.B. herausgearbeitet von Barrett/Corcos 1972, Cannon 1978 und Armstrong 1999.

[2] Darwin 1958, 68. Auch in den Briefen Darwins aus der Zeit wird dieses Projekt erwähnt: "At present, I talk, think, & dream of a scheme I have almost hatched of going to the Canary Islands.– I have long had a wish of seeing Tropical scenery & vegetation: & according to Humboldt Teneriffe is a very pretty specimen" (Brief vom 7. April 1831 an William Darwin Fox; Darwin 1985ff., I, 120).

[3] Der Brief, den Darwin im Frühsommer 1839 zusammen mit seinem Reisetagebuch (Journal and remarks, die erste große Publikation Darwins, die später unter dem Titel Journal of researches bzw. Voyage of the Beagle aufgelegt werden sollte) an Humboldt sandte, ist verloren. Erhalten sind dagegen ein (längerer) Brief Humboldts an Darwin vom 18. September und das Antwortschreiben Darwins vom 1. November 1839 (Darwin 1985ff., II, 218ff. u. 239ff.).

[4]  Darwin 1985 ff., III, 10, Fußnote 15.

[5]  "I was a little disappointed with the great man, but my anticipations probably were too high" (Zitat bei Armstrong 1999, 51; vgl. auch Darwin 1985ff., II, Appendix).

[6]  Francis Darwin 1887, III, 247.

[7] Umgekehrt war auch Humboldt von den Beobachtungen und Schriften Darwins sehr beeindruckt. Davon zeugt nicht allein der schmeichelhafte Brief, den er 1839 an den jungen Engländer schrieb. Noch bemerkenswerter ist, dass dieser "geistreiche[r] Forscher" (Humboldt 1845-1862, IV, 426; vgl. auch IV, 527, 550, 575, 590, usw.) im Kosmos mehr als vierzigmal zitiert wird.

[8] Humboldt 1845-1862, I, 82.

[9] Humboldt 1845-1862, I, 367.

[10] Humboldt 1845-1862, III, 25.

[11]Vgl. Baron & Sticker 1963, Toulmin & Goodfield 1965, Lepenies 1976, Engelhardt, 1979, bes. S. 82ff. Eine überaus präzise Untersuchung dieses Historisierungsprozesses im Bereich der Geologie und Paläontologie geben Oldroyd 1979 und besonders Rudwick 2005, der sich auf die Jahre 1787-1823 konzentriert.

[12] Knobloch & Pieper 2007.

[13] Ausdrücklich hingewiesen sei hier auf den Kommentar von Eberhard Knobloch und Herbert Pieper in dem zitierten Artikel.

[14] Humboldt 1793, X, Fußnote. Hier die Übersetzung von Eberhard Knobloch und Herbert Pieper: "Die Historia Telluris (Erdgeschichte), mehr der Geognosie als der Physiographie verwandt, von niemandem bisher versucht, führt die Arten der Pflanzen und Tiere an, die den frühen Erdkreis bewohnen, deren Wanderungen und den Untergang von vielen, den Ursprung, den die Berge, die Täler, die Gesteinsschichten und die metallführenden Adern an sich haben, sei es das Wasser, das durch Verdichtung mit Luft entstanden ist, sei es die Luft, die durch die Ausdünstungen des Ozeans verdünnt wurde, die durch die wechselhaften Fälle der Zeiten bald rein bald verunreinigt ist, die Oberfläche der Erde, die allmählich mit Boden und Pflanzen bedeckt ist, durch den Ansturm überschwemmender Flüsse von neuem entblößt und wiederum ausgetrocknet und mit Gras bedeckt ist. Also ist die zoologische Geschichte, die Geschichte der Pflanzen und die oryctologische Geschichte, die nur den ursprünglichen Zustand des Erdkreises angeben, von der Geognosie richtigerweise zu unterscheiden."

[15]  Grund dieser Inkongruenz: in dem Kompositum Naturgeschichte behält Geschichte die antike Bedeutung des Wortes bei (Geschichte = Erforschung, Untersuchung, Erzählung), während bei dem Wort Geschichte ein Bedeutungswandel hin zum modernen Geschichtsbegriff stattgefunden hat. Vgl. hierzu den grundlegenden Artikel von Reinhart Koselleck (Koselleck 1975).

[16]  "L’histoire naturelle, improprement dite histoire".

[17]  Kant 1900 ff., II, 434 (Von den verschiedenen Racen der Menschen, in der letzten Fassung aus dem Jahr 1777).

[18]  "Ich würde für die Naturbeschreibung das Wort Physiographie, für Naturgeschichte aber Physiogonie in Vorschlag bringen" (Kant 1900 ff., VIII, 163).

[19]  "Wenn der einmal angenommene Name Naturgeschichte für Naturbeschreibung bleiben soll, so kann man das, was die erstere buchstäblich anzeigt, nämlich die Vorstellung des ehemaligen alten Zustandes der Erde, worüber man, wenn man gleich keine Gewißheit hoffen darf, doch mit gutem Grunde Vermutungen wagt, die Archäologie der Natur, im Gegensatz mit der Kunst nennen. Zu jener würden die Petrefacten, so wie zu dieser die geschnittenen Steine u.s.w. gehören" (Kant 1900 ff., V, 428).

[20]  Fritscher 1994. Vgl. auch Döring 1931, 46ff.

[21]  Humboldt 1973, 346 (Brief vom 6. August 1794).

[22]  Humboldt 1799, 179f.

[23]  Roger 1973, Ashworth 1984, Rappaport, 1997. Einen hervorragenden Überblick bietet Ellenberger 1988-1994.

[24]  Vgl. Fritscher 1992 u. Oldroyd 1979, insbesondere S. 202ff. Sehr überzeugend ist Oldroyds Beschreibung der Geognosie, die von A. G. Werner praktiziert und von Humboldt 1823 in seinem Essai ausgeführt wird, als ein Zwischenglied zwischen einer ahistorischen und einer historischen Geologie.

[25]  Interessant sind in diesem Zusammenhang die Urteile der jüngeren Wissenschaftlergeneration über Buffons Epoques de la nature. Vgl. dazu Jacques Roger, in: Buffon 1988, CXXIXff.

[26]  Humboldt 1865, 4 (Erstveröffentlichung Magasin encyclopédique, année 1, t. 6, S. 462-472). Deutsche Übersetzung: "Unter allen Produkten der Physik sind allein die Tatsachen beständig und gewiß. Die Theorien, Kinder der Meinung, sind auch so wechselhaft wie sie es ist. Es handelt sich um die Meteore der moralischen Welt, die selten wohltuend sind, meist aber dem intellektuellen Fortschritt der Menschheit schaden".

[27]  Humboldt 1801, 31. Deutsche Übersetzung: [Diese Ideen] "begründen eine sichere und neue Wissenschaft, weil sie sich auf das Beschreiben beschränken. Sie bilden die Welt ab wie sie ist, nicht die Art und Weise, wie sie entstanden ist. Zu einer unsicheren Wissenschaft wurde die Geologie erst, seitdem die Einbildungskraft der Menschen sich mehr mit diesem Teil der Geschichte beschäftigt hat, dem es gänzlich an Traditionen und an verständlichen Denkmälern fehlt."

[28]  Humboldt 1823a, 5 (Hervorhebungen von mir, C.H.). Deutsche Übersetzung: "Die wahrhafte Geognosie lehrt die äußerliche Rinde der Weltfeste kennen, so, wie solche der gegenwärtigen Betrachtung geboten ist. Sie muß als nicht minder sicher gelten, wie die übrigen beschreibenden physikalischen Wissenschaften. Da hingegen Alles, was auf den vormaligen Zustand unserer Erde Bezug hat […] so unsicher ist, als die Forschung über die Wanderungen der Pflanzen, oder jene über den Ursprung der verschiedenen Menschen-Racen" (Humboldt 1823b, 5).

[29]  Kant z.B. braucht in seiner Allgemeinen Naturgeschichte und Theorie des Himmels (1755) nicht ausführlich zu begründen, dass "eine Reihe von Millionen Jahren und Jahrhunderten" verflossen sein müssen, "ehe die Sphäre der gebildeten Natur, darin wir uns befinden, zu der Vollkommenheit gediehen ist, die ihr jetzt beiwohnt" (Kant 1900ff., I, 139). Das hohe Alter unseres Planeten gehört in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zum Gemeinwissen der Gelehrten. Schon am Anfang des Jahrhunderts mussten die Wissenschaftler bei der Untersuchung der Sedimentationsprozesse bemerken, dass sie es mit einem sehr langsamen Vorgang zu tun hatten, der den engen zeitlichen Rahmen der biblischen Chronologie sprengen musste (vgl. hierzu Ellenberger 1988/1994, II, 171ff.).

[30]  Vgl. Hoppe 1994.

[31]  Humboldt 1987/1997, I, 66f.

[32]  Humboldt 1987/1997, I, 55.

[33]  Humboldt 1819/1821, 384. Deutsche Übersetzung: "Die Ursachen der Verteilung der Arten im Pflanzen- wie im Tierreich gehören zu den Rätseln, welche die Naturphilosophie nicht zu lösen imstande ist. Mit dem Ursprung der Wesen hat diese Wissenschaft nichts zu tun, sondern nur mit den Gesetzen, nach denen die Wesen über den Erdball verteilt sind. Sie untersucht das, was ist […]; aber sie rührt nicht an Fragen, die unmöglich zu lösen sind, weil sie mit der Herkunft, mit dem Uranfang eines Lebenskeimes zusammenhängen" (Humboldt 1991, II, 990f.; vgl. auch Humboldt 1859/1860, 258).

Susan Faye Cannon hebt hervor, dass Darwin den hier mit negativen Vorzeichen formulierten Satz nur ins Positive zu wenden braucht, um sein gesamtes Forschungsprogramm vorgezeichnet zu sehen (Cannon 1978, 88).

[34]  Vgl. eine (relativ kurze) Skizze dazu in Humboldts Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse aus dem Jahr 1806. Humboldt beobachtet: "Die Geschichte der Pflanzendecke und ihre allmähliche Ausbreitung über die öde Erdrinde hat auch ihre Epochen wie die Geschichte der wandernden Tierwelt" (Humboldt 1987/1997, V, 179). Einen nicht publizierten, früheren Entwurf aus dem Jahr 1795 teilt Hanno Beck in seiner Edition der pflanzengeographischen Schriften mit (Humboldt 1987/1997, I, 36f.).

[35]  Alexander von Humboldt, Ideen zu einer Geographie der Pflanzen, in: Humboldt 1987/1997, I, 50.

[36]  Humboldt 1987/1997, I, 57ff.

[37] Humboldt 1808/1811, II, 369ff. (vgl. auch 397ff.). Ähnliche Ausführungen tauchen schon in den Ideen zu einer Geographie der Pflanzen (Humboldt 1987/1997, I, 57f.) auf.

[38]  "La prédilection qu'ont certaines tribus pour la culture de certaines plantes indique le plus souvent, soit une identité de race, soit d'anciennes communications entre des hommes qui vivent sous des climats divers. Sous ce rapport les végétaux, comme les langues et les traits de physionomie des nations, peuvent devenir des monumens historiques" (Humboldt 1808/1811, II, 397f.).

[39]  In seinen Ideen untersucht er z.B., wie "biegsam" verschiedene Gattungen sind (Humboldt 1987/1997, I, 54).

[40]  Humboldt 1987/1997, I, 59.

[41] Georges Cuvier, Mémoire sur l’ibis des anciens Égyptiens. Von diesem Text existieren zwei Fassungen aus den Jahren 1800 und 1804.

[42]  Humboldt 1808/1811, V, 240.

[43]  Humboldt 1817, 24 (Hervorhebung von mir, C.H.). Deutsche Übersetzung in Humboldt 1987/1997, I, 163-255, hier 178f.: "Diejenigen, die ihr Denken auf die Beschreibung der Geographie der Pflanzen ausgerichtet haben, haben […] die sehr schwierige Frage nach den Gesetzen, nach denen die Pflanzenstämme über die verschiedenen Regionen des Erdkreises verbreitet werden, mehr als zumutbar vernachlässigt. Die Natur nämlich hat die Pflanzen auf die jeweilige Zone nach dem Gebot eines ewigen Gesetzes verteilt."

[44]  Humboldt 1845-1862, I, 82.

[45]  Humboldt 1845-1862, II, 103.

[46]  Vgl. die detaillierte, leider auf Frankreich beschränkte Studie von Goulven Laurent (Laurent 1987) sowie Rudwick 2005.

[47]  Cuvier 1992, 45 (Hervorhebungen von mir, C.H.). Deutsche Übersetzung: "Ich versuche einen Weg zu gehen, auf dem man sich bisher nur wenige Schritte vorgewagt hat, und eine Gattung von Denkmälern bekannt zu machen, die fast immer vernachlässigt wurden, obwohl sie für die Geschichte des Erdballs unentbehrlich sind. Wie ein Antiquar [Altertumsforscher] neuen Stils habe ich lernen müssen, diese Denkmäler zu entziffern und wiederherzustellen, die ursprüngliche Ordnung der verstreuten und verstümmelten Fragmente, aus denen sie bestehen, zu verstehen und zusammenzusetzen, die antiken Lebewesen, denen diese Fragmente angehörten, erneut aufzubauen."

[48]  "Now these Shells and other Bodies are the Medals, Urnes, or Monuments of Nature […]. These are the greatest and more lasting Monuments of Antiquity" (Hooke 1705, 335).

[49]  Buffon 1988, 3.

[50]  Ellenberger 1988/1994, 53ff.

[51]  Vgl. Rudwick 2005.

[52]  Humboldt 1823a, 35-54.

[53]  Auffällig ist, dass Humboldt in den Ausführungen, die er in seinem Essai im Jahr 1823 den Fossilien widmet, Leopold von Buch nur einmal (S. 49), William Smith aber gar nicht zitiert.

[54]  Humboldt 1823a, 52 (Hervorhebung von mir). Deutsche Übersetzung (Humboldt 1823b, 55): "Ich bin der Meinung, daß dieses Studium der fossilen Körper […] weit entfernt, das System bereits bestehender Formationen umzustürzen, vielmehr dazu dienen werde, jenes System zu unterstützen, dasselbe zu vervollkommnen, und die große Übersicht zu ergänzen".

Humboldt übernimmt in seinem Essai géognostique die Position des französischen Werner-Schülers d’Aubuisson de Voisins, dessen 1819 erschienenes Buch er lobend erwähnt (Aubuisson de Voisins 1819).

[55]  Humboldt 1823a, 42. Deutsche Übersetzung (Humboldt 1823b, 43): "Ungeachtet die Meere, durch wohlbekannte physische Ursachen, in großer Tiefe, unter dem Äquator, wie in gemäßigten Himmelsstrecken, dieselbe Temperatur zeigen, so finden wir dennoch, bei der gegenwärtigen Beschaffenheit unseres Weltkörpers, die tropischen Muscheln […] sehr abweichend von denen nördlicher Gegenden." Vgl. Humboldt 1823a, 45: "On peut concevoir que sous une même zone, dans un pays de peu d’étendue, des générations d’animaux se sont succédé, et ont caractérisé, comme par des types particuliers, les époques des formations; mais, à de grands éloignemens horizontaux, des êtres de formes très-diverses peuvent, sous différens climats, avoir occupé simultanément la surface du globe ou le bassin des mers".

[56]  Humboldt dürfte diesem Prinzip, das in den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts von vielen Geologen schon erahnt und das dann ungefähr gleichzeitig in England (William Smith), in Frankreich (Georges Cuvier und Alexandre Brongniart) und in Deutschland (Ernst Friedrich von Schlotheim) formuliert wurde, in den Schriften Cuviers und Brongniarts begegnet sein. Die frühen Forschungen des Engländers William Smith, der dieses Prinzip als erster erkannt haben dürfte, erwähnt Humboldt 1823 nicht. Zwar kannten schon am Anfang des Jahrhunderts wahrscheinlich viele englische Wissenschaftler Smiths Schlussfolgerungen, in veröffentlichter Form lagen sie aber erst 1817 vor. Ellenberger 1988/1994, 298ff., Rudwick 2005, 428ff., 435, 444, 477ff. sowie Laurent 1987, 77f., 119.

[57]  Brongniart/Cuvier 1808, 307f. Diese Passage findet sich auch wieder in den späteren Fassungen des Artikels, die 1812 innerhalb von Cuviers Recherches sur les ossements fossiles de quadrupèdes und 1822 in Cuvier und Brongniarts Description géologique des environs de Paris erschienen.

Deutsche Übersetzung: "Das Mittel, das wir benutzt haben, um inmitten einer so großen Anzahl von Kreideschichten eine schon in einer weit entfernten Gegend beobachtete Schicht wiederzuerkennen, beruht auf der Natur der in jeder Schicht liegenden Fossilien: in den sich entsprechenden Schichten sind sie im Normalfall immer identisch, sie weisen aber recht eindeutige Unterschiede auf, wenn man ein Schichtensystem mit einem anderen vergleicht. Dieses Erkennungszeichen hat uns bis heute niemals getäuscht."

[58]  Humboldt 1993, 79-85 (5. Vorlesung).

[59]  Humboldt 1845/1862, I, 286.

[60]  Humboldt 1845/1862, I, 284.

[61]ibid.

[62]  Humboldt 1845/1862, I, 284.

[63] Humboldt 1845/1862, I, 285 u. 466. Humboldt weist auch eindeutig auf die Definition der Leitmuschel durch seinen Freund Leopold von Buch (1837) hin, der in der Frage der Fossilien ebenso zu seinem Sinneswandel beigetragen haben dürfte wie zuvor schon in der Frage des Vulkanismus.

[64]  Humboldt 1845/1862, I, 290f. 

[65]  Humboldt 1845/1862, I, 284 (Hervorhebung von mir).

[66]  Humboldt 1845/1862, I, 287.

[67]  Dieser Terminus begegnet im Kosmos (Humboldt 1845/1862, I, 301. Vgl. auch die Rede von den Begebenheiten der Länderbildung I, 311.

[68]  Humboldt 1845/1862, I, 168. Vgl. noch ähnliche Ausführungen im Kosmos (I, 209f.; I, 301ff.)

[69]  Humboldt 1845/1862, III, 431

[70]  Humboldt 1845/1862, I, 87. Es ist dies ein Gedanke, der bei Humboldt immer wieder auftritt. Vgl. etwa folgende Bemerkung aus der Relation historique: "La physique et la géologie ont une partie purement conjecturale, et l’on diroit que les sciences perdent de leur attrait si l’on s’efforce à restreindre cette partie conjecturale dans des limites trop étroites" (Humboldt 1814/1818, 242.)

[71]  Alexander von Humboldt, Über den Bau und die Wirkungsart der Vulkane (1823), in: Humboldt 1987/1997, V, 314. Die hier zitierte Passage wurde fast unverändert in den Kosmos aufgenommen (Humboldt 1845/1862, I, 248).

[72]  Humboldt 1845/1862, I, 63f. Man bemerke allerdings den Konjunktiv: "In diesem Sinne wären Naturbeschreibung und Naturgeschichte nicht gänzlich von einander zu trennen", wodurch das Relativieren gewissermaßen selbst relativiert wird. Anders ausgedrückt: obschon die Beschreibung des jetzigen Zustands der Erde die Berücksichtigung der Erdgeschichte erfordert, müssen wir uns, da es Erdgeschichte bei dem Wissensstand von 1845 nicht geben kann, mit Erdbeschreibung begnügen.

[73]  Cannon 1978.

[74]  Aus dem oben zitierten Brief vom 6. August 1881 (Francis Darwin 1887, III, 247).

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Letzte Aktualisierung: 04 Juni 2009 | Kraft
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